Aktuelles

26. Mai 2013

Frankfurter Allgemeine Zeitung ehrt Hartmut Haenchen: "Einer der wenigen maßgeblichen Dirigenten der Jetztzeit", DER TAGESSPIEGEL berichtet

Eleonore Büning ehrt den deutschen Dirigenten mit dem Artikel: "Von der Pike auf", FOCUS und zahlreiche andere Zeitungen widmen ihm einen Artikel, die SÄCHSISCHE ZEITUNG ein großes Interview. DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN mit einem Bericht von Gerald Felber

www.musikinsachsen.de, 26. Mai 2013

»Heimat ist immer da, wo man gebraucht wird«
Der Dirigent Hartmut Haenchen gastiert anlässlich seines 70. Geburtstages ein weiteres Mal bei den Dresdner Musikfestspielen – dem Festival, das er ehemals selbst als Intendant geleitet hat. Künstlerisch macht er sich in Dresden ansonsten rar – mit vielen kulturpolitischen Entscheidungen der Stadt kann er sich immer noch nicht anfreunden.
Er ist prominenter Sachse, umtriebiger Dirigent, dazu ein permanenter Forscher und Mahner in Sachen Kultur. Wo andere sich bei der Erreichen der Altersmarke von 70 zur Ruhe setzen, ist Haenchen mitten in seinem Element. Auf die Frage, was er an seinem Ehrentag mache, antwortet er »Arbeiten, was sonst?«. Haenchen ist als akribischer Musiker bekannt und gibt sich selten mit den Terminzwängen der Theater und Orchester zufrieden. Stattdessen setzt er auf sorgfältiges Quellenstudium und fordert den Nachvollzug auch von seinen Musikern.
In Dresden ist Haenchen im Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger aufgewachsen und wurde an der Musikhochschule Dresden als Dirigent ausgebildet. Schon bald erhielt er Engagements in Halle, Zwickau, Berlin und Schwerin und startete eine Karriere, die ihn heute um den ganzen Erdball führt. 1980 übernahm er die Leitung des Kammerorchesters Carl Philipp Emanuel Bach, mit dem er bevorzugt barocke und frühklassische Werke aufführt, Haenchen hat sich aber auch immer für die Musik der Gegenwart eingesetzt und zahlreiche Uraufführungen erarbeitet. Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag ab 1986 in den Niederlanden, wo er die Niederländische Philharmonie dirigierte und bis heute Produktionen an der Oper in Amsterdam, deren Chef er 13 Jahre war, leitet.
Die Verbindung nach Dresden hat Haenchen indes nie aufgegeben - »Ich bin auch im Exil immer ein Dresdner geblieben und versuche zu helfen, wo ich kann.« Bereits nach seinem Studium musizierte er mit der Dresdner Philharmonie und an der Staatsoper, 1985 wurde er zum Professor an der Musikhochschule berufen. 2002 bis 2008 war Haenchen Intendant der Dresdner Musikfestspiele, 2009 übernahm er den Vorsitz der Konzerthaus-Stiftung in Dresden und ist bis heute ein wachsamer Beobachter der Dresdner Zeitläufte. »Heimat ist immer da, wo man gebraucht wird«, äußert Haenchen im Gespräch und sieht sich als musikalischer Botschafter der Stadt.
Neueinspielungen mit Dresden-Reminiszenzen
Gerade diesen Aspekt zeigen auch die beiden CD-Neuveröffentlichungen des Dirigenten. Zum einen Gustav Mahlers 8. Sinfonie, zwar eine Amsterdamer Aufführung aus dem Jahr 2002, aber unter Mitwirkung des Dresdner Philharmonischen Kinderchores und der Kapellknaben – kurz zuvor hatte Haenchen mit diesem Werk seine erste Spielzeit als Festspielintendant begonnen. Auf der Doppel-CD ist mit der 1. Sinfonie eine weitere Mahler-Sinfonie vertreten – Haenchens hat dem Komponisten Schriften, Bücher und mehreren Konzertzyklen gewidmet. Die andere CD zeigt typische Dresdner Hofmusik des 18. Jahrhunderts: Johann David Heinichens Freiluft-Serenata »La Gara degli Dei«, komponiert zur Hochzeit Friedrich August II. mit Maria Josepha ist auf CD eine Erstveröffentlichung und stellt Haenchen als Sachwalter der Musik seiner Heimatstadt vor. Zur Sächsischen Landesbibliothek, wo viele dieser Notenblätter verwahrt sind, pflegt Haenchen regen Kontakt. Eine Würdigung der SLUB mit einer Ausstellung zu seinem 70. Geburtstag beantwortete Haenchen prompt mit der Überlassung seines Vorlasses - Bücher, Handschriften, die kompletten CD-Veröffentlichungen (es sind über 120 Produktionen) und einige Hundert Partituren.
Nun gibt es erneut ein Heimspiel – fünf Jahre nach Beendigung seiner Intendanz kehrt er am 30. Mai nach Dresden zurück und gastiert auf Einladung von Jan Vogler mit den Stockholmer Philharmonikern. Das Stockholmer Orchester, so Haenchen, weise ebenfalls eine Verbindung zu Dresden über seine früheren Dirigenten Fritz Busch und Herbert Blomstedt auf. Nach seinen Gefühlen angesichts dieses Konzertes befragt, erwacht der kritische Geist Haenchen sofort: trotz des »herrlichen Raumes« stellt er im Gespräch sofort klar, dass die Frauenkirche kein adäquater Konzertsaal sei und bereits Richard Wagner diesen für Dresden gefordert habe. Mit dem Pfund der Musikstadt werde in Dresden nicht gewuchert, so Haenchen, und er wünscht sich von der Stadt ebenso wie den Dialog auch den Mut zu Visionen. Haenchen dirigiert im Konzert in der Frauenkirche die 95. Sinfonie von Joseph Haydn, würdigt den Jubilar Benjamin Britten mit der Aufführung von »Lachrymae« für Bratsche und Streichorchester (Solistin: Tabea Zimmermann) und rundet das Programm mit der 8. Sinfonie von Franz Schubert, der so genannten 'Großen', ab.
Alexander Keuk


