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Nexus Conference - What's next for the West? Beethoven meets Superman

Hartmut Haenchen nahm an der Diskussion über die (kulturelle) Zukunft Europas im Concertgebouw Amsterdam teil

Alle Rechte vorbehalten

Hartmut Haenchen aus Anlass der Nexus-Konferenz Amsterdam 2010:

Beethoven oder Superman?
Humanistische Ideale oder zerbrechende Gesellschaften (?)!

Beitrag zur internationalen Nexus-Konferenz im Concertgebouw Amsterdam, 2010

„Die Menschheit ist eine Versammlung von Musikanten auf dem Weg nach einem unsichtbaren Ziel, das vielleicht gar nicht besteht.“ (frei nach Cees Nooteboom in „Berlijn“)

- Wirkung der humanistischen Kunst -
Beethoven glaubte an die moralische Kraft der Kunst und die weltweite Wirkung der Grundsätze der Französischen Revolution. Er war überzeugt, dass die Regierenden die Signale der Kunst verstehen, so wie später in der Sowjetunion und anderen Diktaturen die Menschen die versteckten Zeichen in der Kunst verstanden. So schrieb Dmitri Schostakowitsch am Schluss seiner 5. Sinfonie das „ya“ = „ich“ als Ton „a“ und erklärte mit „DSCH“, den vertonbaren Anfangsbuchstaben seines Namens, dass er es ist, der sich nicht brechen lässt. Dies erfolgte als Antwort auf die Kritik Stalins auf die 4. Sinfonie oder die Dodekaphonie vor dem Lenin-Text in der 2. Sinfonie. Die Menschen in der DDR verstanden die versteckten Zeichen im Konzert für Orchester Response von Siegfried Matthus; Inszenierungen wie z. B. des Fidelio in Dresden oder des Berliner Der Theatermacher von Thomas Bernhard, mit Kurt Böwe in der Titelrolle, entwickelten revolutionäre Kraft, sodass die Kunst einen hohen Anteil an der friedlichen Revolution hatte. Es gibt noch viele weitere Beispiele, dass die nicht vergessenen Werke der Vergangenheit immer Kunst für die Weiterentwicklung der Gesellschaft waren: Pierre Augustin Caron de Beaumarchaises Der tolle Tag ist einer der Auslöser der französischen Revolution gewesen; Daniel Francois Esprit Auberts Oper La Muette de Portici, die zur Revolution 1830 in Belgien führte, war gewaltfrei revolutionär im humanistischen Sinne ebenso wie..., wie auch Wolfgang Amadeus Mozarts Zauberflöte, die die Wiener Geheimpolizei auf den Plan rief. Auch heute selektiert sich moderne Musik noch immer nach diesem Grundsatz. So werden zum Beispiel vom Opernschaffen des 20. Jahrhunderts die revolutionären Werke wie Alban Bergs Wozzeck, Aribert Rebmanns Lear oder Bernd Alois Zimmermanns Soldaten auch den Menschen des 21. Jahrhunderts und darüber hinaus wertvoll sein. Musik und Kunst als revolutionäre Kraft! So schwebte es auch Beethoven vor. Bei Beethoven waren es Zeichen wie die Verwendung der Schiller‘schen „Freude“, die eigentlich, so wusste jeder, „Freiheit“ hieß. Das zu verstehen setzt aber voraus, dass Menschen diese Signale dechiffrieren können. In und nach Beethovens Zeit war das absolut der Fall. So zeigt zum Beispiel der Eingang des Anfangsmotivs der 5. Sinfonie ..._ als „V“ wie victory in die Morsetechnik 1838, sozusagen als technische Übersetzung der Musik, wie tief Kunst in die Gesellschaft drang. Dies wiederum setzt eine humanistische Allgemeinbildung voraus, die heute verloren geht oder schon zum großen Teil verloren gegangen ist. Beethoven glaubte an die humanistische Bildung der Regierenden seiner Zeit in seiner Umgebung und an die von Schiller postulierte Wirkung der Kunst. Auch die adeligen Herrscher (u. a. Beethovens Freund Erzherzog Rudolf) hatten alle eine musikalische und künstlerische Bildung. Goethe, der die Essenz der humanistischen Bildung bis zum 19. Jahrhundert in sich vereinte, tat dies mit der Hilfe und Freundschaft des Herzogs von Weimar. Heute ist ein Regierender mit künstlerischer oder gar musikalischer Bildung die Ausnahme. Helmut Schmidt war vielleicht der letzte deutsche Regierungschef mit solchen Qualitäten. Regierende sind heute im Allgemeinen mit künstlerischen Mitteln nicht mehr zu erreichen, mit Ausnahme von Diktaturen nicht einmal mehr zu provozieren. Trotzdem haben auch heute noch Beethovens Musik und vergleichbare Meisterwerke kraft ihrer Form, kraft ihrer künstlerischen Verallgemeinerung die Möglichkeit, Menschen verschiedenster Überzeugungen zu erreichen, während in Parteiversammlungen oder Kirchen meist nur für die Mitglieder gepredigt wird. Neben der revolutionären gibt es eine, nicht zu unterschätzende, mehr emotionale mittelbare Wirkung, die auch im Unterbewussten Dispositionen und Wertevorstellungen schafft, die Grundvoraussetzungen von Humanität sind. Humanismus verstehen wir in diesem Zusammenhang als Essenz der langen Entwicklung humanistischer Gedanken von der Antike über den Neuhumanismus eines Johann Gottfried Herder bis zum entscheidenden existentialistischen Humanismus eines Jean Paul Sartre und heutigen Humanismus-Diskursen verstehen. Deren Nenner ist weitgehend ein gemeinsamer: Toleranz, Gewaltfreiheit, Gewissensfreiheit und Würde des Menschen sind die Grundlagen für die Entfaltung der schöpferischen Kräfte der Menschen, die zu einer Höherentwicklung der Menschheit führen müssen, damit sich die Menschheit nicht selbst vernichtet. Eine humanistische Bildung muss also auf diesen Grundsätzen basieren, die für Europa in der griechischen Antike ihren Ursprung haben und auf der Förderung schöpferischer Kräfte, besonders der Künste, beruhen.

- Kunst wird zum Entertainment, Superman ersetzt Beethoven -
In unserer modernen europäischen Gesellschaft ist Kunst zum Entertainment verkommen. In Deutschland nennt man das die „Spaßgesellschaft“. Da haben philosophische Gedanken keinen Platz, der „Spaß“ ist eine Vernebelung der Werte. In den Medien nehmen Künste inzwischen einen erschreckend geringen Platz ein. Die offiziellen Statistiken zeigen einen Rückgang von etwa 50% sowohl beim Fernsehen als auch in den Zeitungen.

Die geistige Leidenschaft, Bildung zu vermitteln, hat in den letzten Jahren dramatisch nachgelassen. Fernsehen und Rundfunk bedienen die potentielle Bildungswilligkeit, das Ernstnehmen von Bildung, nicht bedachtsam und respektvoll genug. Das Internet als mögliche Alternative ist für einen erheblichen Teil der Gesellschaft noch nicht zugänglich und ist in seiner Struktur eben nicht mit den „alten“ Medien Buch, Zeitung oder Radio und Fernsehen zu vergleichen. Feuilletons greifen zu marktschreierischen Mitteln, wenn sie überhaupt noch über Kunst berichten. Kein noch so törichtes Kunstwerk kann derart minderwertig sein, dass man darum den Menschen, der es geschaffen hat, tief in der Seele kränken müsste. Genau dies ist aber der heutige Stil; die Kritik erfolgt auch nicht mehr mit dem Hintergrund der humanistischen Bildung eines Alfred Kerr oder Joachim Kaiser, von denen getadelt zu werden nahezu eine Ehre war.

