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29. Mai 2004

SAECULUM Glashütte Original Musikfestspielpreis wurde Kurt Masur für sein Lebenswerk überreicht

Vor dem festlichen Konzert des Orchestre National de France unter Leitung von Kurt Masur wurde ihm für sein Lebenswerk der erstmals vergebene Preis SAECUlUM überreicht. Der Geschäftsführer der Uhrenmanufaktur Dr. Müller, Prof.H.Haenchen sprachen kurz vor

Dr. Müllers (Geschäftsführer von Glashütte Original) Worte:

Eure Exzellenz Herr Botschafter der Republik Frankreich,
Sehr geehrte Damen und Herren,


es ist mir eine außerordentliche Freude, Sie in meiner Funktion als Präsident der Glashütte Original heute abend anlässlich der ersten Verleihung des Saeculum, dem Glashütte Original-Musikfestspielpreis, begrüßen zu dürfen.

Der Preisverleihungen gibt es viele. Es gibt sie in den Bereichen der Politik, der Naturwissenschaften, der Literatur, des Fernsehens oder des Films. Interessanterweise gibt es aber keinen, der das Leben und Wirken einer herausragenden und internationalen Persönlichkeit der klassischen Musik ehrt und würdigt. Dies nun ist genau das Anliegen des Saeculum. Der Preis wird verliehen an Menschen, die in der Welt durch ihr Tun die musischen Künste maßgeblich gefördert, geprägt und vorangebracht haben.

Nun mögen Sie fragen, wie es dazu kommt, das eine Uhrenmanufaktur wie die Glashütte Original gemeinsam mit den Dresdner Musikfestspielen einen Preis für solche besonderen Leistungen in der Musik stiftet? Diese Frage ist berechtigt, und ich möchte Ihnen, wenn Sie gestatten, drei von erstaunlich vielen möglichen Antworten geben. Sie kreisen um die Begriffe der Zeit, der Musik und der Uhren.


Die erste der drei Antworten lautet: die Musik macht Zeit und Zeit macht Musik

Die Zeit lässt sich verstehen als ein Nacheinander der Dinge, als eine Abfolge von Geschehnissen. Eine besonders schöne Form, um Zeit als ein Nacheinander solcher Geschehnisse auszudrücken, ist die Musik. In ihr reihen sich Ton an Ton, um im Klang eines Liedes, einer Symphonie oder einer Oper einen hörbaren Zeitraum zu schaffen. Die Musik macht Zeit.

Gleichzeitig macht die Zeit Musik. Und ein Symbol dafür ist der Takt. So schrieb Wolfgang Amadeus Mozart in einem Brief an seinen Vater 1777: „Das Notwendigste und das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo.“ Das Tempo, die Geschwindigkeit der Musik ist jedoch wieder nichts anderes, als die Abfolge von Tönen in einem bestimmten Zeitraum.

Die Zeit und Musik sind also untrennbar miteinander verbunden.

Im übrigen lässt sich ergänzen, gibt es die Musik der besonderen Anlässe: das Geburtstagsständchen oder das Weihnachtslied. Und auch jene Musik, die explizit über die Zeit spricht wie Johann Sebastian Bachs Kantate 134 (a): „Die Zeit, die Tag und Jahre macht“. Oder – wer kennt sie nicht – die Symphonien der Jahreszeiten von Haydn oder die Konzerte von Vivaldi.

Mit der Einheit von Musik und Zeit entsteht eine gedankliche Brücke, eine erste Parallele, zwischen den Dresdner Musikfestspielen und der Uhrenmanufaktur Glashütte Original.

Die zweite Antwort auf die gestellte Frage lautet: Uns verbindet die Liebe zum Handwerk.

Musiker sind Handwerker im besten Sinne des Wortes, und so sind es Uhrmacher. In beiden Fällen schaffen Menschen mit unendlich viel Geduld und Können ein harmonisches, ein präzises Zusammenspiel, hier der Flügel, Violinen, Trompeten, Pauken, und dort der Triebe, Räder, Schrauben, Zeiger. In beiden Fällen folgen die Menschen einem Plan, hier der Partitur, dort der Konstruktionszeichnung, bei denen es gilt, jedem Detail die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. In beiden Fällen geht es aber auch darum, diesen Plänen eine Seele einzuhauchen um so individuelle Meisterwerke zu zeugen: hier in der Interpretation der Noten und Anweisungen, dort mit der Dekoration der Uhrwerke durch Schliffe, Polituren und Anglierungen.

