Opera

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. July 2016
..."Zum Glück ist Richard Wagners „Parsifal“ kein Theaterstück, es gibt auch noch Musik. So kläglich die Szene, so grandios und bewundernswert die Leistungen von Sängern, Musikern und Dirigent. Hartmut Haenchen, der die musikalische Leitung erst im Endproben-Prozess von dem bayreuthflüchtigen Andris Nelsons übernommen hatte, bringt zum Verbeugen das ganze Orchester mit auf die Bühne, in Arbeitskleidung. Das ist nicht nur ein Zeichen der Bescheidenheit, es ist auch eine Geste des Dankes. Man hat hart gearbeitet in den letzten Tagen. Haenchen, der sich für seine „Parsifal“-Dirigate in Paris und Brüssel aus den Uraufführungsprotokollen, der kritischen Gesamtausgabe und anderen Quellen sein eigenes „Parsifal“-Notenmaterial erarbeitet hatte, das falsche Noten ausmerzt und eingeschliffene Artikulationsmoden korrigiert, brachte dieses mit. Die Musiker mussten in aller Kürze der Zeit versuchen, den Änderungen (allein fünfundsiebzig Korrekturen in der 1. Violine im ersten Aufzug) gerecht zu werden. Das Ergebnis ist, wenn man einige unvermeidliche Wackler, abzieht, phantastisch gelungen. Die Sänger werden vom Orchester auf Händen getragen: wortklar, dramatisch zugespitzt die Diktion, durchsichtig der Orchestersatz, klangsinnlich weich konturiert, mit fließenden Übergängen, zügigen Tempi, leuchtenden Aufgipfelungen. Und die Sänger? Zwei traumhafte Idealbesetzungen waren zu erleben: Klaus Florian Vogt als Parsifal, der die klare, weiße Farbe der Unschuld genau so überzeugend aufträgt wie das volle Gold des charismatischen Helden. Und Georg Zeppenfeld als lebendiger, authentischer Gurnemanz, mit fesselnder Präsenz, großrahmigem Organ. Ein großes Glück, dass alle anderen, bis in die Nebenrollen, dahinter nur wenig zurückstanden – von Elena Pankratova (Kundry) über Gert Grochowski (Klingsor) bis hin zu den herrlich ineinandergreifenden Blumenmädchensopranen. Es zeigt, dass die Bayreuther Festspiele zumindest musikalisch wieder den Anschluss gefunden haben an den Rest der Wagnerwelt.
Eleonore Büning
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