Der Tagesspiegel, 2. April

Eine kleine Abschiedssinfonie

Hartmut Haenchen und sein Kammerorchester C. P. E. Bach sind seit 30 Jahren eine Berliner Institution. Nun haben sie dennoch beschlossen, 2014 aufzuhören. Der Dirigent verrät, warum sie nicht weitermachen.
Hartmut Haenchen ist ein vielbeschäftigter Mann. An der Mailänder Scala hat er gerade Wagners „Fliegenden Holländer“ dirigiert. Und in Amsterdam, wo er 13 Jahre Generalmusikdirektor der Nederlandse Opera war, steht wieder der legendäre „Ring“ von 1999 in der Regie von Pierre Audi auf dem Programm. Mitten in die „Walküre“-Proben fiel am 21. März der 70. Geburtstag des gebürtigen Dresdners.

Trotz seiner zahlreichen Gastdirigate von London bis Tokio nimmt sich Haenchen aber auch mehrmals im Jahr Zeit, mit seinem Berliner Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach zu arbeiten. Seit 1982 leitet er das Ensemble, mit dem er vor allem Werke des Bach-Sohns und Kammercembalisten Friedrichs II. sowie weiterer Barockkomponisten aufführt, die Haenchen teils selbst in Archiven ausgegraben hat. Im April erscheint beim Label Berlin Classics die Ersteinspielung der Serenata „La Gara degli Dei“ von Johann David Heinichen, der einst Kapellmeister am Hofe Augusts des Starken in Dresden tätig war. Doch mit dieser Pionierarbeit soll demnächst Schluss sein: Das 1969 gegründete Orchester hat angekündigt, dass es sich 2014 auflösen wird.
Auf die Frage nach dem Warum antwortet Hartmut Haenchen: „Wir erhalten keine finanzielle Unterstützung, weder von Berlin noch vom Bund oder von großen Sponsoren. Selbst mithilfe unseres Freundeskreises können wir die Kosten einfach nicht mehr decken. Nicht nur ich, sondern auch alle Musiker und Gastsolisten verzichten auf ihre Gagen, sonst wären die Auftritte längst nicht mehr möglich.“ Dietrich Fischer-Dieskau, Anne-Sophie Mutter, Swjatoslaw Richter, Christine Schäfer, Peter Schreier sind nur einige Künstler von Weltrang, die das Orchester über die Jahre begleitet haben. Haenchen sagt ohne Bitterkeit, dass sich das Ensemble auf höchstem musikalischen Niveau von seinem Publikum verabschieden wolle. Leicht aber sei ihm die Entscheidung nicht gefallen.

Der Dirigent ist dem Orchester nicht nur in künstlerischer, sondern auch in menschlicher Hinsicht tief verbunden. Denn die Musiker wählten ihn zu ihrem Chef, als er bei den DDR-Behörden in Ungnade gefallen war und in seinem Land keine Arbeit mehr fand. Haenchen, der seine Laufbahn im Dresdner Kreuzchor begann, geriet schon als Teenager ins Visier der Stasi. Als Dirigent bekleidete er später wichtige Ämter in verschiedenen Städten und arbeitete mit allen Berliner Opern- und Sinfonieorchestern zusammen. Dennoch wurde er weiter schikaniert, so legte ihm etwa die SED in Halle Ende der sechziger Jahre zur Last, bei der Aufführung von Brahms’ Deutschem Requiem „die Riten der Kirche“ in den Konzertsaal übertragen zu haben. Haenchen hatte das Publikum gebeten, nach der Aufführung nicht zu applaudieren. Jahre später wurde ein bereits unterschriebener Vertrag als Chefdirigent der Komischen Oper in Berlin annulliert, es folgten ein Reise- und de facto auch ein Dirigierverbot. In dieser Zwangslage erfuhr Hartmut Haenchen große Unterstützung von seinem C.-P.-E.-Bach-Orchester, das zunächst als Spezialensemble für Neue Musik der Berliner Staatsoper gegründet worden war. Um nicht ständig Stücke von linientreuen, künstlerisch aber wenig überzeugenden Zeitgenossen aufführen zu müssen, verlagerte Haenchen den Schwerpunkt des Orchesters in eine für die DDR relativ ideologiefreie Zeit. „Ich hatte das Glück, dass Hans Pischner, der damalige Intendant der Staatsoper, in seinem Haus eine schützende Hand über mich hielt. Das Dirigierverbot konnte er zwar nicht aufheben, aber ich bekam die Möglichkeit, das Orchester zu leiten.“