Es ist das Handwerk der Musiker, es ist das Handwerk der Uhrmacher, die so von Menschen für Menschen jeweils schöne Zeiten kreieren.

Sie mögen an diesen ersten beiden Antworten sehen, sehr geehrte Damen und Herren, wie eng die Welten der Zeit, der Musik und der Uhren miteinander verwoben sind. Und so haben Prof. Haenchen und ich uns in einem sehr guten Glauben entschlossen, die Idee des Saeculum in die Tat umzusetzen. Dass sich dadurch mit den Dresdner Musikfestspielen und der Glashütte Original zwei Institutionen gefunden haben, die wunderbar harmonieren, ist kein Zufall. Vielmehr findet sich hier eine weitere, die dritte Antwort:

Die Dresdner Musikfestspiele und Glashütte Original verbindet ihre gemeinsame sächsische Heimat. Wir sind fest in der Region verwurzelt. Beide blicken auf lange Traditionen zurück, die ihre jeweiligen Ursprünge im vielfältigen kulturellen Leben am Dresdner Hof fanden.

Und damit fällt ein Stichwort, das mir anlässlich der ersten Preisverleihung des Saeculum sehr am Herzen liegt: Dresden.

Aachen, Frankfurt am Main, Berlin, Cannes oder Venedig haben die Erfahrung gemacht, dass die Vergabe von Preisen auf ihren Festplätzen und in ihren Prunksälen nicht nur sehr verdienten Persönlichkeiten zur Ehre gereicht, sondern diesen Städten selbst. Undenkbar erschiene es mir, das Berlin selbst unter angespanntester Haushaltslage auf seine Filmfestspiele verzichtete.

Wir als Stifter des Saeculum wünschen uns, dass dieser Preis heute am Beginn einer großen Zukunft steht und sich seine Vergabe noch viele Male in der wunderschönen und traditionsreichen Semper-Oper wiederholen mag. Das setzt jedoch voraus, dass auch die Dresdner Musikfestspiele selbst, die sich auf diese Stadt im In- und Ausland berufen, gleichfalls eine Zukunft finden. Wir als Stifter des Saeculum wünschen uns, dass die Stadt Dresden die Weisheit aufbringt, ihre musikalischen Schätze zu pflegen und sich dann auch mit Recht in ihrem Glanz zu sonnen. Mag die Stadt Dresden den Festspielen den Freiraum geben, damit die Menschen die Musik und ihre Musiker zukünftig so wie heute abend feiern dürfen.

Bitte erlauben Sie mir, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Bemerkung auf das persönliche Lebenswerk von Professor Masur zu kommen. Professor Masur hat in der Musik Außergewöhnliches vollbracht. Dies heute Abend zu würdigen, möchte ich gern Personen überlassen, die viel kompetenter sein Schaffen als Dirigent der bedeutendsten Orchester der Welt zu beschreiben wissen. Ich möchte aber eingehen auf sein gesellschaftliches Wirken, dass so vielen Menschen Mut und Kraft gegeben hat, sich gegen bestehende Verhältnisse, gegen Obrigkeiten aufzulehnen.

Die Renaissance des feinen deutschen Uhrenbaus in Sachsen, in Glashütte, wäre ohne die deutsche Wiedervereinigung nicht möglich gewesen. Diese wiederum war das Ergebnis eines unglaublich mutigen Einstehens von Menschen für die Ideale der Humanität und der Freiheit. Und ein besonderes Symbol dieser Menschen war und ist Professor Masur.

Es mag ihm im Einzelnen nicht bewusst sein, wie sehr er neben seinen besonderen Leistungen als ein großartiger Dirigent auch indirekt an einer anderen Stelle gewirkt hat. Als couragierter Mann im großen gesellschaftlichen Kontext hat er auch im kleinen Städtchen Glashütte Zeichen der Zeit gesetzt. Dafür möchte ich ihm im Namen der Belegschaft der Glashütte Original herzlich danken. Professor Masur gibt uns heute die Ehre, den ersten Saeculum Glashütte Original-Musikfestspiel-Preis anzunehmen. Darüber sind wir sehr stolz und froh.

Eure Exzellenz, sehr verehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Ich bitte nun den Intendanten der Dresdner Musikfestspiele Prof. Haenchen auf die Bühne.