Es gibt aber auch Gründe für die Abspaltung der Unterhaltungsmusik von der seriösen Musik, die vor der eben genannten Entwicklung liegen - Reaktionen in der Gesellschaft sind immer zeitversetzt: Als man Beethoven um 1900 in Wien einen „Tempel“ baute, seine Heroisierung betrieb und zu Recht erkannte, dass seine 9. Sinfonie den Höhepunkt der Subjektivität darstellt, den ganzen Kosmos des Menschseins umfasst, die alles Äußerste besagt und mit den äußersten Mitteln seiner Zeit geschrieben war, verließen die Komponisten dieser Zeit ihr Publikum und zogen sich bis auf wenige Ausnahmen in elitäre Gebiete ohne den Anspruch der gesellschaftlichen Relevanz von Musik zurück. Die Aufführungen umfassten mehr und mehr das musikalische „Erbe“ und nicht die jeweilige Gegenwartsmusik. Die Unterhaltungsmusik spaltete sich zwangsläufig als eigenständiges Genre ab. Sie hatte ebenso wenig den Schiller‘schen Anspruch an die Kunst (den Schiller‘schen Optimismus brachte Beethoven in seiner IX. ganz bewusst an den Rand der Unglaubwürdigkeit), wie die „Gebrauchsmusik“ Beethovens. Die Zeiten eines Mozart, der in seiner Zauberflöte die vergnüglich-unterhaltsame Sphäre und die tiefgründig-mystische Sphäre ohne weiteres zu verknüpfen verstand, waren vorbei. Leichtes und Gewichtiges passen bei Mozart noch zusammen. Jetzt beginnt es auseinander zu driften und wie Joachim Kaiser über die Pop-Musik sagt: „Mir scheint auch, da werden die Leute um die Qualitäten großer Kunst bemogelt.“ Die überwiegende Menge der Popmusik hat keinerlei Anspruch, die Gesellschaft positiv zu verändern. Diese Proletarisierung der Kultur ist Teil einer demokratischen Entwicklung, die letztlich auch negative Nebenwirkung der Französischen Revolution und der Bestrebungen eines Friedrich Schiller ist. Die großen - auch zeitgenössische - Komponisten greifen auf eine Musiksprache zurück, die Jahrhunderte der Geistesentwicklung in sich vereint. Die Schlager- und Popmusik-Produzenten haben dieses Potential nicht in sich aufgenommen, und Superman ist sozusagen die sichtbare Figur dieser „Kultur“. Letzteres steht absichtlich in Anführungszeichen, denn im Begriff Kultur steckt eigentlich (wie im „Kultivieren“) Pflege und Weiterentwicklung, was Begriffe wie Agrokultur, Wohnkultur oder Sprachkultur zeigen. Im Zuge von Spezialisierungen auf allen Gebieten trat die humanistische Allgemeinbildung in den Hintergrund. Auch die Musik brachte technisch enorm gute, professionelle Spezialisten hervor, die sich allerdings zum großen Teil unzureichend mit dem Geist des Stückes auseinandersetzten, sodass nur der Standard der Perfektion stieg. Gleichzeitig nahm die große Zahl der „Liebhaber“ ab, die dank ihrer Allgemeinbildung die Inhalte (er)kannten. Wo werden heute noch Beethovens Werke vierhändig zu Hause gespielt? Jedes größere Werke wurde damals für den Hausgebrauch, meistens vom Komponisten selbst, bearbeitet. Sogar die Große Fuge wurde von Beethoven zum besseren Verständnis für 4 Hände bearbeitet, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine CD kann das Musizieren nicht ersetzen.

- Gründe für den Rückgang der Aufführungszahlen von Beethovens Musik -
Die Gründe für den dramatischen Rückgang der Aufführungen von Beethovens Musik in den letzten 50 Jahren und damit das Verblassen ihrer Wirkung sind vielfältig: Nehmen wir ein ohnehin wenig gespieltes Werk wie die Coriolan-Ouverture mit den Wiener Sinfonikern: Von 1900 bis 1950 wurde sie 107 mal gespielt (durchschnittlich 2,14 mal im Jahr), in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts 12 mal (1,2 mal im Jahr), danach bis heute nur noch 4 mal in 10 Jahren (0,4 mal im Jahr). Niemand kennt mehr die Gestalt des aufständischen römischen Patriziers, der verbannt wird und mit dem italienischen Volksstamm der Volsker gegen die eigene Vaterstadt zieht, und so interessiert niemanden mehr die musikalische Erzählung. Kaum ein Dirigent, der nicht bei den Medien als „Spezialist“ anerkannt ist, wagt es heute noch, eine Beethoven-Sinfonie aufzuführen und so liegt einer der Gründe des Rückgangs der Aufführungen Beethoven‘scher Werke auch bei den Musikern selbst - bei der so genannten „historischen Aufführungspraxis“. Sie gibt vor, Werke so erklingen zu lassen, wie es z. B. in Beethovens Zeit gewesen sein soll. Ein Postulat, welches auf einer grundsätzlich falschen Voraussetzung aufbaut: Es gibt kein historisches Publikum und somit kann selbst die perfekteste Kopie einer historischen Aufführung nicht im Entferntesten erreichen, was sie zu seiner Zeit konnte. Selbstverständlich ist ein gründliches Quellenstudium für jeden Interpreten (eigentlich) unabdingbar. Heute speist sich aber das Wissen aus Sekundärquellen und aus Halbwahrheiten. Schon deshalb ist die ganze „historische Aufführungspraxis“ fragwürdig. Nur einige Beispiele: Es gibt heute einen damals nicht existenten genormten „historischen Kammerton“, um diese Musik international vermarkten zu können. Wir hören also ziemlich konsequent die Stücke der Klassik in den falschen Tonarten, wenn sie auf „historischen“ Instrumenten gespielt werden. Ebenso verhält es sich mit der Frage des Vibratos. Immer wieder wird behauptet, dass bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts kein Vibrato gespielt wurde . Ein anderes typisches Beispiel des Halbwissens: Alle berufen sich auf einen Satz in Leopold Mozarts Violinschule, der besagt: „Es gibt schon solche Spieler, die bey ieder Note beständig zittern, als wenn sie das immerwährende Fieber hätten.“ Im Grunde widerlegt dieser Satz schon die Non-Vibrato-Theorie selbst, da er ja im Umkehrschluss aussagt, dass es in Mozarts Zeit schon ein Dauervibrato gab. Offensichtlich liest aber niemand, dass Mozart auf vorangegangen und folgenden Seiten ausführliche Anweisungen für die unterschiedlichsten Arten des Vibrato gibt und schließlich sagt: „also muß man....diese zwischentönige Schwebung (also Vibrato, H.H.) genau nachzuahmen sich befleissigen“. „Die Natur (der Stimme, H.H.) ist die Lehrmeisterin hiervon“. Und noch ein letztes Beispiel: Wenn man heute eine Beethoven-Sinfonie in einem Saal wie dem Concertgebouw Amsterdam mit großer Streicherbesetzung und verdoppelten Bläsern spielt, kann man sicher sein, dass man als Dirigent vernichtende Kritiken bekommt, da man sich angeblich nicht an die „historisch richtige“ kleine Besetzungen hält. Ich habe noch nie gelesen, dass ein Rezensent sich einmal die Mühe gemacht hat, z. B. den Raum der Uraufführung der 3. Sinfonie im Palais Lobkowitz mit dem Concertgebouw zu vergleichen und die Wirkung, die Beethoven erzielen wollte, in eine akustische Relation und damit adäquate Besetzungsgröße zu setzen. Ersterer bietet nach Auskunft der heutigen Website auf 100 qm Platz für 60 Personen, was in diesem Fall 35 Musiker und maximal 25 Hörer bedeutet; letzterer fasst über 2000 Hörer und 120 Musiker. Die Komponisten in Beethovens Zeit wussten das aber und versuchten, wo auf Grund größerer Räume möglich, die Besetzung entsprechend zu erweitern. Mozart ergriff sogar die Gelegenheit in der Oper in Mailand, seine Bläser 4- bis 6-fach zu besetzen. Es sollte uns um die zu transportierenden Inhalte gehen, die heute ein Publikum noch verstehen kann und nicht um die museale und, wie eben ausgeführt, meistens falsche Darstellung der Werke. Diese lässt sie ihre inhaltlichen Anliegen verlieren. Analog hat auch der immer wieder weithin gelobte Wiederaufbau Dresdens eine Kehrseite: Die Fassaden sind genauer als früher, alles ist präziser, der Geist hinter den Fassaden aber ist verändert. Es ist die Umkehrung der Archäologie. Genauso verhält es sich mit der „authentischen Aufführungspraxis” in der Musik.

