Kammerorchester

Dresdner Neueste Nachrichten, 22. Dezember 2000
Eine (Wieder-) Entdeckung

Hartmut Haenchen und Orchester im Kulturpalast

Unmittelbar vor den Feiertagen lockte ein weihnachtlich gefärbtes Kammerkonzert zahlreiche Freunde barocker Musik in den Festsaal des Kulturpalastes. Sicher war auch Hartmut Haenchen mit seinem Berliner Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach" Magnet des regen Publikumsinteresses, der ein Programm meist wohlbekannter Concerti grossi und Solokonzerte bestritt. Haenchen, zur Zeit noch hauptsächlich in den Niederlanden tätig, hat bekanntlich die Bande zu seiner Heimatstadt wieder fester geknüpft. Sein Auftreten zu den letzten Dresdner Musikfestspielen ist ebenfalls noch in bester Erinnerung. Auch diesmal wussten die Berliner durch Musikalität, Disziplin und Ausstrahlung zu begeistern. Das in jahrelanger Probenarbeit geprägte Kammerorchester, bestehend aus vorwiegend jungen Kräften, spielte mit Professionalität und Frische. Knappe, taktstocklose Anweisungen des Dirigenten formten einen Kosmos ausdrucksvoller, präziser "Klangrede", wobei sich stilistisches Einfühlungsvermögen mit den Ausdrucksmöglichkeiten eines modernen Instrumentariums ohne Bruch zusammenfügte.

In diesem Programm durfte natürlich nicht das sogenannte Weihnachtskonzert Corellis fehlen, desgleichen Locatellis Concerto in f-Moll. Vivaldis Piccoloblockflötenkonzert C-Dur räumte dem renommierten holländischen Solisten Daniel Brüggen alle Möglichkeiten ein, seine verblüffenden Spielkünste auf diesem Mini-Instrument eindrucksvoll zu demonstrieren. Zusammen mit dem ausgezeichneten Fagottisten Ingo Reuter brillierte er auch auf der Altblockflöte in einem Telemannschen Doppelkonzert, wobei das starke dynamische Gefälle zwischen beiden Instrumenten nicht wesentlich ins Gewicht fiel.

Die Entdeckung des Abends war zweifellos ein Concerto Armonico im ausdrucksintensiven f-Moll eines bei uns völlig unbekannten Holländers namens Unico Wilhelm Graf von Wassenaer (1692-1766). Das vor kurzem noch Pergolesi zugeschriebene Werk des adligen Dilettanten überraschte auf der ganzen Linie, war qualitätvoll in der Machart, gehaltvoll in der Substanz - eine erfreuliche Bereicherung des gewiss nicht schmalen Barockrepertoires.

Mit einem sehr verinnerlicht und differenziert gespielten Bachschen "Ohrwurm" (Air D-Dur) dankten die Berliner Gäste für den reichen Beifall.

Gerhard Böhm