1986 konnte Haenchen als „Selbstfreikäufer“ in die Niederlande ausreisen. Die DDR ließ ihm seinen Pass, im Gegenzug musste er 20 Prozent der Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Musikchef der Amsterdamer Oper abführen. „In den Niederlanden wurde ich damals ständig bespitzelt“, erzählt er. „Der letzte Eintrag in meine Stasi-Akte datiert vom 10. Oktober 1989.“ Mit dem C.-P.-E.-Bach-Orchester trat Haenchen auch während seines Exils auf. Inzwischen sind viele jüngere Musiker nachgerückt, nicht nur aus der Staatskapelle, sondern auch aus anderen Berliner Orchestern. Ihr nächster Auftritt, am 10. Mai im Konzerthaus, ist Mozart gewidmet, als Solist wird der Pianist Peter Rösel dabei sein. Endgültig verabschieden wird sich das Orchester dann im Frühjahr 2014, mit einem Oratorium zum 300. Geburtstag des Namenspatrons und mit den letzten drei Mozart-Sinfonien.
Corina Kolbe

Der rbb widmete Hartmut Haenchen und dem Kammerorchester C.Ph.E. Bach eine dreistündige Sendung:

So 21.04.2013 11:04 - 14:00 Uhr
SONNTAGSKONZERT
Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach"

Johann Pachelbel: Kanon und Gigue D-Dur
Leitung: Hartmut Haenchen

Carl Philipp Emanuel Bach: Sinfonie B-Dur Wq 182 Nr. 2
Leitung: Hartmut Haenchen

Carl Philipp Emanuel Bach: Konzert für Flöte, Streicher und Basso continuo G-Dur Wq 169, Patrick Gallois
Leitung: Peter Schreier

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 103 Es-Dur Hob. I:103
Leitung: Hartmut Haenchen

Michael Haydn: Violinkonzert B-Dur, Baiba Skride
Leitung: Hartmut Haenchen

Ludwig van Beethoven: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello Nr. 11 f-Moll, op. 95, bearbeitet für Streichorchester
Leitung: Hartmut Haenchen

Franz Schubert: Sinfonie Nr. 5 B-Dur D 485
Leitung: Hartmut Haenchen

Christoph Förster: Konzert für Horn, Streichorchester und Basso continuo Es-Dur, Peter Damm
Leitung: Hartmut Haenchen

Benjamin Britten: Simple Symphony
Leitung: Hartmut Haenchen

Der SWR widmete Hartmut Haenchen eine zweistündige Sendung. Nachhören hier bis zum 29. März

mdr Klassik widmete am 27. März Hartmut Haenchen eine 2-Stunden-Sendung:
70. Geburtstag von Hartmut Haenchen

Bach, Carl Philipp Emanuel (1714-1788)
Sinfonie B-Dur, Wq 182 Nr. 2, H 658 aus: 6 Sinfonien, Wq 182 [Nr. 1-6], H 657-662 (für Streicher und Basso continuo)
Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Hasse, Johann Adolf (1699-1783)
Requiem C-dur für Soli, Chor u. Orchester 61'38"
Solist (Vokal-/Instrum.): Menzer-Wiswede, Thea (Sopran)
Panzer-Götze, Annelies (Alt)
Biskup, Renate (Alt)
Böttger, Lotte (Orgel)
Hillmann, Heinz (Tenor)
Partzsch, Jochen (Bass)
Mühlbach, Bernhard (Oboe)
Kantorei Cossebaude
Orchester: Orchester der Hochschule für Musik Dresden
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Gastoldi, Giovanni Giacomo (1553-1609)
Fahren wir froh im Nachen 1'24"
Solistenvereinigung des Berliner Rundfunks
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Dessau, Paul (1894-1979)
Wo bist du jetzt (Liebeslied) 1'10"
Solist: Remling, Hannelore (Sopran)
Chor: Frauenkammerchor der Robert-Franz-Singakademie Halle
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Dessau, Paul (1894-1979)
Lied von der Bleibe (für 3stimmigen Frauenchor a cappella) 2'10"
Aus: Mutter Courage und ihre Kinder (Bühnenmusik)
Chor: Frauenkammerchor der Robert-Franz-Singakademie Halle
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Dessau, Paul (1894-1979)
Es war einmal ein Kind (1) 1'10"
Aus: 5 Kinderlieder
Frauen-Kammerchor der Robert-Franz-Singakademie Halle
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Bartók, Béla (1881-1945)
Vier Slowakische Volkslieder 6'20"
Kammerchor der Robert-Franz-Singakademie Halle mit Klavierbegleitung
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Neruda, Jan Krtitel Jirí (1711-1776)
Konzert Es-dur (für Trompete und Orchester) 15'11"
Solist: Güttler, Ludwig (Trompete)
Dresdner Philharmonie
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Krätzschmar, Wilfried (1944-)
Capriccio 11'18"
Dresdner Philharmonie
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Dvorák, Antonín (1841-1904)
Ouvertüre 8'33"
Aus: Cert a Káca (Der Teufel und Káca oder Die Teufelskäthe oder Katinka und der Teufel), op. 112, B 201 (Oper in 3 Akten)
Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Bach, Johann Sebastian (1685-1750)
Konzert a-Moll, BWV 1041 (für Violine, Streicher und Basso continuo) 15'43"
Solist: Schunk, Heinz (Violine)
Orchester: Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Beethoven, Ludwig van (1770-1827)
Missa solemnis D-Dur, op. 123 (für Sopran, Alt, Tenor, Bass, gemischten Chor und Orchester) 74'59"
Solist: Coku, Alexandra (Sopran)
Remmert, Birgit (Alt)
Elsner, Christian (Tenor)
Selig, Franz-Josef (Bass)
Hartmann, Andreas (Violine solo in Benedictus)
Chor/Vokalensemble: MDR-Chor
Chor-Einstudierung: Arman, Howard
MDR-Sinfonieorchester
Dirigent: Haenchen, Hartmut