Ein weiterer Grund an der zurückgehenden Bedeutung der Musik Beethovens liegt ebenfalls bei den Musikern selbst, die sich bewusst oder unbewusst in den Dienst der totalitären Umdeutung von Meisterwerken gestellt haben oder haben stellen lassen. Das deutlichste Beispiel ist sowohl bei Beethoven als auch bei Wagner die Tempowahl. In den 30er Jahren entstand in den Interpretationen nachweislich mehr und mehr ein falscher Heroismus, der sich in immer lauterer Spielweise (in Konkurrenz zu den aufkommenden Möglichkeiten der Verstärkung, die die Empfindungsschwellen der Hörer erheblich erhöht haben) und durch ständig langsamer werdende Tempi, die die Werke für den Missbrauch „passend“ machten, äußerte. Interessant ist, dass sich aber diese Erscheinung in ganz Europa und Amerika beobachten lässt. Selbst ein Toscanini hat die in den 30er Jahren immer langsamer werdende Wagner-Interpretation eines Furtwängler übernommen.

Schließlich hat die Kommerzialisierung unseres Lebens auch seinen Anteil an der Verdrängung humanistischer Werke: Wir sind dabei, unser Leben mit immer mehr unwesentlichen käuflichen Dingen zu umgeben. Wir sollten uns auf unsere Kultur besinnen. Wir leben in der so genannten Kultur des kommerziellen Starrummels, nicht in der Kultur der Inhalte. Auf den Plakaten stehen kaum noch die Werke, die gespielt werden. Man geht zu Herrn Soundso und Frau Soundso, weil man gelesen hat, dass diese etwas Besonderes sind. Das gipfelt in einem Beispiel, welches ich als Intendant der Dresdner Musikfestspiele erlebt habe: Eine Dame hatte sich eine der wenigen im Freiverkauf noch verfügbaren Eintrittskarten für ein Konzert mit Anne-Sophie Mutter für einen hohen Preis lange im Vorhinein gekauft. Einen Tag vor dem Konzert rief sie an und fragte: „Was singt sie eigentlich?“. Eine Umfrage an der Harvard-Universität nach Beethoven ergab, dass (aufgrund eines Filmes) unter den Studenten nur ein Hund dieses Namens bekannt ist. Diesen Erscheinungen sind Beethoven und andere zum Opfer gefallen.

