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07. January 2017 · MMM

Bruckners 8. Sinfonie

Interview von Reinder Pols mit Hartmut Haenchen

- Na

het War & Peace-project bent u gestart met een Bruckner-integrale. Bij u

gaat een dergelijk groots project steeds gepaard met veel musicologische

research en wetenschappelijke omkadering. Heeft dit u nieuwe inzichten

opgeleverd voor een beter begrip van de muziek van Bruckner en voor de

interpretatie?

 

(wat was het traditionele Bruckner-beeld? in welke mate kan u dit

corrigeren door de nieuwe research?)

 

HH: Ich hatte vor dem Zyklus schon fast alle Sinfonien von Anton Bruckner irgendwann

einmal dirigiert. Nun erscheint seit Kurzem eine Neue Ausgabe von Bruckners

Werk und das machte mich neugierig, ob denn so viel Neues über den Komponisten

noch zu erfahren ist. Ich habe zunächst einmal sämtliche Briefe von Bruckner

gelesen, um ein klareres Bild über den Komponisten, seine künstlerischen

Bestrebungen, seine Interpretationswünsche und über die Person zu bekommen. Und

dann geht es natürlich um die Aufführungspraxis und dabei spielt die

Erforschung von Notation zu seiner Zeit und die Aufführungspraxis dieser

Notation eine große Rolle. Bisher wurde Bruckner als der große Klassiker, der

blockhafte Musik schreibt, verstanden. Und diese sei auch in festen Tempi

auszuführen. Wenn ich dann Bruckner lese und dazu die Aufführungspraxis seiner

Zeit betrachte, die es eben vermied, kleine Tempovarianten in die Partitur zu

schreiben, dann ist ein Brucknerscher Ausspruch wie „größtentheils viel zu langsam“ oder dass mit viel mehr „Nuancierung“ gespielt werden müsste, ein eindeutiges Zeichen, dass heutige Wort „Flexibiliät“ vielleicht das richtige Wort für die Temponahme bei Bruckner

wäre.

 

Ähnliches gilt für die Dynamik, wo oft vergessen wird, dass es bei Bruckner die Bezeichnung Tripelforte gibt. Aber oftmals wird eben forte schon als die größte Lautstärke gespielt. Neben diesen

Einsichten, die ich wiederum gewonnen habe, fördert die Neuausgabe auch viele

Details des Notentextes zu Tage. Für die 8. Sinfonie steht diese Neuausgabe

allerdings noch nicht zur Verfügung.

 

- Een steeds terugkerend probleem zijn de verschillende versies van zijn symfonieën.

Hoe gaat u daarmee om? Wat zijn voor u de algemene richtlijnen voor een

“juiste” versie?

 

HH: Zunächst sind alle nicht von Bruckner autorisierten Versionen für mich tabu. Und davon gibt es viele. Bei seinen autorisierten Bearbeitungen ist die Entscheidung nicht einfach, aber

hier bedenke ich vor allem, ob das Nachgeben an den Zeitgeschmack

(Publikumsgeschmack) oder die tatsächlichen künstlerischen Verbesserungen

überwiegen. Aber vieles hat Bruckner eindeutig

„aus eigenem Antrieb“ gemacht, obwohl es auch zu seinen Lebzeiten bereits kluge

Menschen gab, die die 1. Fassung unbedingt beibehalten wollten. Nach allem Für

und Wider zu jeder Fassung sollten wir dem Komponisten selbst vertrauen, der

bei Empfehlungen an Dirigenten durchaus jeweils der entsprechenden Situation

auf frühere Versionen hätte zurückgreifen können. Nach seinen Brief- und Aussage-Zeugnissen ist zumindest für die Sinfonien Nr.1, 3, 4, 6, 7 und 8 belegt, dass Bruckner

jeweils die letzte Fassung für die gültige ansah. Um Bruckners Werkstatt zu

verstehen, haben natürlich auch alle früheren Versionen, die nicht nur

pragmatischen Veränderungen aufweisen, bzw. die ursprünglichen Ideen

darstellen, ein Aufführungsrecht und zeugen oftmals deutlicher von den

revolutionären Ideen Bruckners.