Sächsische Zeitung, 21. März 2003

Wer heute an der Tür zum Dresdner Haus von Hartmut Haenchen klingelt, klingelt umsonst. Der Dirigent wird zwar heute 70 Jahre – ist aber wie immer unterwegs. Nur knapp 20 Tage wird der ehemalige Kruzianer in diesem Jahr daheim sein. Von London bis Tokio ist er gebucht, als Spezialist für Mozart, Wagner, Mahler und Strauss, als Kämpfer für die Moderne. Er ist nicht überall beliebt, denn er probt vermeintlich vertraute Stücke immer wieder und wieder. Das frisst Zeit, die viele Opernhäuser angeblich nicht mehr haben. Jene Theater freilich, die sich auf Haenchen einlassen, gewinnen. Seine Aufführungen gelten als exemplarisch gut. Bereits bis 2017 ist sein Terminkalender schon voll. Selbst das Interview zum Jubiläum fand Monate vorher statt, per E-Mail wurde es aktualisiert. „Wir überleben trotz Arbeit“, ist eine Devise des Jubilars und seiner Frau.

Herr Haenchen, Sie werden 70. Was machen Sie an so einem schönen Tag?

Arbeiten, was sonst. Die Familie hat ohnehin keine Zeit mitten in der Woche für eine Feier. Ich probe in Amsterdam Wagner. Wenn Sie so wollen, feiere ich „Walküre“.

Erneut einen kräftezehrenden „Ring“? Wie oft waren Sie schon „Ringer“?

Bislang habe ich 24 Mal die (mit den richtigen Wagner-Tempi) 13,45-stündige Tetralogie dirigiert. Jetzt kommt die Wiederaufnahme unserer 15 Jahre alten, aber unverändert tollen und zeitlos modernen Erfolgsproduktion – dann werden es 34 „Ringe“ sein. Die Amsterdamer rennen uns die Bude ein. Bereits jetzt sind alle Karten bis Februar 2014 weg. Sie haben Recht, was den Kraftakt betrifft. Kollege Bernard Haitink meinte einmal: Den „Ring“ sollte man vor dem 60. Geburtstag nicht machen, weil man ihn geistig nicht bewältigt, und nach dem 60. nicht machen, weil man ihn körperlich nicht mehr schafft. Ganz klar: Dieses wunderbare, komplexe Werk erfordert eine physische Höchstleistung. Das liegt nicht an den Vorstellungen, sondern an den Proben davor. Ich probe jeden Tag zehn bis zwölf Stunden und gehe quasi fix und fertig in die Generalprobe!

Hilft Krafttraining beim „Ringen“?

Ohne Fitness-Training geht das nicht mehr. Ich fahre Fahrrad und habe eine Rudermaschine. Letztere tut dem Kreuz gut, denn jeder Dirigent hat Rückenprobleme. Außerdem mache ich jeden Tag Yoga.

Warum überlassen Sie nicht Ihren Assistenten die lästigen Proben?

Ich habe zwar zwei sehr gute Assistenten, mit denen ich international unterwegs bin, die übernehmen auch Proben. Aber niemand anderes kann so exakt mit dem Orchester und den Sängern arbeiten wie ich selbst. Das ist das Schöne an der Musik, es gibt Gott sei Dank so viel, was man nicht beschreiben kann, sondern mit seinem Körper übertragen muss. Meine Assistenten haben zu organisieren, sitzen im Saal, um zu hören, wie sich die Klänge mischen, ob die Balance stimmt, denn auf meinem Platz am Pult höre ich doch von allen im Saal am schlechtesten.

Sie hören gern schlecht von London bis Tokyo, nur nicht in Dresden – warum?

Ja, meine Fixpunkte sind derzeit London, Paris, Madrid, Brüssel und Amsterdam, dann kommt Tokyo dazu. Gerade bin ich wieder an die Mailänder Scala eingeladen worden. Dort bin ich gern, weil man mir optimale Arbeitsbedingungen garantiert. In Dresden hatte ich mich bewusst rargemacht, nach meiner Intendanz der Dresdner Musikfestspiele erstmal fünf Jahren in der Heimat pausiert: Auch, weil mein Kalender voll war. Jetzt passt es wieder. Ich werde bei den Musikfestspielen auftreten und habe danach zwei Tage frei. Waren Sie es nicht, der damals geschrieben hat, ich würde zu viel in Dresden machen?

