Opern

Opernwelt, 03. März 2010
Sinn und Sinnlichkeit

Der Applaus zu Beginn ist so intensiv, dass sofort klar wird: Hier kehrt einer zurück, der in bester Erinnerung ist. Kein Wunder: Während seiner Zeit als Chefdirigent der Amsterdamer Oper und des Nederlands Philharmonisch Orkest hatte Hartmut Haenchen den ersten szenischen „Ring des Nibelungen“ in den Niederlanden aufgeführt - und zwar „authentisch“, das heißt, er war der Erste, der die damals neue Richard-Wagner-Gesamtausgabe als Grundlage genommen hat. Als genauer Analytiker ist er seither bekannt, als einer, der sich detailliert mit der oftmals jahrzehntelangen Geschichte von Entstehung und Umschreibung der Wagner‘schen Partituren auseinandersetzt. Auch für den „Fliegenden Holländer“ hat Haenchen mit sich gerungen, welche der insgesamt sieben Versionen er aufführen würde, um sich dann für die späte von 1860 zu entscheiden, hat Wagners Streichungen altmodischer Kadenzen oder seine exakten Festlegungen der Länge von Fermaten übernommen und andere, bloß pragmatische Änderungen, die der Zensur oder den räumlichen Bedingungen des Aufführungsortes geschuldet waren, weggelassen.
Dieses Ringen mit dem musikalischen Text schlägt sich bei der Aufführung produktiv nieder. Schon in der Ouvertüre wird klar: Da weiß jemand genau, was er will, und liefert einen kraftvollen Zugriff, der aus fundierter Partiturkenntnis resultiert. Trotz aller analytischen Durchdringung wird der Klang nie spröde und distanziert, sondern vibriert vor Sinnlichkeit und Farben. In den ruhigen Passagen gibt Haenchen seinen Sängern Raum zum Atmen, den diese dankbar annehmen....Fantastisch.... der Koor van de Nederlandse Opera, dessen stimmliche Präsenz und Deutlichkeit in der Artikulation vor allem bei „Steuermann! Lass die Wacht!“ für Gänsehaut sorgt.
Udo Badelt