 

- Wij zien de mens Bruckner vaak als een onzelfzeker persoon

met een te grote bescheidenheid. Beantwoordt dit beeld nog wel aan de

realiteit?

 

HH: Das immer noch vorherrschende heilige Bild von Bruckner als Mensch sehe ich

durchaus nicht. Wie bei vielen Künstlern klafft zwischen den menschlichen

Qualitäten und den künstlerischen Qualitäten ein großer Abstand. Wenn man die

Zeugnisse von Zeitgenossen (Freund und Feind) aufmerksam betrachtet, kommt das

Bild eines Mannes zu Tage, der “eine gewisse Berechnung der selbstgefälligen

Plumpheit seiner Hofmanieren zugrunde“ legte, um bei Hofe viel zu erreichen,

was ihm auch weitgehend gelang. Auf der anderen Seite behandelte er selbst

seine Mitstreiter so: „Der Dämon treibt ihn zu den unglaublichsten Bosheiten und Sekaturen, keine Verdächtigung,

kein Schimpf ist ihm zu niedrig in seiner Aufregung.“ Der Dirigent Hans Richter,

der sich wohl am unermüdlichsten für Bruckner eingesetzt hat, nannte ihn als

Mensch „unausstehlich“. Bruckner buckelte nach oben und trat nach unten. Und

wenn ein Freund einmal auch etwas für andere Komponisten tat, wurde er sofort zum

Feind. Auch in seinen Forderungen zu ihm untergebenen, war er eher

unbescheiden. Wagner hat er ganze Texte zum Ruhme seiner Musik unterschoben,

die Wagner nie gesagt hatte. Von Bescheidenheit also keine Spur. Hinzu kam der

damals schon salonfähige Antisemitismus, dem er keinerlei Einhalt gebot. Juden

akzeptierte er nur, so lange sie für ihn nützlich waren. Auch darin seinem

Vorbild Wagner nacheifernd.

 

Vorig seizoen bent u uw Bruckner-project gestart in Brussel met zijn 3de

symfonie. Nu brengt u de 8ste. Wat is dit voor een werk? En wat zijn

de bijzondere uitdagingen voor een dirigent die dit werk brengt?

 

HH: Bruckner versuchte schon mit seiner 3. Sinfonie in monumentale Bereiche

vorzudringen. Das war für seine Zeitgenossen zu viel und er veränderte und

verkürzte Wesentlich, um die Sinfonie überhaupt aufführen zu können. Das haben

wir im damaligen Konzert gehört. Mit der 8. Sinfonie hat er endgültig den Mut

zur Monumentalität und macht damit den Weg frei für die Sinfonien z.B. eines Gustav

Mahler. Für den Dirigenten heißt das: Das Detail nicht vernachlässigen und als

Baustein der großen Form zu sehen.

 

Ook van

de 8ste symfonie bestaan meerdere versies en uitgaven. Welke

verkiest u, en waarom?

 

HH: Als Hermann Levi, dem von

Bruckner in München die Uraufführung der 8. Sinfonie zugedacht war, nach

Empfang der Partitur an den Freund und Schüler von Bruckner Josef Schalck schrieb:“...

ich bin furchtbar enttäuscht. Tagelang habe ich studirt, aber ich kann mir das Werk nicht zu eigen machen. ... ich finde die Instrumentation unmöglich, und was mich besonders erschreckt hat, ... das fast Schablonenmäßige der Form. - Der Anfang des I. Satzes ist grandios aber mit der Durchführung weiß ich gar nichts anzufangen. Und gar der letzte