Vielleicht hatte ich mich getäuscht? Sie gelten als jemand, der sonst umworbenen Theatern einen Korb gibt – wie das?

Der Wiener Staatsoper habe ich bislang 26 Mal abgesagt, weil die stets meinten, sie können alle Stücke. Wenn ich aber jedem Musiker das von mir eingerichtete, quellenkritische Notenmaterial auf das Pult lege, erwarte ich, dass wir Arbeiten. Und zwar, nach eben den neuen Erkenntnissen. Manche Musiker wollen so spielen wie immer. Dem Dirigent gestehen sie nur zu, dass er etwas lauter oder leiser, etwas schneller oder langsamer musiziert. Dabei birgt doch die Musik mehr als nur Tempo und Dynamik. Also gehe ich zu den Häusern, wo ich genügend Proben mit Orchester, Chor und Solisten bekommen.

Das 2013 bringt Haenchens 70. und Wagners 200. – passt gut, oder?

Nun wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen, aber ich gebe zu, dass ich nichts dagegen habe, mit Wagner zu feiern. Er ist eine so faszinierende, wortgewaltige Persönlichkeit, ein so fleißiger und produktiver Künstler und ein sehr, sehr streitbarer Mensch. Und obwohl über keinen anderen Komponisten so viel geforscht und publiziert worden ist: Von ihm werden wir sicher auch in 100 Jahren noch längst nicht alles wissen oder müssen vieles noch mal neu überdenken.

Sie haben Wagners Musik verschlankt und entschlackt, penibel nach den Originalpartituren und vor allem den späteren Aufzeichnungen und Korrekturen revidiert. Wie kamen Sie darauf?

Wie immer beim Studium der Quellen. Wagners musikalische Ideen wurden in der aufführungspraktischen Routine nach seinem Tod verzerrt und vernebelt. Man muss nur seine Partituren und Anweisungen lesen. Und wenn man die allerersten Aufnahmen Anfang des 20. Jahrhunderts hört, sind die alle sehr klassizistisch, sehr leicht. Gerade in den frühen Werken von „Holländer“ bis „Lohengrin“ muss der Stil-Mix zwischen leichter italienischer Oper und Anklängen der deutschen romantischen Oper zu hören sein.

Werden wir Wagner am Jahresende satt haben? Kann man ihn sich überhören?

Da mache ich mir keine Sorgen. In Meisterwerken entdeckt man jedes Mal Neues. Da kommt keine Routine auf. Ich stehe unverändert staunend vor den Kompositionen.

Wie kann das sein?

Sie sehen plötzlich Farben, die Ihnen vorher nicht aufgefallen sind. Gut sind Pausen, weil man dann mit neuem Blickwinkel auf die Partitur schaut. Entscheidend ist für mich, die Rückbesinnung auf das Original, besonders die Aufzeichnungen seiner Assistenten. Dann merkt man, wie durchhörbar zumindest der späte Wagner ist. Sie haben zur gleichen Zeit Forte in einer Stimme und PianoV in einer anderen Stimme. Die Konsequenz ist, dass man diese Pianostimme eigentlich fast nicht hören kann, daV sie nur eine Farbe ist. Weswegen entsteht denn immer dieser Riesenbrei? Weil alle immer die gleiche Dynamik spielen. Nein, bei Wagner ist nichts gleichförmig. Er lässt Dinge vergehen, aus denen dann Neues erwächst. Diese Übergänge sind ebenso grandios, wie er Motive raffiniert abwandelt, verschieb oder überlappt, dass sie ähnlich klingen, aber stets anders sind.

Wagner war ein Genie, der über Jahrzehnte nach genauem Plan an den Werken gearbeitet hat – falsch oder wahr?

Beides: Er hatte sehr weitreichende Visionen, hatte andererseits schon frühzeitig manchen Hit. Der „Walkürenritt“ war komponiert, da war an „Walküre“ noch gar nicht zu denken. Eigentlich war er ein Spätentwickler, deshalb ist es der Mühe wert, die frühen Stücke zu machen, weil man einen Komponisten nur aus seiner Entwicklung heraus verstehen kann und mancher Plan veränderte sich auch mit der Zeit, was beim Ring besonders deutlich zu sehen ist.

Was wäre Ihr Leben ohne Wagner?

Es wäre künstlerisch ganz anders gelaufen. Ich fing ja an in einer Zeit, als Wagner zu großen Teilen in der DDR nicht gestattet war. Ich war nach Herbert Kegel der zweite Dirigent, der das politische Wagnis auf sich nahm, „Parsifal“ aufzuführen. Der war ja untersagt. Und dann hatte ich noch das Pech oder Glück, in der Berliner Lindenoper „Parsifal“ zu dirigieren. Die Vorstellung war offiziell ausverkauft. Drinnen saßen nur 300 Stasi-Leute, draußen standen die Leute nach Karten an. Ich habe den Vorgang gar nicht so wahrgenommen, weil ich viel zu sehr mit dem Stück beschäftigt war.

In der DDR wurden Sie zum Staatsfeind, weil Sie sich mit den Instanzen anlegten, sich weigerten, Musik zu verbiegen. Und durften dann doch offiziell im Westen arbeiten: Segen oder Fluch?