- Der Rückgang der Wirkung Beethoven‘scher Musik im Licht der persönlichen Verantwortung des Einzelnen -
Ein weiterer Zusammenhang für den Rückgang der Pflege Beethovenscher Musik und damit seiner moralischer Wirkung auf die Gesellschaft liegt in der Haltung nicht nur der Musiker sondern deren wissenschaftlicher Sprecher. Am Beispiel von Theodor Adorno, dem führenden Kulturphilosophen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, lässt sich die Problematik der „Mitschuld“ der eigentlich humanistisch gebildeten Menschen an inhumanen Entwicklungen aufzeigen, die in Aussprachen des Gauleiters Mutschmann exemplarisch gipfeln als er sagte, er entsichere seinen Revolver, wenn er das Wort „Kultur“ höre. Das Beispiel zeigt, wie viel Zivilcourage humanistische Bildung braucht, um die vertretenen Ideale auch durchzusetzen und nicht ein noch so kleines Rad im Getriebe der Diktatur zu werden: Entgegengesetzt zur Entwicklung in der klassischen Musik und der Abspaltung der Unterhaltungsmusik hatte sich beim Jazz die Musik zum Artifiziellen entwickelt. Wurde in den 30er Jahren noch dazu getanzt, ist heute aus den meisten Stilrichtungen des Jazz eine Konzertform geworden. Theodor Adorno gibt mit seiner Ablehnung des Jazz in den 30er Jahren ein Beispiel von Opportunismus, wie er ihn später bekämpfte. Eigentlich hat er damit seine eigene Aussage über die Deutschen selbst diskriminiert, obwohl sie aus meiner Sicht richtig ist. Er schrieb: „Humanistic philosophy permeats Beethoven’s whole work and determines even the most subtle details of his musicianship. The lack of experience of this humanistic spirit reflects a vacuum ready to absorb the doctrines of totalitarianism. ... It is ...lack of experience of the imagery of real art, which is at least one of the formative elements of that cynism that has finally transformed the Germans, Beethoven’s own people, into Hitler’s own people.“ Es ist sicher wichtig, diese Behauptung an der persönlichen Haltung Adornos zu messen, weil diese exemplarisch für das Verhalten vieler Deutscher war und ganz allgemein auch heute eine menschliche Schwäche ist. Es sei in diesem Zusammenhang an historische Fakten erinnert: 1933 stimmten in Deutschland doppelt so viele Menschen (22,2 Mio.) gegen Hitler wie für ihn (11,7 Mio.). Trotz dieser Mehrheitsverhältnisse machte Adorno in den ersten Jahren der Nazidiktatur, bevor er 1937 emigrierte, erhebliche Kompromisse mit den Nazis, um veröffentlichen zu können. Insofern zeigt er ein in Diktaturen typisches Verhalten, das er - zu Recht - später selbst beklagt. So ist auch zu verstehen, warum Adorno z.B. das Verbot des „Jazz“ durch die Nazis begrüßt hat. Mit dem Verbot werde „nicht der musikalische Einfluß der Negerrasse auf die nördliche ausgemerzt; auch kein Kulturbolschewismus, sondern ein Stück schlechtes Kunstgewerbe". Auch plädierte er dafür, den gleichgeschalteten Rundfunk dazu zu nutzen, „entfremdete Musikwaren" wie Jazz oder Schlager aus dem Sender „herauszufegen". Adorno besprach in der Zeitschrift Die Musik im Juni 1934 auch die Vertonungen der Gedichte des Reichsjugendführers Baldur von Schirach. Der Zyklus von Heribert Müntzel hebe sich aus den jüngsten Chorpublikationen nicht nur heraus, „weil er als bewusst nationalsozialistisch markiert" sei, sondern auch durch seine romantische Qualität, „die Goebbels als ´romantischen Realismus' bestimmt hat." Es steht für Adorno 1934 außer Zweifel, dass „ein Stück wie Der Tote“- gemeint ist der darin erschlagene SA-Mann – „von der denkbar stärksten - und auch einer sehr originellen Wirkung sein muss". Adorno führte also deutlich das damals in einer Diktatur typische Doppelleben, um in Zeiten der politischen Repression mit relativ reinem Gewissen das Überleben zu organisieren. Ein Vorgang, der in der Verdammung „entarteter Kunst“ und in Bücherverbrennungen seine letzte Konsequenz fand. Jeder, der in einer Diktatur gelebt hat, weiß, dass - wenn man nicht emigrieren kann - Kompromisse gemacht werden müssen, um zu überleben. Adorno stellte da bis zur Emigration keine Ausnahme dar. Nur muss jeder für sich die Grenzen ziehen und Adorno hat diese offensichtlich sehr weit, oder besser, zu weit gefasst. In Sartres Stück „Die Eingeschlossenen von Altona“ wird aber genau dieses Verstecken hinter Zwängen und Vorwänden, die ständige Beteuerung, innerlich sei man anderer Ansicht gewesen, man habe nur äußerlich mitmachen müssen, als große Lüge dargestellt. In einer Welt der Jasager muss es die geben, die es wagen, nein zu sagen oder wenigstens zivilen Ungehorsam zu leisten. Nach Stalins Tod 1953 taten dies in der DDR eine Million Menschen, und ich musste erleben, wie auf dem Dresdner Postplatz russische Panzer in die demonstrierenden Menschen fuhren und sie einfach überrollten. 55 Menschen bezahlten den Aufstand im ganzen Land mit dem Leben, 5000 wurden eingesperrt. Während einiger Demonstrationen wurde Beethovens Musik gesungen! Ich denke, das Sartre das richtig darstellt und diese Einsicht bestimmte auch mein Handeln. Ich habe mich dem Missbrauch von Musik nach allen Kräften widersetzt, was mich letztlich eine meiner Positionen kostete und ein Berufsverbot in der DDR zur Folge hatte. Diese Politik war im Wesentlichen berechenbar und ich war mir der Folgen meiner Haltung bewusst. Wenn ich Adornos Kompromisse gemacht hätte, hätte ich auch weiter auftreten dürfen. Trotzdem folgte jeder mehr oder weniger dem Prinzip, das Joachim Gauck so ausdrückt: „Wir unterdrückten die Trauer über das Unerreichbare, um uns mit dem Erreichbaren zu arrangieren. Wir haben das Unnormale zur Normalität erklärt, um nicht vor Schmerz, Wut und Zorn erdrückt zu werden.“ Dabei darf man nicht vergessen, dass Joachim Gauck es mit der Kirche im Hintergrund noch etwas einfacher hatte. Dietrich Bonhoeffer hatte schon in der Nationalsozialistischen Zeit gesagt: „Wenn die Kirche den Staat ein Zuviel oder ein Zuwenig an Ordnung und Recht ausüben sieht, kommt sie in die Lage, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen.“ Musik spielte im Prozess des inneren und äußeren Widerstandes eine große Rolle der moralischen Instanz und des Trostes. Und so entstanden Liedpassagen wie die von Bettina Wegner: „... ich weiß nur sicher, dass ich bleiben musste. Dass unsere Ohnmacht nicht noch größer wird.“ Unliebige Künstler wie ich erhielten aus heiterem Himmel plötzlich die Genehmigung, mit der ganzen Familie auf Tournee zu gehen. Man hoffte, wir würden im Westen bleiben. Diese Freude wollten wir der Regierung aber nicht machen, obwohl zwischen 1949 und 1989 drei Millionen Menschen (jeder Fünfte) das Land verlassen hatten. Als wir im wahrsten Sinne des Wortes „ausgehungert“ wurden, mussten auch wir gehen. Auch in den anderen Künsten wurde versucht, jeden friedlich revolutionären Gedanken, wie er sich erst 1989 durch die veränderte weltpolitische Situation entfalten konnte, im Keime zu ersticken: Der Dessauer Maler Carl Marx sagte: „Mir schwant nichts Erfreuliches in Bezug auf die SED. Vor allem das Mittelmäßige. Der revolutionäre Kleinbürger maßt sich Fähigkeiten an und dirigiert ohne Gefühl, sogar ohne Verstand“. Im Frühjahr 1946 forderte Anton Ackermann als Mitglied im Zentralkomitee der SED auf dessen erster Kulturtagung als Ziel eine Kunst, die „dem Inhalt nach sozialistisch, ihrer Form nach realistisch“ sein sollte. Dagegen opponierten herausragende Künstler wie Fritz Cremer und später Wieland Förster. Auf dem V. Kongress des Verbandes Bildender Künstler der DDR 1964 hatte sich Fritz Cremer öffentlich gegen die kulturpolitische Dogmenenge in der DDR gewandt, die einen Pseudorealismus hervorbringe. Er verlangte für die Künstlerschaft des Landes „das Recht, die Pflicht und die Verantwortung“ zu einer „zweifelnden Kritik“. Diese Worte wurden von der Parteiführung in enge Beziehung zu Regime-kritischen Äußerungen von Robert Havemann gestellt. Man darf nicht vergessen, dass in diese Reaktionen Erlebnisse des von mir selbst erlebten Arbeiteraufstandes vom 17. Juni 1953 hineinspielten. Die SED hatte beschlossen, dass die Künstler im sogenannten „Bitterfelder Weg“ das „beglückende Erleben“ unter der Arbeiterschaft in allen Kunstformen beschreiben sollten. Erwin Strittmatter (selbst später als IM enttarnt) kommt dort in der Wirklichkeit an und schildert genau das, was die Partei nicht erwartet hatte. Nachdem ich Werke von Arnold Schönberg dirigiert hatte wurde ich exmatrikuliert und zur Arbeiterschaft strafversetzt. Man holte mich bald zurück, da ich dort die Wirklichkeit öffentlich gemacht hatte. In der DDR war die Überwachung von Kunst und Künstlern fast lückenlos, andererseits bewirkte der Widerstand gegen die Formalismus-Kampagne der sechziger Jahre mit dem daraus resultierenden Reformdruck ein allmähliches Ausweiten künstlerischer Freiräume. In der Zeit um die VII. Kunstausstellung (1972/73) fassten die Künstler mehr Mut, auch tabuisierte Themen in allen künstlerischen Gattungen zu gestalten, denn sie fühlten sich durch die Schlussakte von Helsinki und den Grundlagenvertrag mit der Bundesrepublik plötzlich in das Völkerrecht eingebunden und somit von außen gestärkt. Die jüngere Künstlergeneration wurde immer respektloser gegenüber Macht und Machtanmaßung der herrschenden Partei. In dieser Zeit, in der ich Dirigier- und Reiseverbot hatte, wählte mich ein junges Kammerorchester in Berlin zu seinem künstlerischen Leiter und setzte zusammen mit dem ZK-Mitglied Hans Pischner (damals Intendant der Staatsoper Berlin) durch, dass ich zumindest in diesem Haus auftreten konnte. Es war also nicht zuletzt die Künstlerschaft, die dazu beitrug, in der DDR das Tor zur Freiheit zu öffnen, die dazu beitrug durch ein die gesamte Existenz der DDR begleitendes Ringen um die für ihr Wirken unerlässliche Freiheit der Kunst. Diese Beispiele zeigen aber auch, dass selbst ein zunächst philosophisches, später ideologisches und schließlich diktatorisches System „Sozialismus“ nicht in der Lage war, Beethovens Traum von „Alle Menschen werden Brüder“ zu verwirklichen. In vielen Beispielen der Geschichte zeigt sich, dass jede philosophische Grundidee, wenn sie zur Ideologie wird, einen Machtapparat schafft, der die Freiheit einschränkt. Als Gutenberg den Buchdruck erfand, wurde sofort die Zensur erfunden, um nur das zur christlichen Ideologie Passende drucken zu lassen. Der Kommunismus, den es ja im eigentliche Sinne nie gab, hat dieses Unterdrückungssystem übernommen und bis zur perversen Perfektion ausgebaut. Solange Ideologien im „Kampf“ mit anders Denkenden stehen und dieser Begriff auch selbst bis zur kriegerischen Auseinandersetzung führt, werden sie sich von innen heraus selbst zerstören. Die Struktur des Menschen ist heute weniger denn je von den wirklichen humanistischen Gedanken durchdrungen, deren Teile eben die Kultur und Kunst sind. Der Beitritt der Länder der DDR war ja keine Wiedervereinigung, denn den für diesen Fall wichtigen Paragraphen aus dem bundesdeutschen Grundgesetz (Artikel 146 „Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“) hat man geduldiges Papier sein lassen und einfach politisch ignoriert. Die größte Chance für den Aufbau eines humanistischen Deutschlands hat man in diesem historischen Moment mit Hinblick auf den größeren ökonomischen Gewinn verschenkt. Diese Chance wird nicht wieder kommen. So ist auch die heutige Freiheit durchaus nicht so frei, denn heute definieren Manager, Galeristen und Kritiker, was Kunst ist. Sie arbeiten übereinstimmend an dem Marktwert von Kunstwerken in schnellem Wechsel modischer Richtungen. Die Beurteilung von Interpreten unterliegt dem gleichen Mechanismus. Die Abhängigkeit von der Meinung anderer hat ganz schlicht Unfreiheit zur Folge, denn der Erfolg wird nur noch materiell gemessen. So ist Kunst bei uns jetzt zuallererst eine Ware und keine Botschaft. Mit dem Verlust ihrer Freiheit verliert sie die Beethoven‘sche Dimension vollständig. Gute Kunst trägt deswegen eine Botschaft, die Komponisten haben immer dieses „Mehr“ gewollt, nicht nur eine ästhetische Klangkulisse.