Satz - das ist mir ein verschlossenes Buch.“ Bruckner war natürlich tief

betrübt über diese Einschätzung und Josef Schalck berichtet: „Er fühlt sich

noch immer unglücklich und ist keinem Trosteswort zugänglich. Es war

vorauszusehen und dennoch ist es die mildeste Form gewesen ihn vor den herberen

Enttäuschungen zu bewahren. Ich hoffe, daß er sich bald beruhigen wird und eine

Umänderung des Werkes, welche er übrigens bereits mit dem ersten Satz begonnen,

nach Ihrem Rath vornimmt.“ Schließlich reagiert Bruckner auf die Kritik bereits

5 Monate später, nachdem er bereits ein zweite Fassung hergestellt hat:

„Freilich habe ich Ursache, mich zu schämen - wenigstens für dießmal - wegen der 8ten. Ich Esel !!! Jetzt  sieht  sie  schon  anders  aus.“ Wir führen deshalb auch die

letzte autorisierte Fassung der 8. Sinfonie auf und nicht die „Esel“-Fassung.

 

Bruckners

8ste symfonie wordt wel eens “Mysterium” of “de Apokalyptische”

genoemd. Ziet u deze karakteristieken in dit werk, of betekent ze voor u iets

anders?

 

HH: Obwohl Bruckner immer wieder zur

sogenannten “neudeutschen Schule” gerechnet wird, die also eher programmatische

Musik schrieb, ist dies bei Bruckner, schon allein wegen seines Desinteresses

für andere Künste, nicht anzunehmen. Seine Versuche, Programme für seine Musik

im Nachhinein zu schreiben, wirken dann auch teilweise eher grotesk, denn dann

wäre die 8. Sinfonie eher die Sinfonie “Deutscher Michel” oder

“Kaiser-Sinfonie” zu nennen als “mysteriös” oder “apolkalyptisch”. Jedenfalls

bezeichnet er selbst den dritten Satz als “Deutscher Michel” der beim zweiten

Thema “schlafen will” und den vierten Satz beschreibt er als den Kaiser-Besuch

in Olmütz um die bulgarischen Caren zu treffen, wo Kosaken-Musik gespielt wird.

Gustav Mahlers Bezeichnung seines Sinfoniesatzes “Todtenfeier” fände ich für

diese Sinfonie schone eher zutreffend und auch da gibt es nicht nur die

Partitur sondern auch weniger merkwürdige Hinweise von Bruckner: “Im 1. Satze ist der Trompeten und Hornsatz aus dem Rhythmus des Thema: die Todesverkündigung, die immer sporadisch stärker endlich sehr stark auftritt, am Schluß: die Ergebung.“ Und „Im Finale ist auch der Todtenmarsch und dann die Verklärung.“

 

“Tune-in”: Hoe kan ons publiek zich volgens u het best voorbereiden op dit concert? (hebt u persoonlijke tips voor wie naar het concert komt? wat moet men doen

om klaar te zijn om de muziek volledig te begrijpen en het concert maximaal te

waarderen?)

 

HH:

Grundsätzlich braucht man keine Vorbildung, um Musik zu verstehen. Ein offenes

Herz- das ist es. Bei Bruckner sage ich immer etwas übertrieben: Er ist der

Vorläufer von MTV. Mehrere kontrastierende Gedanken werden in relativ kurzen

Abständen nacheinander vorgestellt, Filmschnitt (Pause), das nächste

(musikalische) Bild, Filmschnitt (Pause) und meist ein drittes (musikalisches)

Bild. Dann erscheint das erste Bild verändert wieder, weil es in der Zeit der

anderen sich weiter entwickelt hat und so ergeht es auch den anderen Gedanken.

Wenn man sich dieser Filmschnitttechnik hingibt, genießt man Bruckner in vollen

Zügen und kommt den Idealen diese Welt im Herzen etwas näher.


KurzfassungGanz einfach: Bruckner ist der Vorläufer von MTV: Kontrastierende (musikalische) Bilder werden kurz nacheinander vorgestellt, Filmschnitt, das nächste Bild,

Filmschnitt und meist ein drittes Bild. In der Zwischenzeit hat sich der erste

Gedanke weiter entwickelt und so auch die anderen Bilder. Wenn man sich

dieser Filmschnitttechnik hingibt, genießt man Bruckner.