Beides: Man wollte mich, ,ein politisches Problem und einen schlechten Dirigenten weniger’, wie es offiziell hieß, aus dem Land raushaben. Man bot mir an, mich selbst freizukaufen – mit zwanzig Prozent meiner Westhonorare. In Amsterdam als Chefdirigent von Orchester und Oper hatte ich aber den Spitzensteuersatz von 72 Prozent zu zahlen, zehn Prozent ging an meine Agentur. Bitte rechnen Sie selbst! Es blieb nichts zum Leben. Eine Zeitlang teilte meine Frau ein, wer wann duschen durfte und die Brotscheiben gab es abgezählt. Künstlerisch freilich waren die Jahre in Amsterdam sehr glückliche. Ich konnte die Philharmonie zu einem Spitzenorchester formen, wir bauten eine neue Oper, konnten tolle Opernprojekte - es sind jetzt 70 - herausbringen und haben uns unter anderem ganz exquisit mit Gustav Mahler und seinem Werk beschäftigt. Soeben ist das denkwürdige Benefizkonzert mit Malers "Sinfonie der Tausend" für die Flutopfer in der Dresdner Kreuzkirche bei ica in London erschienen und wie beim Benefizkonzert spenden alle 600 Mitwirkende, darunter auch die Kapellknaben und der Kinderchor der Dresdner Philharmonie ihr Honorar der Stiftung Dresdner Kreuzkirche e.V.

Man feiert Sie in Holland, Frankreich, Spanien ... Schmerzt es, in Deutschland nicht so anerkannt zu sein?

Nein, es verwundert mich nur, weil man hier aus dem Schubladen denken nicht herauskommt. Zu Hause - in dem Fall musikalisch - ist man dort, wo man gebraucht wird und da kann ich nicht klagen. Das beste Beispiel, warum ich in Deutschland nicht dirigiere, ist die - unveränderte - Situation mit dem Repertoire-Spielplan wie in Dresden. Da hatte sich mit der berühmten Elektra-Produktion, die ich mit Ruth Berghaus zur Premiere brachte, die Situation ergeben, dass es nach 9 Monaten keine Orchesterprobe für die Wiederaufnahme gab. Daraufhin war meine Zusammenarbeit mit der Semperoper beendet, weil ich das nicht akzeptiert habe. International hat sich schon längst das Stagionesystem (welches übrigens auch finanziell wesentlich günstiger ist) oder zumindest das Blocksystem durchgesetzt, wo es Wiederaufnahmen wie im Repertoire-Theater nicht gibt. Da gibt es nur Premieren mit einer Reihe von Vorstellungen, wo eine Sängerbesetzung, ein Dirigent und eine nicht wechselnde Orchesterbesetzung von der ersten bis zur letzten Vorstellung beieinander bleiben. Am Ende der Serie ist auch der künstlerische Höhepunkt erreicht, weil bis dahin noch weitergearbeitet wird.

Trotz der Weltkarriere blieb Ihre Heimat Dresden Ihr Zentrum. Warum halten Sie an Dresden fest?

Wahrscheinlich weil ich hier schon meine Grabstätte auf dem Loschwitzer Friedhof V habe. Zwei Dinge haben mich dazu bewogen. Ich will meinen Nachkommen den ganzen Ärger im Falle des Falles ersparen. Gleichzeitig will ich beitragen, ein Stückchen Dresdner Kultur zu erhalten. Der Loschwitzer Friedhof steht unter Denkmalschutz, bekommt aber keinen einzigen Cent. Es ist nicht mal Geld da, um die bei der Flut 2002 beschädigten historischen Grabstätten in Ordnung zu bringen. Sie finden das makaber, über so eine Sache zum 70. Geburtstag zu reden? Dafür gibt es keinen Grund: Der Tod gehört nun mal zum Leben.

Wobei ja die Regel gilt: Dirigenten sterben jung oder werden steinalt!

Das mag sein. Aber es wird alles anstrengender. Das Reisen wird unkomfortabler: ob Auto, Flugzeug oder Bahn. Es wäre falsch zu sagen, dass ich kürzertreten möchte. Aber ich schaue schon, dass ich nach 2016 nicht nur die fünfstündigen Opern und die ganze großen Konzertprogramme mache. Und auch da ist Dresden als Zentrum wichtig. Hier steht meine Bibliothek. Ich kann von irgendwo in der Welt anrufen und meine Tochter bitten, aus dem dritten oder vierten Schrank oben eine bestimmte Partitur herauszunehmen und mir zuzuschicken. Ja, lebe gern in Dresden, in meinem Haus mit seinem schönen Blick über die Stadt. Die Familie wohnt in der Nähe, gute Freunde sind nah.

Letzte Frage: Auf welches nichtmusikalische Projekt freuen Sie sich in neuem Lebensjahrzehnt? Oder, was wünschen Sie sich?
Auf einen Tag in meinem Garten mit Enkeln mit der großen Eisenbahn spielen.