Worte für Kurt Masur

Von Prof. H. Haenchen


Kurt Masur hat gesagt: „Für mich ist jede Minute, in der ich in Ruhe gelassen werde, eine Minute des Besinnens. Jeder der mich näher kennt, weiß genau, dass er mich fünf Minuten vor Beginn eines Konzertes möglichst nicht ansprechen sollte.“
Heute wird es eine wichtige Ausnahme geben:
Dank der Stiftung des SAECULUM durch die Manufaktur Glashütte Original, die gleichzeitig ein langfristiger und wichtiger Partner für die Dresdner Musikfestspiele geworden ist, darf ich heute an der Ehrung eines Meisters teilnehmen, mit dem mich – wenn auch zeitversetzt – viele biographische Einzelheiten verbinden. Ein Dirigent und – so muss man sagen – Organisator und Kämpfer, der dieses Jahr der Carte blanche-Künstler der Dresdner Musikfestspiele mit starkem Dresden-Bezug ist.
Dass die Ehrung hier in der Staatsoper Dresden – der wir für Ihre Zusammenarbeit mit den Musikfestspielen ebenfalls herzlich danken – geschieht, ist für Kurt Masur auch eine Besonderheit.
Wenn ich mich nicht irre, ist dies sein Debüt in diesem Hause und das hat seine Gründe in einer inzwischen historischen Gegebenheit, dass ihm – damals war dieses Haus noch nicht wieder aufgebaut – im Hinblick auf eine feste Zusammenarbeit bedeutet wurde: Ich zitiere den damaligen Orchestervorstand: „Sie sind zu ehrlich, und deshalb passen Sie nicht zu uns.“
Diese Ehrlichkeit ist aber das Grundwesen seines Musikdaseins:
(Zitat KM) „Ich bin nicht wichtig, das Werk ist es.“ Mit dieser Demut erarbeitet er jede Interpretation eines Werkes. Eine Demut, die in heutiger Zeit wohl von einem großen Publikum verstanden und geliebt wird. Doch in einer Zeit spektakulärer „Verbiegungen“ von Meisterwerken, die von den Medien bejubelt werden, ist dies eher ein gegen den Strom der Moden schwimmen. Aber Demut vor dem Werk lässt eben interpretatorische Selbstbespiegelung nicht zu. Dabei ist Kurt Masur eine Künstler, der ständig auch nach den neuesten wissenschaftliche Erkenntnissen sucht und diese in die Praxis umsetzt. Das Neue – auch die neue Musik – liegt ihm immer am Herzen und er vertritt es mit ganzer Kraft. Widerstände künstlerischer, organisatorischer oder politischer Art lassen noch größere Kräfte in ihm wachsen. Wir haben das auch hier in Dresden erfahren dürfen, als er sich zu den Sparplänen der Stadt geäußert hat. Ich persönlich durfte das auch als ganz junger Dirigent erfahren, als mir eine Aufführung des „Messias“ in der Leipziger Nikolaikirche verboten werden sollte, da ich nicht die SED – sanktionierte Übersetzung – in der das Wort Gott nicht vorkam – dirigieren wollte, sondern die Übersetzung der –wohlgemerkt – Halleschen Händelausgabe. Kurt Masur hat diese Aufführung durchgesetzt und mir ermöglicht. Dies soll nur als ganz kleines Beispiel dafür stehen, dass Kurt Masur die Bedrängnisse bei anderen Menschen wahrnimmt. Und wenn es seine Sorge ist, dass „sein“ Orchester heute wegen des eingestürzten Terminals in paris erst später anreisen sollte. Er telefoniert dann mit dem Flughafendirektor um „seinem“ Orchester den richtigen Boden für eine hohe Leistung und das persönliche Wohlergehen zu ermöglichen.
Als Anfänger habe ich Kurt Masur in Jena vordirigiert: Das wichtigste was ich gelernt habe:
„Hab Vertrauen in das Orchester“.
Kurt Masur und ich haben ein gemeinsames Vorbild: Bruno Walter.
Ein Mann dessen menschliche und künstlerisch integere Haltung auch heute noch vorbildhaft wirkt. Er hat auch dieses Vertrauen in seine Orchester künstlerisch gelebt.


Das Werk Kurt Masurs setzt die Maßstäbe für eine begonnene Tradition des SAECULUM, des von Glashütte Original gestifteten Preises, der nun alljährlich während der Dresdner Musikfestspiele vergeben wird.

Gern gebe ich das Wort an den Laudator weiter, der ebenso wie Kurt Masur mit den Ereignissen des Jahres 1989 aufs engste verbunden ist: Joachim Gauck
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