Der Mensch ist verliebt in die Unsterblichkeit und deshalb ist er allzu empfänglich für Surrogate wie „Tausendjähriges Reich” oder Kommunismus. Die Ideale des Kommunismus, die in einigen Grundgedanken durchaus dem Urchristentum verwandt sind, haben nicht mit den Schwächen der Menschen gerechnet. Das kommunistische System ist an eben dieser Fehleinschätzung des Menschen im Allgemeinen gescheitert und an der daraus resultierenden Versteinerung des Systems, welches je nach Land unterschiedliche Ausrichtungen hatte: Von Chrustschows Theorie vom Aufbau des glücklichen Lebens bis zu Maos Kriegsaufruf, den Imperialismus zu vernichten. Dazwischen Ulbricht, der es diesen Beiden recht machen wollte und „sein“ Volk einmauern ließ. Alle Systeme aber haben sich unter unterschiedlichen Vorzeichen (bis hin zu Text-Umdichtungen) der Werke Beethovens bedient, wenn auch mit ständig abnehmender Tendenz. Ihren Platz nehmen flachere Surrogate ein, die keine Besserung der Menschheit versprechen, da mit ihnen die irrationale Kraft der Musik inklusive der wissenschaftlich bewiesenen positiven Effekte und Leistungssteigerung verloren geht. Heute ersetzen wir all diese Begriffe mit dem „Ideal“ des Wachstums. Für mich bleibt es erstaunlich, dass nur einige wenige Fachleute sehen, dass es ein endloses Wachstum nicht geben kann. Schon gar nicht, wenn wir unsere Kultur verlieren. Die Wachstumsgläubigkeit entspringt durchaus der Aufklärung und einem naiven humanistischen Fortschrittsglauben. Wir sollten aber heute größere Einsichten haben mit einem zumindest theoretisch weiter entwickelten Humanismus. Die öffentlich-rechtlichen Medien gehorchen immer mehr privatrechtlichen Grundsätzen, die sich nach Einschaltquoten richten. Eigentlich haben sie aber einen Bildungsauftrag, der erst in einem langen Prozess zu hohen Einschaltquoten führen kann. Es gerät heute in unserer „Spaßgesellschaft“ in Vergessenheit, dass Arbeit eine moralische Verpflichtung ist. Dies steht im Widerspruch zu sehr aktuellen Büchern wie dem von Steven Covey, der behauptet, dass niemand auf seinem Sterbebett sagen würde, er habe zu wenig gearbeitet. Künstler müssen das Unvergängliche schaffen, um die Vergänglichkeit zu überwinden. Nur so kann mit Faust gesagt werden: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“. Adornos Feststellung ist richtig, dass eben durch den Verlust der humanistischen Bildung auch ein moralischer Verlust eingetreten ist. Nicht richtig war, dies nur auf Deutschland zu beziehen. Richtig ist auch, dass Beethovens Musik immer gern von Diktaturen „gebraucht“ wurde, so wie auch Wagners Musik von den Nazis „gebraucht“ wurde. Missbrauch und Gebrauch von Musik sind so nahe beieinander wie Beethovens Verherrlichung von Napoleon und das von ihm zerrissenen Titelblatt der 3. Sinfonie, die ursprünglich ihm gewidmet werden sollte. Seine Träume, Hoffnungen und die Wirklichkeit prallen in seiner Musik aufeinander. Im Gegensatz zu Superman basiert Beethoven immer auf der Grundlage des Humanismus.

- Wenn Beethoven heute leben würde -
Beethoven, heute lebend, würde vermutlich in seinem Charakter und seinem Willen zur humanistischen Gesellschaft trotzdem Beethoven sein, denn beides hat sich bei ihm früh entwickelt und ihn unbeugsam gemacht, und heutige Humanisten zeichnet ein Gleiches aus. Das Massensterben vor Verdun oder in Stalingrad, Auschwitz und Hiroshima hätten seine Überzeugung, dass Kunst die Gesellschaft positiv beeinflussen kann, nicht verändert. Ich denke eher, dass seine Überzeugung noch stärker geworden wäre: Er musste sich durch die Taubheit am Ende seines Lebens mühsam mit Hilfe von Konversationsbüchern über die wichtigsten Fragen zum Leben und Überleben verständigen. Viel Raum, seine philosophischen Ideen weiter zu entwickeln, blieb ihm nicht. Hörend wäre er sicher noch radikaler in seinen Ansichten geworden, nicht aber in seiner Musik, die durch fehlende klangliche Kontrolle bei den Aufführungen die Extreme der Ausführbarkeit erreichte und überschritt (z.B. Missa solemnis, späte Streichquartette). Gleichzeitig hat dieses Leiden ihn aber auch sensibler gemacht, um Glaubensfragen und gesellschaftliche Fragen noch tiefer zu ergründen (9. Sinfonie, Anfänge der 10. Sinfonie). Übersehen dürfen wir auch nicht, dass Beethoven im Gegensatz zu der Mehrzahl der heutigen Komponisten genau für sein jeweiliges Publikum schrieb. So können wir bei ihm sehr einfache und volkstümliche Werke, die für entsprechende Anlässe geschrieben wurden, gegenüber außerordentlich tiefgründigen und kompositorisch kunstvollen Werken finden. Er komponierte immer im Hinblick auf den „Empfänger“. Bei den Klaviersonaten lässt sich gut ablesen, für wen er welches Werk geschrieben oder wem er es gewidmet hat. Beethoven würde (auch) heute nicht an seinem Publikum „vorbeischreiben“, sondern es „mitnehmen“. Er würde dies tun, um seine humanistische Botschaft heute noch dringender zu vermitteln. Eine Botschaft, die nicht aus dem Bruch mit der Vergangenheit resultieren würde, sondern aus der Weiterentwicklung dessen, was schon früher Komponisten immer getan haben: Die besten Dinge der musikalischen Entwicklung Europas in sich aufzunehmen und daraus etwas Neues zu schaffen. Das von Beethoven immer wieder postulierte „Alle Menschen werden Brüder“ entstammt zunächst der Religion, denn unsere mitteleuropäische Kultur und Politik ist auf religiösem Grund gewachsen und der hat sich fast nahtlos von den heidnischen bzw. griechischen Göttern bis zum christlichen Glauben aufgebaut. Christentum und utopische Sozialisten sind beide dem Judentum entsprungen und Europa ist aus der Idee des westlichen Christentums entstanden. Schließlich haben alle Glaubensformen immer an der vorherigen im Brauchtum - also der gelebten Form von Kultur - angeknüpft. Andererseits nimmt der Wunsch nach mehr Übersinnlichem in unserer rationalen Welt zu, nicht ab. Aber anders als früher basteln wir uns unseren Glaubensinhalt selbst zusammen. Dieses „Patchwork” hat aber keine kulturelle Formkraft. Weil uns die humanistische Bildung, der Adel des Geistes, immer mehr abhanden kommt, hören wir in Beethovens 9. Sinfonie oder in seiner Missa solemnis auch nicht mehr den Unterschied des himmlischen und des irdischen Friedens, kaum mehr Beethovens musikalische Diskussion um Glaubensfragen. Wir hören nicht, wenn Beethoven seine erste Anrufung des Kyrie bereits als Fragezeichen etabliert, in dem er es entgegen aller Tradition mit einem Auftakt, also nicht mit der Bach‘schen Überzeugung des Volltaktes, beginnen lässt. Heute lassen wir uns in der Mehrzahl einfach nur unterhalten. Es ist für einen Musiker wie mich ein Geschenk, wenn z. B. nach der Aufführung von Beethovens Missa solemnis im Leipziger Gewandhaus eine Hörerin zu mir kommt und tief bewegt erzählt, dass meine Interpretation des Werkes ihr die Augen geöffnet und sie von einer Antichristin zur Gläubigen gemacht habe. Beethovens Zweifel am Gott-Glauben (Beethoven fühlte sich viel mehr zum lebenden Christus hingezogen und zur Göttlichkeit der Natur) hatten dieser Hörerin durch die musikalisch ausgedrückten Fragen das menschliche Potential und die menschlichen Schwächen gezeigt und ihr die Kraft gegeben, sich in den wahren Humanismus zu vertiefen. Das Phänomen der heutigen Beliebtheit der Musik Gustav Mahlers zeigt, dass er die Beethoven‘schen Ideen kritisch weiterentwickelt hat und zum „Weltumarmungszyniker“ geworden ist, der die empfindlichen Stellen heutiger Menschen trifft.