Dresdner Neueste Nachrichten, 21. März 2013

Der in Dresden geborene Dirigent Hartmut Haenchen wird heute 70 Jahre alt
Gerald Felber

Wer im Wagner-Jubiläumsjahr an der Mailänder Scala den "Fliegenden Holländer" dirigieren kann, muss sich nicht über ein unterbelichtetes Künstlerleben beschweren. Bei Hartmut Haenchen fand diese jüngste Premiere Ende Februar, runde drei Wochen vor seinem heutigen 70. Geburtstag, statt. Man kann aus vollem Herzen gratulieren und wird dennoch nur schwer ein seltsames Gefühl los, denn Haenchens große Opernauftritte spielten und spielen zwischen London und Madrid in allen einschlägig verdächtigen westeuropäischen Metropolen - nur nicht in deutschen Landen. Man weiß von seinem mehrfach aufgezeichneten "Ring" in Amsterdam (das für ihn seit Ende der 80er Jahre eine Wahlheimat für Musiktheater und Konzertpodium gleichermaßen geworden war), aber es ist nicht gerade so, dass einem diese Angebote als Erstes entgegenspringen, wenn man die Discographien durchsucht. Dann jedoch darf man staunen über solch straffes, energiegeladenes, ganz "unweihliches" und dabei in seiner Transparenz sehr sängerfreundliche Musizieren.

Wobei, was da abgeht, nicht im Ansatz mit irgendwelchen Klischees vom begnadet-feurigen "Bauchmusiker" zu tun hat. Haenchen ist ein akribischer Grundlagenarbeiter und -tüftler, der keine Stimme ungeprüft übernimmt, wann immer möglich an die Quellen zurückgeht - und dabei dennoch weiß, dass alles, was sich von einer Musik auf Papier niederlegen lässt, auch bei größter Präzision noch keinen aufregenden Klang ergibt, sondern allenfalls dessen Voraussetzungen schafft.

Dass der Künstler weder in der Genauigkeit der Erarbeitung noch in der Forderung nach geistiger und physischer Frische gegenüber seinen künstlerischen Partnern je zum legeren Kompromiss neigte, sondern manch lieb gewordene Aufführungstraditionen im Mahlerschen Sinne als Schlamperei erkannte und bekämpfte; dass er überdies konsequent die für beides notwendige Zeit einforderte - es dürfte oft genug als undiplomatisch empfunden worden sein und ihn einige Gelegenheiten gekostet haben, sich in jenes Rampenlicht zu stellen, das mittlerweile viele medienbefeuerte jüngere Kollegen für unverzichtbar halten. Derart nachdrückliche Meinungsstärke ist nicht jedermanns Sache. Doch mit sieben Lebensjahrzehnten darf er das nun gelassen sehen - inklusive jener kulturpolitischen Weiterungen, die den gebürtigen und im Kreuzchor musikalisch früh sozialisierten Dresdner nach der Jahrtausendwende wieder näher an seine Herkunfts- und aktuelle Wohnregion führten.

Beziehungsweise führen sollten wie im Falle der Leipziger Oper, wo das schon vereinbarte Engagement am formaljuristischen Sperrfeuer der städtischen Kassenwalter scheiterte; oder wie in den Folgejahren bei den Dresdner Musikfestspielen, deren Renaissance er 2003 mit viel Enthusiasmus anging, ehe auch hier der Geldhahn schneller als gedacht wieder vertröpfelte. So kommt es nun zu der buchenswerten Merkwürdigkeit, dass einer der über Jahrzehnte hin potentesten sächsischen Künstler sich im Inland vor allem mit einem Ensemble verbündet hat und bekannt geworden ist, das einen nach Preußen "exilierten" Komponisten im Schild trägt und Sitz sowie Konzertreihen in Berlin hat. Aber bei dieser seit 1982 währenden und also schon über 30-jährigen Zusammenarbeit mit dem Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach", die sogar in den Jahren nach seinem Hinausdrängen aus der DDR 1986 weiterlief, darf man sich jeden falschen Lokalpatriotismus getrost sparen.

Denn was hier passierte, hatte so etwas wie eine strategische Bedeutung weit übers Regionale hinaus: der Beweis, wie frisch und blank, ebenso gefühlsinnig wie dramatisch geschärft die lange unterschätzte Musik der frühen Klassik klingen kann: voran der Namenspatron des Orchesters, aber auch dessen Brüder oder Haydn und eine Menge weiterer Literatur inklusive vieler "Ausgrabungen", die inzwischen auch anderswo zum Standardrepertoire gehören. Parallel zu Dirigentenkollegen wie Trevor Pinnock oder Roy Goodman haben auch Hartmut Haenchen und seine Musiker ihren Beitrag geleistet, die Musik zwischen 1730 und 1800 als eine Art freundliche Revolution wieder in das ihr gebührende Licht zu rücken; anders als die Genannten jedoch mit modernen Instrumenten, was nur beweist, dass es nicht auf die Werkzeuge, sondern den Geist ankommt.

Freilich - da sind wir nun wieder beim Wagner-"Ring": "Alles, was ist, endet"; und so auch diese ziemlich einmalige künstlerische Partnerschaft. Nächstes Jahr wird der Schlussstrich gezogen, was unter anderem wieder - es wäre langweilig, wenn es nicht so traurig wäre - mit den so genannten finanziellen Rahmenbedingungen zu tun hat. Dabei haben die "CPE's" von Beginn an honorarfrei und ohne öffentliche Zuschüsse gespielt; aber draufzuzahlen - das muss dann vielleicht doch nicht sein. Man darf davon ausgehen, dass dieser Entschluss weder dem heutigen Jubilar noch seinen Mitstreitern leicht gefallen ist - doch so weit es Hartmut Haenchen betrifft, ist es auch eine Art Quintessenz eines langen (und hoffentlich noch lange fortwährenden) Künstlerlebens: nicht alles zu machen, aber das gut - und vor allem nicht um jeden Preis.

