Aktuelles

03. März 2004

Am 3.3.2004 fand eine Demonstration der Initiative "Dresden wählt Kultur" statt

Prof.Hartmut Haenchen sprach auf dem Theaterplatz Die Demonstration begann mit zahlreichen kulturellen Veranstaltungen am Rundkino,Prager Straße und führte zur Kundgebung um 17.00 Uhr auf dem Theaterplatz

Prof.Hartmut Haenchen:

Dresden wählt Kultur


Liebe Dresdnerinnen und Dresdner, liebe Gäste unserer Stadt, die Sie dem Ruf Dresdens als eine der europäischen Kulturmetropolen gefolgt sind. Wir stehen hier auf einem für Kunst und Kultur exemplarischen Platz.

Gerade hat Sachsens Ministerpräsident voller Stolz die barocken Kunstschätze Dresdens in den USA gezeigt. Kunstschätze, die es nicht gäbe, wenn nicht Regierende vergangener Zeiten die Wirkung von Kunst und Kultur nicht nur für ihre Zeit sondern auch für die Zukunft ihres Landes richtig eingeschätzt hätten. Heute wird zum Kulturabbau aufgefordert. Kultur ist angeblich kein „harter Wirtschaftsfaktor“. Was aber werden die nachfolgenden Generationen aus unserer Zeit vorzeigen können?

Alle großen Reiche in der Geschichte der Welt sind zu Grunde gegangen, wenn sie ihre Kultur nicht mehr hochgehalten haben.
Dresdens Regierenden bereiten diesen Prozeß mit ihren Plänen jetzt vor.

Ich mußte zur Kenntnis nehmen, daß die einzige inhaltliche bisher genannte Begründung für die Schließung der Musikfestspiele die Behauptung ist, daß wir keine „Fenster zur Welt mehr brauchen“ da jeder ja nach dem „Westen“ fahren kann. Und dies Heute, fast 15 Jahre nach dem Mauerfall! (Wenn das Argument stimmen würde, wären die Musikfestspiele schon seit 15 Jahren überflüssig.)
Wie unsinnig eine solche Begründung ist, zeigt allein ein Rückblick auf den Festivaljahrgang 2003: 150.000 Besucher in zweieinhalb Wochen! Das war nicht nur Festspielrekord, sondern bedeutet zudem, dass die Dresdner Musikfestspiele in der vordersten Linie europäischer Festivals mitspielen! Sie sind das größte klassische Musikfestival in Deutschland geworden. Und wenn ich vorhin die Gäste der Stadt in besonderer Weise begrüsst habe, dann möchte ich in diesem Zusammenhang jetzt darauf verweisen, dass allein 44 Prozent unseres Publikums von auswärts nach Dresden gekommen sind.
Und darauf soll verzichtet werden?!

Die Hiobsbotschaft des Schließungsvorschlages – man kann sie auch als Bankrotterklärung bezeichnen – hat uns in einem Moment erreicht, als der Vorverkauf für die diesjährigen Musikfestspiele längst hervorragend angelaufen war und ein neues Rekordergebnis versprach. Obwohl die nächsten drei Jahrgänge inhaltlich und finanziell abgesichert sind, hat es erste Irritationen bei unserem Publikum gegeben und wir spüren deutlich, daß eine Zahl von Gästen sich reservierter verhält.
Ich frage mich, ob den verantwortlichen Politikern dieser Stadt bewusst ist, was sie mit solchen Ankündigungen auslösen. Ich habe mich in den vergangenen Tagen und Wochen überhaupt sehr oft gefragt, was es mit diesen Plänen auf sich hat.
Da ist zum einen die Form der Kommunikation zwischen Politik und Kultur. Sie findet – wie so oft – überhaupt nicht statt. Die Mitarbeiter wie das Publikum der Dresdner Musikfestspiele haben aus den Medien von diesen Schliessungsplänen erfahren! Einen derart kulturlosen Umgang miteinander habe ich noch in keiner anderen Stadt dieser Welt erlebt.
Der Gesprächswunsch der Intendanten wurde bisher abgelehnt.
Kürzlich wurden die Künstler – natürlich auch über die Zeitung -vorwurfsvoll aufgefordert, für die richtige Verteilung der Gelder zwischen den Gemeinden und dem Bund politisch Sorge zu tragen. Eine verkehrte Welt: Offensichtlich kennen hier einige Politiker ihre eigenen Aufgaben nicht.
Ich möchte Ihnen Gedanken unseres Kulturbürgermeisters, die er in der Leipziger Volkszeitung geäußert hat, nicht vorenthalten:
Zunächst bezeichnet er die vollständige Schließung des Dresdner Kulturamtes als „Handwerkspfusch“ – als einfachen Rechenfehler. Da klassische Musik bekanntlich das logische Denkvermögen erhöht, wären hier natürlich Konzertbesuche zu empfehlen. Vielleicht sind ja die Einsparungen bei den Dresdner Kultureinrichtungen auch nur „Handwerkspfusch“ und es besteht eigentlich keine Gefahr....
Weiterhin beneidet er seinen Kollegen Kulturbürgermeister in Leipzig (Zitat)„von früh bis spät. Nicht weil die Haushaltssituation um einen Deut besser wäre. Aber es funktioniert anders.“ Und im gleichen Interview: „Es ist die Verantwortung der Politik, die Schwerpunkte zu setzen.“ Und dabei nimmt er sich nicht aus. Aber die Sparvorschläge haben doch alle Bürgermeister der Stadt zusammen gemacht......also setzen sie auch Schwerpunkte....