- neue Hoffnung für Beethoven -
Alle europäischen Sprachen sind voll von griechischen und lateinischen Worten, aber wir haben die Basis verloren, diese verbindenden Elemente zu erkennen.
China ist dabei, an Europa und Amerika demographisch, industriell und geopolitisch vorbeizuziehen. Latein und Griechisch wird dort schon mehr Schülern unterrichtet als in ganz Europa. Die Chinesen tun dies, um unsere Kultur verstehen zu lernen. Dabei wird auch die europäische klassische Musik, wie schon seit hundert Jahren in Japan, eine immer größere Rolle spielen. Wir werden unsere Kultur eines Tages aus Asien wieder zurückbekommen, nur hat sie dann einen großen Teil des geistig-kulturellen Hintergrundes und ihre politische Wirkung verloren. In den Slums von Kinshasa mit dem Kinshasa Symphony Orchestra zündet Beethovens „Götterfunken“ in einer ganz anderen Weise (es gab gerade einen eindrucksvollen Film zu diesem Thema beim rbb). Damit dürfte auch der Beweis der gesellschaftsbindenden und -fördernden Wirkung der Musik und des Musizierens nach „Simon Bolivar“ in Bolivien - unter ähnlichen katastrophalen Umständen - ein weiteres Mal erbracht sein. Nur in Europa vergessen wir das immer mehr, weil wir im Wesentlichen den Luxus im Auge haben. In Kinshasa muss man schon mal eine gerissene Geigensaite durch einen Fahrradbremszug ersetzen, nur um die Idee mit ihrer Wirkung nicht zu verraten. Grundlagen der humanistischen Bildung sind da sicher nicht gegeben, die zum tiefen Verständnis der Werke hilfreich sind, doch entfalten die Meisterwerke ihre Kraft in ihren anderen Aspekten auch dort. So kann man zumindest feststellen, dass die rückgängigen Aufführungszahlen Beethoven‘scher Werke in Europa durch die Globalisierung teilweise kompensiert werden.

- was ist zu tun?-
Natürlich stehen die sozialen Fragen als Kreuzweg für die Zukunft der Menschheit. Aber wenn der Sozialismus – wie wir ihn gesehen oder, wie ich, selbst erlebt haben - die bürgerliche Kultur der ohnehin abnehmenden humanistischen Bildung zensiert und zerstückelt und der Kapitalismus teilweise das Gleiche tut, muss es zum Desaster kommen. Aber auch in unserem heutigen europäischen System hat sich eine gefährliche „Mode“ breit gemacht: „Es muss anders sein”, was nicht bedeutet, dass es besser sein muss. „Neu“ muss es sein, ohne dass man weiß, was dieses „Neu“ in seiner Konsequenz bedeutet. So ist es auch beim Bildungssystem: Das DDR-Bildungssystem ist von Finnland ohne den ideologischen Ballast übernommen worden und hat sich zum führenden Bildungssystem in Europa entwickelt. Nach dem Beitritt der DDR zum Grundgesetz der BRD musste alles anders gemacht werden. Besser ist es - abgesehen von der ideologischen Bereinigung - nicht geworden. Die Bildungsdebatte hat eine noch größere Schieflage gekommen. Heute wird fast nur noch über berufsqualifizierende Ausbildung gesprochen. Über Bildung im umfassenden, humanistischen Sinne wird kaum gesprochen, dabei wissen die Fachleute schon lange, dass auch musisch gebildete Menschen beweglicher und kreativer im Kopf sind. Wer ein Instrument beherrscht, der beherrscht auch die Koordination zwischen Auge und Hand besser. Denken und Tun ist weit besser als bei denen, die kein Instrument spielen oder zumindest singen. Der Maler Oskar Schlemmer meinte: „Kunst dient! Dient in einem letzten höchsten Sinn.“ Genau das werden wir in der Reizüberflutung unserer heutigen Welt brauchen. Wir Menschen brauchen Bildwerke, Musik, Literatur, Architektur, die unsere eigenen Empfindungen, Hoffnungen und Sehnsüchte vertiefen, die uns helfen, zu Besonderheit und dem Bewusstsein unserer selbst zu finden.

Wir müssen erkennen, dass der Adel des Geistes, wie Rob Riemen ausführlich in seinem wichtigen Buch dargelegt hat, die wahre Freiheit bedeutet. Freiheit ist laut Karl Marx „Einsicht in die Notwendigkeit“ und diese kann nur auf einem moralischen Fundament aufgebaut sein. Und wie bereits gesagt: Arbeit ist eine moralische Verpflichtung. Der Adel des Geistes ist das einzige Korrektiv in der menschlichen Geschichte und die wahre Kunst der Menschwerdung. Wenn dieses Ideal verschwindet, verschwindet alles. Auch Europa. Nur auf der Basis geistiger Normen ist Freiheit möglich. Dabei ist die Sehnsucht nach der Freiheit möglicherweise eine noch größere Kraft als die Freiheit selbst. In der DDR konnte man lernen, sich nach der Freiheit zu sehnen. In der BRD bekam man sie mit der Geburtsurkunde.

Wir sind uns in Mitteleuropa einig darüber, Diktaturen zu bekämpfen. Aber warum sind Diktaturen manchmal über zu lange Zeit erfolgreich? Weil sie u.a. alle ein umfängliches und meist kostenfreies Jugendprogramm haben, welches künstlerische Betätigung fördert. Die Demokratien sollten ihre Jugendprogramme ausbauen. Die Kosten, die das erfordert, werden schon eine Generation später bei der Sozialhilfe und bei der Bekämpfung der Kriminalität doppelt eingespart werden können. Es gibt keine noch so primitive Menschengemeinschaft ohne Musik. Mathematik, Musik (früher ein Teil der Mathematik) und spekulatives Denken sind im materiellen Sinne - scheinbar - nutzlos. Aber die inzwischen wissenschaftliche bewiesene Wirkung der klassischen Musik, von der höheren Leistung der Milchkuh bis zur größeren Leistungsfähigkeit von Kindern, die mit klassischer Musik aufwachsen, erbringt am Ende auch materiell greifbare Ergebnisse. Allerdings dürften diese materiellen Ergebnisse nicht im Zentrum der Kunstdiskussion stehen, denn Kunst hat nicht die primäre Aufgabe, „rentabel“ zu sein und muss sich nicht über die Wirtschaftlichkeit definieren. Die Verantwortungsträger verlangen aber immer wieder diese Diskussion. Leider gibt es trotz der wirtschaftlichen Erkenntnisse über die Wirkung von Kultur und Kunst keine entsprechenden politischen Entscheidungen - im Gegenteil: Trotz „Wachstum“ wird im Bereich der Kultur überall und zuerst gekürzt. Alles, was nicht unmittelbar in Geldwert auszudrücken ist, wird „weggespart“, denn Politik denkt nur in Wahlperioden. Kunst und Kultur aber müssen in Menschheitsdimensionen schaffen und denken.
Die weltweite Wirtschaftskrise wird einer Studie der auf die Kulturbranche spezialisierten Münchner Unternehmensberatung Actori zufolge zeitversetzt auch bei den Kulturinstitutionen zu Finanzierungsengpässen führen. Vor allem bei öffentlichen Zuschüssen und Sponsorengeldern sei 2010 und 2011 ein deutlicher Rückgang zu erwarten, während die Erlöse aus Kartenverkäufen voraussichtlich stabil blieben. Die weiterhin gute Auslastung vieler Bühnen könne darauf zurückzuführen sein, dass die Menschen auch oder gerade in Krisenzeiten „sinnstiftende oder auch ablenkende Angebote wahrnehmen“, die sie sich offenbar vor allem von renommierten Opern- und Konzerthäusern erhofften. Eine aktuelle österreichische Studie belegt: Musik ist bei den Menschen beliebter als Sport, auch wenn sportliche Großereignisse manchmal einen anderen Eindruck vermitteln. Die öffentliche Hand müsse 2010 in Deutschland mit Steuermindereinnahmen von 85 Milliarden Euro rechnen. Es werde „entscheidend auf die Reaktion der Politik ankommen, ob das Niveau der bisherigen öffentlichen Kulturfinanzierung gehalten werden kann“, schrieben die Autoren der Studie. Hier ist wieder zu erkennen, was im Verhältnis zur Kultur in Krisensituationen immer geschieht: Es geht nicht mehr um Ideen und Visionen, es geht einfach nur um Geld ohne Rücksicht auf längerfristige Folgen. Tendenziell am wenigsten betroffen von der Krise seien die Karteneinnahmen. Nach einer Actori-Umfrage vom Winter 2009 hatten 54 Prozent der befragten deutschen Kultureinrichtungen in den davor liegenden zwölf Monaten noch keine Auswirkungen der Krise auf die Besucherzahlen, 22 Prozent sogar einen steigenden Publikumszuspruch gemeldet. Zeitversetzt werden wir den großen Niedergang erleben, der sich jetzt in ersten politischen Beschlüssen schon manifestiert. Wieder wird zuerst bei der Kultur gekürzt werden: Dies ist das größte Missverständnis der Regierenden unserer Zeit. Aber man rechnet eben mit der zeitversetzten Wirkung der Entscheidungen, die später andere treffen werden. Berlusconi ist auch hier wieder einmal Negativ-Beispiel Nummer eins in Europa, dem die neue Regierung in Den Haag allerdings noch den Rang ablaufen will. Demgegenüber kann man nur rufen: Humanistische Bildung ist ein Bürgerrecht. Ihre Verweigerung ist inhuman und im höchsten Maße wirtschaftsschädigend, denn die Bildungsverlierer von heute sind die wirtschaftlich Abhängigen von morgen.
Stellt echte Kultur auf den ersten Platz und Europa wird überleben.


short english version:

-Why did Beethoven have this faith in the brotherhood of man and why did he expect that art/high culture can contribute to that ideal of civilization?