Die Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden zeigt bis 5. Mai eine Ausstellung über Hartmut Haenchen.

Anlässlich des 70. Geburtstages wird am 26.4. auf Berlin Classics ein Live-Mitschnitt der Serenata "La Gara degli Dei" von J D.Heinichen mit Haenchen und dem Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach veröffentlicht.

FOCUS,, 20. März 2013, dpa/Martin Morgenstern, weiter auch in Westfälische Zeitung, Wikidigger, Münsterländische Volkszeitung, Südkurier, Main-Post, Sol.de, Saarbrücker Zeitung, Mittelhessen.de, Schwäbische Zeitung, Ruhr-Nachrichten, Döbelner Allgemeine Zeitung, Biber-Magazin, News.de, Lausitzer Rundschau, Leipziger Volkszeitung,

Seinen 70. Geburtstag feiert der Dirigent Hartmut Haenchen an diesem Donnerstag (21. März) nicht zu Hause in Dresden.
Er ist – wie nicht wenige Berufsgenossen seines Alters – rastlos unterwegs, momentan in Amsterdam und Mailand. Sein Terminplan für die nächsten Jahre ist gut gefüllt, vor allem mit Engagements im Ausland. „In Deutschland dirigiere ich kaum noch“, sagt der Dirigent.

„Ich passe wohl nicht in die Schubladen, die man hierzulande hat: Thielemann, der Wagner-Dirigent, oder Norrington, der Non-Vibrato-Mann“, meint Haenchen mit Blick auf seine Kollegen Christian Thielemann und Sir Roger Norrington. Ein Künstler, der sich für frühbarocke Werke genauso wie für die „modernste Moderne“ (Haenchen) und allerhand dazwischen interessiert, scheint manchen möglicherweise suspekt.

Hinzu kommt: Hartmut Haenchen macht es niemandem einfach, er ist ein Unangepasster und scheut keine Konfrontation. Nicht mit den Musikern, mit denen er arbeitet und von denen er Disziplin verlangt; nicht mit der Politik. Seine erste Chefdirigentenposition beendete er im Streit mit der Parteileitung, es kam zum Eklat, faktisch zu einem landesweiten Arbeitsverbot.

Nach seiner Ausreise aus der DDR 1986 und seiner Berufung zum Generalmusikdirektor der Niederländischen Oper, wehrte er sich gegen Stellenkürzungen – und kündigte schließlich. Und auch seine Zeit als Intendant der Dresdner Musikfestspiele (2003-2008) endete im Streit: Aus Protest gegen finanzielle Kürzungen schlug Haenchen eine Vertragsverlängerung aus.

Bis heute sieht er „viele falsche politische Entscheidungen“ in seiner Heimatstadt. Aus Protest gegen den Bau der umstrittenen Waldschlößchenbrücke, die das Dresdner Elbtal den Welterbe-Titel kostete, trat Haenchen vor sechs Jahren aus der CDU aus. Auch auf ein in Dresden so dringend benötigtes Konzerthaus wies er immer wieder hin.

So kommt es, dass Hartmut Haenchen, der von 1953 bis 1958 im Kreuzchor sang, sein Dirigenten- und Gesangsstudium an der Elbe absolvierte, jahrelang die Dresdner Philharmonie und die Sächsische Staatskapelle dirigierte und 1985 an der Dresdner Musikhochschule zum Professor berufen wurde, heute kaum noch hier auftritt. Das einheimische Publikum bedauert das.

„Als es den Musikfestspielen während Haenchens Amtszeit finanziell an den Kragen gehen sollte, gingen die Dresdner auf die Straße“, erinnert sich der Generaldirektor der Sächsischen Landesbibliothek, Thomas Bürger. Die Bibliothek, der Haenchen am vergangenen Wochenende seinen gesammelten Vorlass mit 3000 Partituren, umfangreichen Orchestermaterialien und einigen bibliophilen Besonderheiten wie etwa einer kostbaren Handschrift von Richard Strauss vermachte, hat dem Dirigenten eine Ausstellung gewidmet. Ihr Titel: „Grenzüberschreitungen – vom Dresdner Kreuzchor zur Mailänder Scala“.
Wer Haenchen in seiner Heimatstadt live erleben möchte, hat Ende Mai Gelegenheit dazu. Die Dresdner Musikfestspiele haben ihrem ehemaligen Intendanten ein „Heimspiel“ genehmigt: Am 30. Mai dirigiert er in der Frauenkirche. In Benjamin Britten (1913-1976) feiert er dann gemeinsam mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra einen weiteren Jubilar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. MÄrz 2013

Auf der letzten Seite der Ausgabe vom 18.März wird Hartmut Haenchen in einem dreispaltigen Beitrag von Dr. Eleonore Büning porträtiert. Sie schildert den steinigen Lebenslauf, die logische Entwicklung der verschiedenen Stufen und die internationale Anerkennung. Spricht über seine Wagner- und Mahler-Aufführungen und Einspielungen.
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