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Wagner, Richard: Die Walküre

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Bemerkungen und Dokumente zu Die Walküre

Der Name „Walküre" leitet sich ab vom althochdeutschen „falo" und mittelhochdeutsche „val“ ab. Das Wort war mehrdeutig und bedeutet sowohl die „fahle“ Farbe der Leichen und die Leblosigkeit der Helden des Schlachtfelds, als auch die blonden Haare der Helden. Das Wort gibt es heute noch im Niederländischen als „vaal“. Der andere Teil des namens "Walküre" stammt von Altdeutschen „kiosa" = „wählen“, welches ebenso im Altniederländischen existiert. „Walküre“ bedeutet also diejenige, die auf dem Schlachtfeld auswählt. Von diesen Begriffen sind die Worte Walküre, Walhall, Wala, Walstatt und Walvater Wotan abgeleitet. Die Walküren waren in Walhall mit der dienenden Versorgung ihrer Helden betraut. Wotan hatte sich, durch fremdgehen, seine eigene „Armee" zum Machterhalt gezeugt, da die Helden eine Art ewiges Leben in Walhall erreichten. Die Tatsache, dass nur der Schlachtentod dem Helden den Einzug in Walhall verhieß, verlieh dem blutigen Geschäft der Walküre eine eigenartige Würde.

Den Stoff der Walküre entlehnte Wagner der „Völsunga-Saga", fügt ihn aber in dichterischer Vision zu einem neuen Mythos zusammen. Wagners Ring-Dichtung ist keine epigonale Wiederholung des Nibelungenstoffes, sondern dichterische Selbstschöpfung, in der das historische Sagen-Material verwandelt wird. Herders Hoffnung auf die „Sage der Sagen" in der die vermischten Stoffteile zu einer neuen Odyssee zusammenströmen, findet hier ihre Erfüllung. Wagners Phantasie macht Siegfried zum Sohn des Halbgottpaares Siegmund und Sieglinde, dessen ehebrecherisches und blutschänderisches Verhalten den Konflikt zwischen Wotan und Fricka schürt. Siegfried wird zum Enkel Wotans und zugleich in eine blutsverwandte Beziehung zu Brünnhilde gerückt, die als Tochter Wotans und Erdas die Halbschwester Siegmunds und Sieglindes ist. Dadurch verwischt sich der Gegensatz zwischen Menschen und Göttern.

Wagner führt den recht bürgerlich anmutenden Konflikt zwischen Wotan und Fricka ein, um den mythologisch-heroischen Hintergrund des Inzests zu verdeutlichen. Frickas Argumente sind am bürgerlichen Sittenkodex gemessen, um ihre Anschauungen von dem diametral entgegen gesetzten Denken Wotans zu differenzieren. Es darf nicht übersehen werden, dass Wagner in der Endfassung seiner Dichtung die Zwillingseigenschaft Siegmunds und Sieglindes nur andeutet, während der Entwurf diese Beziehung deutlich ausspricht: „Schwester und Gattin: wie sie in einem Schoße umschlungen sich hielten, so umschlingen sie sich als selige zwei!" Hier verknüpfen sich die Vorstellungen von einem zwiegeschlechtlichen Urgott, der aus sich selbst das erste Menschenpaar zeugt, das notwendigerweise ein Geschwisterpaar sein muss. Tatsächlich meint aber Wagner weniger die physische Zwillingshaftigkeit beider Gotteskinder, als vielmehr die seelische und geistige. Sieglinde erkennt in Siegmund nicht nur ihren Bruder, sondern ihr Spiegelbild, in seiner Stimme nicht nur den vertrauten Klang, sondern ihr Echo. Beide sind Seelenzwillinge, die sich gegenseitig ergänzen, Hälften, die sich erst in der Vereinigung zum Ganzen fügen. Dass sich in der Formung Siegmunds, des Flüchtigen, Unsteten und Einsamen, spiegelbildliche Beziehungen zu dem unverstandenen emigrierten Künstler Wagner knüpfen lassen, der in der Einsamkeit der verstehenden Seele einer verheirateten Frau begegnet, sei nur angedeutet.

Erinnerung Gustav Freytags an eine Begegnung mit Richard Wagner im Herbst 1848:
„Dieser erzählte bei einem Begegnen im Herbst 1848, daß ihn die Idee zu einer großen Oper beschäftige, die in der germanischen Götterwelt spielen solle; der Inhalt aus der nordischen Heldensage stand ihm noch nicht fest, aber was ihn für die Idee begeisterte, war ein Chor der Walküren, die auf ihren Rossen durch die Luft reiten. Diese Wirkung schilderte er mit großem Feuer. „Warum wollen Sie die armen Mädchen an Stricke hängen, sie werden Ihnen in der Höhe vor Angst schlecht singen." Aber das Schweben in der Luft und der Gesang aus der Höhe war für ihn gerade das Lockende, was ihm die Stoffe aus dieser Götterwelt zuerst vertraulich machte. Nun ist für einen Schaffenden nichts so charakteristisch, als das Ei, aus welchem sein Vogel herausfliegt. Die Freude an unerhörten Dekorationswirkungen ist mir immer als Grundzug und das stille „Leitmotiv" seines Schaffens erschienen."

Lange vor Beginn der Walküre schrieb Wagner bereits das Thema des Walkürenrittes auf (1850) Der Text („Nach Süden wir ziehen") entstammt aber seinem Text von Siegfrieds Tod.

Brief Richard Wagners an Minna Wagner, Zürich, 30.9. 1854:
„Als ich gestern Deinen mißtrauischen Brief bekam, hatte ich gerade das Auftreten der Fricka zu komponieren; das stimmte gar nicht übel zusammen."

Brief Richard Wagners an Franz Liszt, Zürich 13. September 1855:
„... Die Beendigung dieses Werkes (des tragischesten, welches ich je konzipiert) wird mich viel kosten und ich muß darauf bedacht sein, mir sodann durch die erhebendsten Eindrücke wieder zu ersetzen, was ich zugesetzt haben werde."

Brief Richard Wagners an Franz Liszt, Zürich, 3.10. 1855:
Der zweite Akt muss „ - wenn jede Intention vollkommen verstanden wird - eine Erschütterung hervorbringen, der nichts Dagewesenes gleicht."

Richard Wagner zur Szene zwischen Wotan und Brünnhilde im 2. Akt: „Für den Gang des ganzen großen vierteiligen Dramas ist es die wichtigste Szene.."

Brief Richard Wagners an Franz Liszt, 30.3. 1856:
Der 3. Akt: „Er ist geraten; wahrscheinlich das Beste, was ich noch geschrieben. Ein furchtbarer Sturm - der Elemente und der Herzen - der sich allmählich bis zum Wunderschlaf Brünnhildes besänftigt.“

Brief Richard Wagners an Franz Liszt, 8.5. 1857:
Zu der letzten großen Szene der Brünnhilde aus Walküre: „Die Sache ist die, daß Alles in ihr so fein, tief und leise ist, daß es des bewußten, zartesten und vollendetsten Vortrages nach jeder Seite hin bedarf, um sie verständlich zu machen; gelingt aber dies, so ist auch der Eindruck unzweifelhaft."

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