Opern

Süddeutsche Zeitung, 11. September 1998
Frisch, kühl, ohne Sentimentalität

Das Nederlands Philharmonisch Orkest durchmißt die Musikstrecken so makellos und versiert, als gehöre der "Ring" seit langem zu seinem Repertoire.

Haenchen unternahm für das Projekt, das die Aufbau-Arbeit eines Dutzend Jahre krönt, gründliche Studien zur Tempo-Gestaltung. Er weist darauf hin, wie häufig der Komponist die Anweisung "nicht schleppen" und "ohne Sentimentalität" nachtrug. Aus Gründen eines vom Urheber nicht gewünschten Effekts, der mit Sentimentalität und Ideologie eine Menge zu schaffen hat, wurden die Wagner-Tempi in den letzten Jahrzehnten überwiegend langsamer - James Levine benötigte heuer auf dem Grünen Hügel fast zwei Stunden (!) länger als Haenchen. Dennoch klingt es bei ihm nie verhetzt, nur eben flüssiger, federnder, elastischer, eleganter.

Mit all diesen Sängern, dem brillanten Orchester und dem unpathetischen Zugriff gelingt in Amsterdam eine Alternative zu Bayreuth.

Das Werk steht hier, nach einer heldhaftigen Anstrengung der Nationaloper, jenseits aller Zwänge von Rechtfertigung. Das Publikum ist begeistert.

Frieder Reininghaus