Sinfoniekonzerte

www.deropernfreund.de, 29. Juli 2017
..."Die Ouvertüre hat, in der Interpretation des Festspielorchesters unter dem ingeniösen Hartmut Haenchen, einen meisterhaften Bogen, ja: eine höchst gelungene Dramaturgie...
Mit Berg und Verdi – und mit der Ouvertüre zum „Rienzi“ -, die zum ersten Mal im Festspielhaus erklangen, haben die Bayreuther Festspiele ein jetzt schon historisches Konzert ermöglicht, das in die Annalen er Institution eingehen wird. Kommt hinzu die atemberaubende (ja: atemberaubende) Dignität der Interpretation. Kein Wunder, denn mit Haenchen hatte man einen Dirigenten ans Pult gestellt, dem Wagner ebenso vertraut ist wie Berg, und der mit Ausschnitten aus dem dritten Akt des „Othello“ den subtilsten Verdi-Ton produzieren ließ....
Natürlich (aber was war im Falle Wielands schon „natürlich“?) spielt das Orchester am Ende auch eine Musik zur Erinnerung an die Trauerfeier des Jahres 1966. Vorspiel und Verwandlungsmusik aus dem 1. Aufzug, doch in jener Version, die das letzte Mal im Jahre 1883 in Bayreuth zu hören war: mit den ergänzenden Takten und der Wiederholung einer Passage. Damals hatte Engelbert Humperdinck die Musik verlängern müssen, weil das Laufband für die Wandeldekoration zu kurz war. Es ist zumindest historisch faszinierend (und auch deshalb wird der Abend zum geschichtlichen Ereignis), einmal diese legendäre Fassung zu hören. Man hört: es funktioniert nicht, die Wiederholung macht, mit dem Original im inneren Ohr, nur irritierenden, also keinen Sinn, weil (anders als der mittelalterliche Ritterroman) die Dramaturgie des „Parsifal“ keinen „doppelten Cursus“ kennt – aber es ist faszinierend, diesen Teil der originalen Aufführungsgeschichte endlich einmal zu hören. Zudem ist Haenchen ein überragender Wagner-Dirigent, der selbst unter den akustischen Bedingungen der offenen Bühne momentweise jene mystische Stimmung aus dem Orchester herauszuholen vermag, die sonst dem verdeckten Graben vorbehalten ist. So etwas nennt man wohl: delikat.
Delikat war schon die Deutung der „Rienzi“-Ouvertüre, also die Erinnerung an Wieland Wagners Stuttgarter Inszenierung des Jahres 1967. Im Rezensentendeutsch: Haenchen versteht sich auf Spannungsbögen, logische Übergänge, instrumentale Zartheiten und genaues Stimmen- und Linienspiel. Er versteht den genialen Reißer nicht als Mittel zum Zweck der Volksbelustigung, sondern als ernsthaftes – und kompositorisch hervorragend gebautes – Symphonisches Drama in nuce. Und er lässt es bedauern, dass Wagners geniales Frühwerk in Bayreuth keinen Ort hat.
Frank Piontek
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