Kammerorchester

Der Tagesspiegel, 22. Dezember 1999
Himmlische Liebe Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach mit Haenchen

Zum Advent steht der Vater Johann Sebastian auf dem Programm, Übervater des landesweit mit beängstigender Gründlichkeit vorbereiteten Bachjahres 2000. In der Rekonstruktion verschollener Urfassungen nach überlieferten Bearbeitungen von Bachs Hand erklingen ein Konzert für Oboe d'amore, Streicher und Basso continuo D-Dur und ein Konzert für Orgel, Oboen, Streicher und Basso continuo d-Moll. Das "Siciliano" des zuerst gespielten Instrumentalkonzerts deckt sich (weitgehend) mit einem Kantatensatz (BWV 169,5), der die Verinnerlichung himmlischer Liebe besingt: "Stirb in mir, Welt, undalle deine Liebe". Nach dem Urteil des Bachforschers Alfred Dürr gehört er "unzweifelhaft zu den genialsten Gesangssätzen, die je geschrieben wurden". Ist schon das Stück im Zwölfachteltakt der Weihnachtsstimmung günstig, so steigert Nigel Shore dazu das Solo in ein linear interessantes Hirten-Espressivo. Bei der anderen Wiederherstellung (mit dem gefeierten Organisten Matthias Eisenberg) ist im Adagio (nach BWV 146,2) der Bachsche "Erbarme dich"-Gestus wahrzunehmen, irdische Traurigkeit unter dem Prinzip Hoffnung, denn das Kantatenpendant heißt "Wir müssen durch viel Trübsal".

Im Original stehen die beiden Orchestersuiten D-Dur Nr. 4 und 3, BWV 1069 und 1068, für die festliche Gelegenheit. Hartmut Haenchen betont die Tanzcharaktere, indem er sie artikulierend aufraut. Auf die gezackt punktierte Ouvertüre des zweiten Stücks folgt ganz unpathetisch das weltberühmte Air, in dem große Melodie und die feinen Vorschläge ihre Faszination entfalten.

Sybill Mahlke