Sinfoniekonzerte

Stuttgarter Zeitung, 12. Oktober 2015
Ja, genau so liebt man Brahms
... Der Dresdner Hartmut Haenchen, in den Niederlanden ein Star, in Deutschland immer noch viel zu sehr unterschätzt, eröffnete am Sonntag mit einem Brahms-Programm im Beethovensaal die Saison des Württembergischen Staatsorchesters. ... Doch wie Haenchen in einem lesenswerten Brahms-Essay in seinem Buch "Werktreue und Interpretation" (Pfau-Verlag) nachweist, steht eben nicht alles in den Noten, wie er am Sonntag bei der Matinee mit dem hochmotivierten und spielstarken Staatsorchester demonstrierte. In dieser Form, also mit so einem Klasse-Dirigenten, toppt es in Homogenität, Ausgeglichenheit der Register und perspektivischer Staffelung, besonders in seiner verbundenen Körperlichkeit, alle anderen Klangkörper der Stadt. Solche satten, versammelten Tutti-Akkorde, die nachschwingen und nicht schneiden, hört man gerne - und leider viel zu selten. Flüssige Tempi, ein durchgehörter Satz, mit vielen herauspräparierten Nebenstimmen, genaue Dynamik und eine sprechende Artikulation, bewegliche Agogik - all das hob die Aufführung der viel strapazierten c-Moll-Sinfonie aus dem Abonnement-Alltag hervor. Alles Wichtige, was oft untergeht, war da: der markante Paukenpuls der Einleitung (man höre dagegen einmal das laue Gewummere eines Christian Thielemann), ein gehendes, nie schleppendes Tempo im Adagio, ein federleichter Scherzo-Ton im Allegro giocoso und in der Schlussgruppe des Finales Streicher, die tiefgreifend und im Fortissimo den daktylischen Rhythmus markieren -"ben arcato" heißt es, und wird doch viel zu oft überspielt von den Blechbläsern. Nicht hier. ... Großartig.
Götz Thieme
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