Es sei hier auch gesagt: alle Kultureinrichtungen der Stadt haben in den letzten 10 Jahren Unglaubliches geleistet, denn es wird ja seit 10 Jahren schon immer weiter abgebaut. Die Musikfestspiele verfügen jetzt effektiv über 40% weniger Geld als vor 10 Jahren. Und diesen Betrag will die Stadt nun auch noch einsparen – und spart bei einer Kultureinrichtung an der sie in Wirklichkeit verdient.
Wir haben also die Rechnung aufgemacht und dem Oberbürgermeister präsentiert:

• Die Dresdner Musikfestspiele erwirtschafteten 2003 mit 39 Prozent ihres Etats so viel wie wohl kein anderes Kulturinstitut der Bundesrepublik.
• Die Dresdner Musikfestspiele bringen, vorsichtig gerechnet, über eine halbe Million Euro mehr in die Stadt, als das Festival von der Stadt als Subventionen erhält.
• Hinzu kommen die Einkünfte für die Hotellerie, die Gastronomie, den Nahverkehr und zahlreiche weitere Gewerbe und Gewerke unserer Stadt.
• Ohne Musikfestspiele verliert die Stadt erhebliche Steuereinnahmen. Und gerade dies beklagt die Stadt als eine der Ursachen des städtischen Defizits.
• Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Nur eine Stadt, die vor Reichtum nicht weiss, was sie tun soll, kann es sich leisten, auf ein Festival wie die Dresdner Musikfestspiele zu verzichten!
• Die Dresdner Musikfestspiele, das soll nicht vergessen sein, machen aber auch einen Teil der Ausstrahlung von Dresden aus, sind wesentlicher Teil des in aller Welt für die Kulturmetropole Dresden stehenden Renommees.
• Meine Damen und Herren, dafür, dass dies auch in Zukunft so ist, sind wir hier. Dafür werde ich alles in meinen Kräften stehende tun. Und dafür wird mit Sicherheit auch der vor uns liegende Jahrgang der Dresdner Musikfestspiele ein klingendes Zeugnis ablegen. Vom 20. Mai bis zum 6. Juni 2004 können Sie unter dem Thema »Sagenhaftes« eine Vielzahl künstlerischer Höhepunkte erleben, unsere diesjährige Gaststadt Paris wird wieder eine ganze Menge Welt nach Dresden bringen. Noch sind wir also nicht soweit, für ein Festival zwangsweise in die Welt reisen müssen. Wir wissen ja schliesslich auch, dass gar nicht alle Einwohner unserer Stadt dazu in der Lage wären. Auch unter sozialem Aspekt wäre eine Schliessung katastrophal.

Die besten Argumente für die Erhaltung der Musikfestspiele aber, die können nur Sie liefern, indem Sie den Stadtoberen zeigen, dass Ihnen die Kultur unserer Stadt am Herzen liegt, dass Ihnen die Dresdner Musikfestspiele unverzichtbar sind, denn schließlich werden die Musikfestspiele durch alle anderen von Kürzungen bedrohten Kultureinrichtungen mitgestaltet, die somit doppelt betroffen wären. Wir gestalten gemeinsam etwas, das sich eben unverwechselbar auf die Stadt Dresden bezieht und somit auch nicht an einem anderen Ort Deutschlands so erlebbar wäre.
Sehen Sie Ihren Besuch bei den diesjährigen Dresdner Musikfestspielen daher auch als Demonstration für den Erhalt aller Kultureinrichtungen damit die Kulturstadt Dresden eine Zukunft hat!
Ich danke Ihnen.
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