Beethoven believed in the moral power of art and in the global impact of the principles of the French Revolution. He was convinced that those in power understand the signals of art, just as later in the Soviet Union the people understood the hidden signs in art.

There is for instance the ‘ya’ = ‘I’ at the end of Shostakovich’s Fifth Symphony (DSCH who does not allow himself to be broken) as an answer to Stalin’s criticism of the Fourth Symphony; or Siegfried Matthus’s hidden signs in Responso, which the people of the GDR understood. Theatre stagings also developed revolutionary force, and art played a big part there in the peaceful revolution. Music and art as a revolutionary force.

Beethoven used signs such as Schiller’s ‘Freude’, ‘Joy’, which actually meant ‘Freiheit’, ‘Freedom’, as everyone knew. However, understanding this presupposes that people were able to decipher these signals. In Beethoven’s time, this was absolutely the case. The example of the motif with which the Fifth Symphony begins, …_, which was introduced into Morse technique as ‘V for Victory’ as a sort of technical translation in 1838 (and standardized in 1865), shows how deeply art ran through society.

This in turn presupposes a general humanistic education, which we are losing nowadays or which has been lost for the largest part. Beethoven believed in the humanistic education of the rulers of his time and in his surroundings, and in the effects of art as formulated by Schiller. The noblemen in power had all received a musical and artistic education (see for instance the Archduke Rudolf). Today, a member of the government with an artistic, let alone musical education is the exception. Helmut Schmidt was perhaps the last German government leader to have such qualities. These days, those in power are generally no longer susceptible to artistic means. They cannot even be provoked by them, something which can still be said after all of dictatorships nowadays.

-Why did it fail?

In our modern European society, art has degenerated into entertainment. In Germany, this is callt the ‘Spaßgesellschaft’, the ‘pleasure society’. There is no place for philosophical thought there. Just look at the development of the media, at how little space the arts occupy there. The official statistics show a decline of around 50 percent, both on the television and in the newspapers.

But there are also other reasons, which came before, and social responses are always late:

When in Vienna, a ‘temple’ was built for Beethoven and he was turned into a hero, the composers of those days moved away from their public and, with few exceptions, withdrew into elitist places, not claiming social relevance for music. More and more, their performances came to include the musical ‘inheritance’, not the contemporary music of those days. Light music inevitably became an independent genre, yet it did not claim a Schillerian role for art any more than Beethoven’s ‘music for consumption’ did.

As specialization occurred in all areas, the general humanist education was pushed to the background. Anything that cannot immediately be expressed in monetary value is ‘economized on’, although everyone always only speaks of ‘growth’.

In the course of specialization in all areas, music has also produced (professional) specialists with enormous technical skills, the great majority of whom have, however, not properly studied the spirit of the piece. Because of this, only the standard of perfection has gone up. At the same time, the number of ‘music lovers’ who recognise the contents thanks to their general education has decreased. Who plays Beethoven’s works with four hands at home these days? Back then, any major work was usually adapted for home use by the composer himself. Even Beethoven adapted his Große Fuge for four hands for a better understanding, in order to make it accessible to a larger audience. The CD cannot replace the practice of playing oneself.

Hardly any conductor who is not acknowledged as a ‘specialist’ by the media would dare nowadays to perform a Beethoven symphony. The number of performances of Beethoven’s works has gone down dramatically over the last 50 years. Let us take a work, for instance, which is hardly played anyway, for instance by the Wiener Symphoniker: the Coriolanus Overture. Between 1900 and 1950, it was played 107 times. That is 2.14 times on average per year. In the 1960s, it was played 12 times: 1.2 times on average per year. Then afterwards and up until now, only 4 times in 10 years, which makes an average of 0.4 times per year. Nobody knows the figure of the rebellious Roman patrician anymore, who was banished and who, with the Volscians (an Italian people), wages war against his own hometown, and so the musical narration hardly raises any interest either.

One of the reasons also lies with the musicians themselves: with their so-called ‘historically informed performance practice’. It pretends to have the works sound as they would have done in for instance Beethoven’s time. This is a postulate which is based on a fundamentally mistaken assumption: there is no historical public, and so, even the most perfect copy of a historical performance cannot even remotely achieve what it could achieve back then. -- Of course, a thorough study of sources is (actually) indispensable for any interpreter of music. --
But nowadays, knowledge feeds on secondary sources and semi-knowledge. For that reason only, the entire ‘historically informed performance practice’ is questionable.

To only name three examples: today, there is a standardised ‘historical chamber tone’, which did not exist at all back then, so that this music can be marketed internationally. So we hear the classical pieces rather consistently in the wrong key when they are played on ‘historical’ instruments.

The same goes for the question of vibrato. It is claimed time and again that no vibrato was played until the beginning of the twentieth century. A typical example of semi-knowledge: everybody refers to a sentence in Leopold Mozart’s Violinschule, which reads: ‘There are already players who tremble consistently at each note, as if they had perpetual fever’ (page 243). Basically, this sentence itself already refutes this theory; after all, it affirms the opposite conclusion: that there already existed a prolonged vibrato in Mozart’s time. It is clear, however, that nobody reads what comes just before or also a couple of pages further ahead, where Mozart gives elaborates instructions for the most diverse sorts of vibrato and ends by saying: ‘so one ought to (…) apply oneself to coping this suspension between tones (that is, vibrato) exactly.’ ‘Nature (the voice) is our teacher in this’ (p. 243).

And a third example: these days, when one conducts a Beethoven symphony in a venue like the Concertgebouw with a large string section and the double amount of wind instruments, one can be sure of devastating critiques, because one is apparently not respecting the ‘historically correct’ small size of the orchestra. I have never read that a reviewer ever went through the trouble of comparing for instance the site of the first performance of the Third Symphony in Lobkowicz Palace, which according to its current website can accommodate sixty people, which in this case means 35 musicians and a maximum of 25 listeners, and which has about 100 square meters of floor space, to the Concertgebouw, which accommodates 2000 listeners and 120 musicians, and of placing the effect, which Beethoven intended, in an acoustic and thus adequate orchestra strength. The composers of Beethoven’s time knew this, however, and tried, whenever they played in bigger rooms, to enlarge the orchestra strength correspondingly. (Mozart even took the opportunity to make his wind section four to six times bigger.)

What we should care about is the contents that can be put across, which a contemporary audience can still understand, and not the historically motivated (and as argued before, usually mistaken) representation of the works. A representation which has caused these works to lose their contents.

The constant high praise of Dresden’s reconstruction has a tragic side, too. The façades are more exact than they used to be, everything is more precise. But the spirit behind the façades has changed. This is exactly the way it is with the ‘historically informed performance practice’.

-Adorno

‘Humanistic philosophy permeates Beethoven’s whole work and determines even the most subtle details of his musicianship. The lack of experience of this humanistic spirit reflects a vacuum ready to absorb the doctrines of totalitarianism. The German boy of our age who has no longer heard, as his father might have, the Kreutzer Sonate played by his friends of his parents, and who never listened passionately when he was supposed to go to bed, does not
merely miss a piece of information. The fact that he has never been swept away emotionally by the tragic force of this music bereaves him somehow of the very life phenomenon of the humane. It is this lack of experience of the imagery of real art, which is at least one of the formative elements of that cynism that has finally transformed the Germans, Beethoven’s own people, into Hitler’s own people.’

