Kammerorchester

Berliner Zeitung, 13. März 2000
Temperamente im widerspruchsvollen Dialog

Manfred Schubert im Kammermusiksaal der Philharmonie

Im Doppelkonzert dient ein Werk von Carl Philipp Emanuel Bach, das "Programmtrio" als Ausgangspunkt: Dort wird der Dialog zweier Temperamente - des Sanguinikers und des Melancholikers - dargestellt.

Schubert übernimmt von der Vorlage sowohl die Konfliktstellung als auch thematisches Material, verschärft die Konfrontation beträchtlich.

Vor allem der erste Satz wirkt fast schizophren in seinem um Einheit des Tempos unbekümmerten Alternieren der auf die Solisten verteilten Charaktere. Sie nerven sich gegenseitig, bis sich die Gegensätze verwischen. Demgegenüber ist der zweite Satz, basierend auf einer freitonalen Melodie, die das BACH-Thema der "Kunst der Fuge" aufgreift, ganz in einer melancholischen Stimmung gehalten, die vom sanguinischen Solopart nur zärtlich umspielt wird. Gewiss zeigt auch das Doppelkonzert alle jene Facetten, die die erwähnten Werke kennzeichnen: Es ist expressiv in seiner Grundhaltung, originell in seiner Konzeption und virtuos ohnehin - schon wegen seiner Gattungszugehörigkeit.

Aber es repräsentiert in seiner Verständlichkeit und seiner Distanz zu jeglicher Form der Abgründigkeit jenen Typus "geistvoller Unterhaltung", den die Komponisten der DDR vielleicht als Antithese zur Verblödungs-Unterhaltung im Westen pflegten, um das Auseinanderklaffen in einen E und einen U-Bereich zu begrenzen.

Was schon bei dem Bach-Sohn ein Wagnis angesichts der ästhetischen Forderung nach Einheit des Affekts war, führt bei Schubert oberflächlich betrachtet zur Polystilistik, zu barockem Pathos einerseits und zu frühklassischer Beweglichkeit andererseits. Vor dem Auseinanderfallen bewahrt Schubert die Musik durch den einheitlichen Kunstgriff der harmonischen Verzerrung. Die größere stilistische Einheitlichkeit wird aber vor allem im ersten Satz bezahlt mit der spürbaren Anstrengung, mit der der auf weiter Strecke schlichten Bach'schen Harmonik dissonante Akkorde untergeschoben werden.

Nun ging es Hartmut Haenchen und seinem Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach auch nicht darum, Manfred Schubert ins beste Licht zu rücken, sondern um die Vorstellung eines weiteren Stücks, daß die Auseinandersetzung zeitgenössischer Komponisten mit dem Namenspatron des Orchesters bezeugt. Zudem paßte Schuberts Partitur gut zu einem J.S.-Bach-Programm der besonders konventionellen Art, in dem außer den ersten beiden Orchestersuiten in C-Dur und h-Moll auch noch das Doppelkonzert in d-Moll erklangen. Haenchen wählte einen oberstimmenbetonten Klang.

Peter Uehling