Texte

Dresdner Musikfestspiele - Konzeption, Kultur & Markt

von Prof. Hartmut Haenchen September 2004

Die Neuorientierung der Dresdner Musikfestspiele

Zweck, Sinn und Ziel des faszinierenden Ereignisses "Musikfestspiele" erschöpfen sich für mich nicht in der Einladung zu einem außergewöhnlichen Fest, sondern gipfeln in der Aufforderung an die Dresdner und ihre Gäste, im Rahmen der Musikfestspiele Bekanntes und Neues, Vertrautes und Ungewohntes, Nahes und Fernes aus neuen Blickwinkeln und unter ungewöhnlichen Gesichtspunkten zu entdecken. Daher ist für mich der Gedanke wesentlich, dass Dresden während der Festspielzeit für seine und mit seinen Gästen „singt und musiziert“ und Verbindungen zu anderen Kunstgattungen sich aufbauen lassen.

Eine der regelmäßig zurückkehrenden Reihen der Musikfestsspiele die die Stadt Dresden selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt, ist die Reihe Dresden singt & musiziert, die ihre Basis in einer langjährigen erfolgreichen Tradition hat. Hier präsentieren vornehmlich Dresdner aus unterschiedlichen Blickwinkeln ihre Stadt. Es kann nicht allein darum gehen, die Menschen während einer Festspielzeit in die Theater, Säle und Kirchen zu holen. Noch wichtiger ist, zu den Menschen zu gehen, festgefahrene Traditionen des musikalischen Betriebes aufzubrechen und neues Publikum zu gewinnen. In jedem Jahr wird es als Prolog eine Ouvertüre im Grünen geben, danach ein Mitsingoratorium, einen Kunst & Markt 2003 war es am 31.Mai und 1.Juni im Großen Garten. Der überwältigende Erfolg für eine neue Veranstaltung mit 20.000 Besuchern (trotz teilweise schlechtem Wetter) veranlasste uns – nach Rücksprache mit den Teilnehmern - diesen Ort beizubehalten und das große Nacht-Konzert von Dresden singt& musiziert nun auch hier zu integrieren. Für 2004 ist Kultur&Markt am 5. und 6.Juni vorgesehen, 2005 am 28. und 29.Mai und 2006 am 27. und 28.Mai. Außerdem planen wir jeweils einen Kindertag, der am jeweiligen Sonntag in Kunst&Markt integriert ist, den Meißner Musikmarathon, einen „Klingenden Stadtteil“. Erneut wird dabei ein großer Teil in Dresden lebender Menschen aktiv mitwirken und zusammen mit den Festspielkünstlern musizieren.

Kultur & Markt: Die grundlegende Idee ist, dass in einem solchen Markt die unterschiedlichsten Publikumsschichten mit den verschiedensten Interessen aufeinandertreffen und sich ohne Schwellenangst auch in Bereichen, in denen sie sich nicht zu Hause fühlen, informieren können und Kunst hautnah erleben. Dieser Markt soll allen Kunst- und Kulturinstitutionen, Vereinen, Verbänden, Lehreinrichtungen, Museen, Galerien, Akademien, Bibliotheken, entsprechenden Handwerksbetrieben (wie Instrumentenbau und Restauratoren auf allen Gebieten) kulturellen Privat-Initiativen Dresdens sowie der Region und bewusst auch der alternativen Szene die Möglichkeit einräumen, sich mit eigenen Marktständen vorzustellen (oder sich mit Partnern in einen Stand zu teilen), Material über ihre Arbeit anzubieten und die Programme und Aktivitäten der nächsten Saison anzukündigen und den direkten Kontakt zwischen Kulturinstitutionen, auf dem Markt anwesenden Künstlern und dem Publikum herzustellen. Die Möglichkeit, Sonderangebote für das Publikum vorzubereiten und Besucher und/oder Mitglieder zu werben, sollte eingeschlossen sein. Die künstlerische Planung und Organisation des Marktes liegt in den Händen der Mitarbeiter der Dresdner Musikfestspiele. Die Mithilfe und Mitfinanzierung der Stadt Dresden ist wiederum beantragt, obwohl 2003 die Finanzierung kurzfristig von der Stadt aus der bekannten Finanznot zurückgezogen wurde. Die DMF haben mit sehr geringen Mitteln aus dem eigenen Haushalt alle 7 Bühnen und die Marktstände den mitwirkenden Kultureinrichtungen kostenlos zu Verfügung gestellt, eine eigene Zeitung mit einer Auflage von 10.000 Stück veröffentlicht und die nötigste Werbung betrieben und bereits damit einen großen Zulauf erreicht.

