Kammerorchester

Frankfurter Neue Presse, 17. Oktober 2003
Kein Mozart für die Kuschelecke

Das Kammerorchester C.P.E. Bach spielte beim Pro-Arte-Konzert in der Alten Oper Frankfurt mit Geist und Witz.

Der Schein trügt. Das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach spielt, wie auch die Akademie für Alte Musik, das andere Berliner Kammerensemble, frisch und frei im Stehen. Ganz wie zu Bachs Zeiten. Allerdings tun die Musiker um Hartmut Haenchen dies auf modernen Instrumenten und mit einem romantischen Ansatz. Nichts für Puristen, wohl aber für Klangliebhaber. Der charakteristische Ton dieses exquisiten Kammerorchesters, ein dunkler, obertonreicher Klang, zeichnete in der Alten Oper schon Mozarts Adagio und Fuge KV 546 aus. Eine Studie in Kontrapunkt, die Hartmut Haenchen streng und ernst vorantrieb. Kein Kuschelmozart.

Das galt auch für die Sinfonia concertante KV 364, in der Mozart, inspiriert vom virtuosen Mannheimer Stil, Solisten und Orchester kunstvoll aufeinander bezieht. Für solche Beziehungen wiederum hat Hartmut Haenchen den rechten Sinn, als Meister des Ausgleichs, der seine Musiker in Dialoge verwickelt: mit der elegant aufspielenden Baiba Skride und der fabelhaften Isabelle van Keulen. Nicht nur im feinen Andante-Pathos wurde da mustergültig musiziert. Die Passagen atmeten ebenmäßig, die Triller schwirrten, die Kadenzen funkelten. Alles hatte Geist und Witz.

Über alle Zweifel erhaben: Mozarts Rondo C-Dur KV 373, von Baiba Skride mit vollendetem Ausdruck gespielt, unangreifbar schön, rein und tief; sowie Benjamin Brittens Lachrymae op. 48a, denen Isabelle van Keulen expressive Kraft verlieh. Die feinen Schattierungen waren perfekt, aber nie glatt oder bloß akademisch nachgezeichnet.

Bei Mozarts Es-Dur-Sinfonie KV 543 platzierte Haenchen blitzende Effekte. Großer Applaus war seinem Rausschmeißer da sicher.

Carsten Kretschmann
Luister, 01. August 1992
Weniger überraschend als bei den Haydn-Sinfonien, aber doch auf gleichwertigem Niveau, widmen Haenchen und seine Berliner Musiker sich den konzertanten Werken von Mozart. Es ist die ideale Kost für sie. Das Bachorchester besteht in seinem Kern aus Streichern, die aus verschiedenen Berliner Sinfonieorchestern stammen. Nach Belieben wird diese Gruppe mit Bläsern aufgefüllt, die zum großen Teil aus dem gleichen "Pool" kommen, und, ebenso wie die ersten Streicher, solistischen Aufgaben ohne Weiteres gewachsen sind. Alle sind also miteinander vertraut und haben die gleiche musikalische Einstellung. Nur auf diese Weise kann man ein so homogenes Klangbild aufbauen, wie Haenchen das hier tut: Bläser und Streicher perfekt miteinander im Gleichgewicht, zusammen an dem selben Klangideal arbeitend. Am meisten frappierte mich das in KV 297b (eine Rekonstruktion von Haenchen selbst), worin die vier Bläser für eine prächtiges Soloensemble sorgen und doch eine vollständige Einheit mit der bescheidenen Begleitfunktion des Orchesters formen. Auch in KV 364 ist das der Fall, blühen die Soli natürlich aus dem Ganzen, geben ihren Soli das richtige Gewicht ohne den falschen Ehrgeiz, sich selbstständig zu machen. Die Concertone und das Flöten-Harfen-Konzert sind die ideale Ergänzung. Der Flötist ist einfach prächtig, die Harfenistin spielt anfänglich mit einem zu trockenen Ton, aber revanchiert sich schnell.

Roel van der Leeuw
Stereoplay, 01. Juni 1992
Bestechend an dieser Aufnahme ist das ausgezeichnet durchgearbeitete Orchesterspiel, das die These hörbar veranschaulicht, Mozart sei auch in seinen Instrumentalwerken genuiner Dramatiker geblieben. Der Mannheimer Orchestersatz mit seinen Crescendi und seiner Dynamisierung der Begleitstimmen kommt ebenso zu Geltung wie der "sprechende" Dialog der Soloinstrumente (...)
Neue Zeit, 14. November 1989
Instrumentales Tanzfest
Jubiläumskonzert des Kammerorchesters "Carl Philipp Emanuel Bach" unter Hartmut Haenchen

(...) Haenchen warf auch hierbei den Solisten, dem Orchester mit geistreicher, geradezu ausgelassener Spielfreude die Bälle nur so zu, brachte immer wieder neue Ideen, Denkanstöße, Nuancen in das Musizieren ein, das er so zu stufen, zu steigern, zu verdichten wußte, daß nichts in interessante Einzelheiten zerfiel, sich auch das Melos in den langsamen Sätzen ruhig und weiträumig entfallen konnte, die strömende Sprache, der Geist dieses Haydn und Mozart lückenlos zum Tragen kamen. Was dem Publikum außerordentlich gefiel.

Eckart Schwinger