Adorno: What National Socialism Has Done to the Arts (1945). (Gesammelte Schriften Band 20:2, Seite 413ff, Suhrkamp, written in English)

Adorno blames the decultivation of the Germans: “Art is no longer a decisive mean to express fundamentals about human existence and human society, but a consumer good without any intrinsic of compelling meaning of their own.’

First of all: in the first years of the Nazi dictatorship, before he emigrated in 1937, Adorno collaborated with the Nazis to a considerable extent in order to be able to publish. In doing so, he typically takes part in the behaviour which he -- rightfully -- criticises. This also explains why, for instance, he welcomed the Nazi prohibition of jazz. (The prohibition did not ‘eradicate the musical influence of the Negro race on the northern race; nor did it eradicate cultural bolshevism, but a piece of bad art practice.’ He also advocated the use of the ‘coordinated’ radio to ‘swipe’ the station ‘clean’ of ‘estranged musical goods’ such as jazz or pop music. In 1934, Adorno reviewed the poems V of Reichsjugendführer Baldur von Schirach which had been put to music in the journal Die Musik. According to him, the cycle of Heribert Müntzel did not only stand out among the latest writings for choir ‘because it was consciously conceived as national-socialist’, but also by its quality: ‘An image of a new Romanticism is probed: perhaps of the kind which Goebbels has called “Romantic realism”.’ To Adorno, there is no doubt about the fact that ‘a piece like “The dead man”’ -- which refers to the dead SA-man -- ‘can only have the most powerful effect imaginable, a very original effect at that.’ Adorno thus led the typical double life in a dictatorship in order to organise his survival in times of political repression with a relatively clean conscience.) A sort of behaviour which was continued in Entartete Kunst, degenerate art, and in book burnings.

Anyone who has lived in a dictatorship knows that one has to compromise -- if one cannot emigrate -- to survive. Until his emigration, Adorno formed no exception. He rightfully observes that the very loss of humanistic Bildung is accompanied by a moral loss. This, however, does not go for Germany alone. It is also true that Beethoven’s music was always gladly ‘used’ by dictatorships, just as Wagner’s music was used by the Nazis. But the musicians themselves are also guilty of that, the musicians who have consciously or unconsciously allowed themselves to serve, or to be put at the service of, the totalitarian reinterpretation of masterpieces. The clearest example both in Beethoven and in Wagner is the choice of tempo. In the 1930s, the interpretations demonstrably began to exhibit a false heroism, which expressed itself in the ever louder way of playing (in competition with the recent possibilities of amplifying the music which had expanded the boundaries of what the audience could tolerate) and by tempos that were getting slower and slower, which made the works ‘suitable’ for abuse. It is interesting, however, that this phenomenon was continued in the whole of Europe and America. Even someone like Toscanini copied the Wagner-interpretations of Furtwängler and others, which had become slower and slower in the course of the 1930s.

I have resisted the abuse of music with all my powers, and in the end this cost me one of my positions and led to my being banned from my profession. If I had compromised like Adorno, I also would have been allowed to continue performing.

-Imagine Beethoven had lived today. His hearing problems might have been
fixed or prevented by modern medical techniques, so that he would not
have gone deaf at the end of his life. How would this have influenced his
music, and the meaning of his music? How would it have influenced the
message he wanted to convey?


Beethoven would still be Beethoven in his character and his will to a humanist society, for both of these had developed early in him and made him unflexible. His conviction that art influences society would not have changed. Quite to the contrary, I think: his deafness made it necessary for him to express himself with difficulty on the most important questions on life and survival, by using notebooks. He did not have much room to further develop his philosophical ideas. If he would have been able to hear, he would certainly have become even more radical in his convictions. He would not have become more radical in his music, however, which touched or exceeded the limits of what could be performed due to his lack of control of the sound. (For instance, Missa solemnis, late string quartet.) At the same time, this suffering also made him more sensitive, so that he could ask questions of faith and society (Ninth Symphony, beginning of the Tenth) in a more profound way.

Nor should we forget that Beethoven, contrary to the majority of contemporary composers, wrote especially for the audience of his time. So, we can find very simple and popular works of Beethoven which were written for matching occasions, but also extraordinarily deep works of intricate composition. He always composed with the 'recipient' in mind. In the piano sonatas, it is very clear for whom he wrote which work, or to whom he dedicated it. Nowadays, Beethoven would not 'write past' his audience (either), but he would 'take it along'. He would do this in order to convey his humanistic message with even more urgency today. A message which would not result from breaking with the past, but from the continuation of that which composers have always done before: to absorb the best parts of Europe's musical development, and to make something new out of them.

-What is the locus of the brotherhood of man: culture, politics, religion?

First, religion, for our Middle-European culture as well as politics have sprung from religious ground, and this is a process which continues seamlessly, starting from the heathen and Greek gods right up until Christian faith. Christianity and utopian socialism both sprang from Jewry, and Europe grew out of the idea of Western Christianity. After all, all forms of faith have always been connected to the one that was previously practiced -- the lived form of culture --.

On the other hand, the longing for more transcendence is growing in our rational society, not lessening. But unlike before, we patch together our very own belief. But this ‘patchwork’ does not have the power to shape culture. While humanist Bildung, the nobility of spirit, becomes more and more lost to us, we no longer hear the difference between heavenly and earthly peace in Beethoven’s Ninth or in his Missa solemnis, and the same can almost be said for Beethoven’s musical discussion of religious questions. We let ourselves be entertained.

Man is in love with immortality and for that reason he is all too susceptible to surrogates such as the ‘Thousand-Year Reich’ or communism. The ideals of communism, which are fully related to primitive Christianity where some of the basic principles are concerned, did not take into account the weaknesses of men, and for that reason, they failed. But all of these have, in various ways (up until rewritings of texts), used the works of Beethoven, even though this tendency drops consistently, since weaker surrogates take its place. This does not promise an improvement of humankind, since even the irrational power of music, including its scientifically demonstrated powers of improvement and performance enhancement get lost along the way. Today, we replace all of these concepts with the ‘ideal’ of ‘growth’. It remains stunning to me that only a very few professionals see that there cannot be endless growth. Particularly if we lose our culture. The public media obey the principles of the private, which are determined by audience ratings. But they actually have an educational mission, which can only lead to high ratings through a long process.

-What is it that we now expect from art and culture; which role does it play in contemporary society?

Our ‘pleasure society’ is now beginning to forget that work is a moral obligation. This is entirely contrary to recent books like the one by Stephen Covey, who claims that no one would say on their deathbed that they had worked too little. Artists have to create the immortal, so that they can surpass mortality. Only in this way can we say with Faust: ‘He who always strives to work hard, him we can save.’ (Faust II Angels)

There is no human society, no matter how primitive, without music. Music (which used to be part of mathematics), mathematics, and speculative thought are -- apparently -- useless, materially. But the influence of music, which has been demonstrated scientifically in many ways, from the heightened production of the milk cow to the better performance of children who grow up with classical music, leads to tangible material results in the end. Only this knowledge does not lead to political decisions: quite to the contrary, in spite of ‘growth’, culture is always the (first) to suffer budget cuts.

All European languages are full of Greek and Latin words, but we have lost the basis which would allow us to recognize these connecting elements. China is about to surpass Europe and America demographically, industrially, and geopolitically. In due course, European classical music will play an ever bigger role, like it did over the past 100 years in Japan. One day Asia will give us back our culture, except that our culture will then have lost its spiritual and cultural background and its political impact.

We are about to surround ourselves with ever more unimportant things we can buy and which are made in China. We should think about our culture. We live in a so-called culture of commercial obsession with celebrity, not in a culture of content. On the posters, the works that are played can hardly be found. One goes to see Mr such-and-such or Ms such-and-such because one read that they are something special. An example which I witnessed as manager of the Dresdner Musikfestspiele just says it all: a lady had bought one of the few tickets available on the open market to a concert of Anne-Sophie Mutter, for a high price and a long time in advance. One day before the concert she called up and asked: ‘What is she going to

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