Die Werbung wird vor allem in Zusammenarbeit mit den großen Tageszeitungen erfolgen, die die Pläne als Sonderbeilagen veröffentlichen. Die Zeitungen sind in diesem Sinne als Partner zu gewinnen. Die im Jahr 2003 sehr gut angenommene Hauptbühne auf der Wasserseite des Palais könnte durch einen Hauptsponsor finanziert werden und kann dann den Namen des Sponsors tragen. Für kleinere Podien ist das gleiche Prinzip denkbar. Aufführungsorte sind die überdachten Open-Air-Bühne (siehe Foto auf der Rückseite der Broschüre der DMF), die sogenannte Tanzbühne auf der Stadtseite des Palais, die Parkbühne und 4 weitere kleinere Bühnen und die zahlreichen Möglichkeiten, die sich aus der natürlichen Kulisse des Großen Gartens ergeben. Alle Veranstaltungen sind grundsätzlich ohne Eintrittsgeld und auch der Markt sollte frei zugänglich sein. Überlegungen, einen pauschalen Eintrittspreis zu nehmen, würden dazu führen, dass Einnahmen und extra entstehende Kosten für Personal und Absperrungen sich etwa die Waage halten würden und nur wieder Schwellenängste aufgebaut würden, die der Idee des Kulturmarktes entgegenstehen.
Zu diesem Markt wird eine Vielzahl von kleineren Veranstaltungen gehören, die über zwei Tage verteilt werden und jeweils mit einem großen Abendkonzert enden.
Alle Veranstaltungen sind unbezahlte Auftreten, die sowohl am Stand direkt oder auf einer der Bühnen stattfinden. Künstlerische Berührungspunkte zwischen den unterschiedlichsten Genres sind hier unbedingt anzustreben. Ein Bezug zu dem Thema der Musikfestspiele (2004: „Sagenhaftes“, 2005: „Lust am Fremden“, 2006: „Glauben“ ist ebenso wünschenswert wie Bezüge zu den Reihen der DMF: Dresden & Europa 2004: Paris, 2005: Lissabon, 2006:Rom), der Reihe Dresden Musik & Geschichte, der Reihe Musik im 20. & 21. Jahrhundert und der Reihe Musik & andere Künste. Die künstlerische Koordination der Auftritte, die nicht spontan am Marktstand geschehen, wird ohne extra Kosten von den Mitarbeitern der Dresdner Musikfestspiele übernommen.
Dabei geht es darum, auf verschiedenen Bühnen, die unweit voneinander sind, ein nahezu pausenloses Programm der extremen Abwechslung zu gestalten, so dass die üblichen Spezialinteressen unterschiedlicher Publikumsschichten mit unbekannten Genres konfrontiert werden.


Jeweils am 1. Juni, dem Internationalen Kinder-Tag oder dem jeweiligen Sonntag (wenn der 1.Juni nicht eingeschlossen ist) innerhalb des Kulturmarktes, wird Kinder & Tag zum festen Bestandteil des Festspielangebots gehören. Angestrebt ist dabei langfristig ein von diesem Kinderfest ausgehendes Begleitprogramm, bei dem Kinder und Jugendliche Schwerpunkte mitgestalten, etwa beim Thema „Märchen, Sagen und Mythen“ zu den Musikfestspielen 2004, aber auch kindgerechte Angebote zu den anderen Themen und allgemeiner Art.

Schlußbemerkung:

Die Stadt Dresden hat sich vor Jahren entschlossen, ein „Stadtfest“ zu organisieren.
Die Idee, dass dies für die Kunststadt Dresden ein repräsentatives Fest wird, ist nur in kleinen Teilbereichen verwirklicht worden. Der Teil des Festes, der die künstlerischen Besonderheiten der Stadt und die besonderen Werte herausstellen soll, ist inzwischen durch ein Fest der Getränke und Essen-Angebote mit Kirmes-Einschlag überwuchert.

Der von mir vorgeschlagene Kultur & Markt, ist die richtige Alternative, Dresden ein großes Fest zu geben, welches dem kulturellen Anspruch der Stadt entspricht.
In Zeiten der knappen Kassen stellt das Konzept eine Bündelung der Kräfte bei im Verhältnis geringen Kosten dar.



Prof. H. Haenchen
Intendant der Dresdner Musikfestspiele



P.S.: Vergleiche auch das Gesamtkonzept der Musikfestspiele ab 2003

Zurück