Aktuelles

07. Februar 2004

Pressekonferenz "Dresden wählt Kultur" 6.2.2004

Die Intendanten der Stadt Dresden wehren sich gegen den Kulturabbau

Prof. Hartmut Haenchen

Rekonstruktion der Ansprache auf der Pressekonferenz der Dresdner Intendanten im Studiotheater des Kulturpalastes. 6.2.04, 14.30 Uhr

Vorangestellt die Verlesung des Protestbriefes von Prof.Peter Rösel, der mir soeben übergeben wurde:

Prof. Peter Rösel
Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste
Dresden 6.2.2004

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roßberg!

Jetzt haben wir also die Erklärung. Nicht Fehlplanungen wie zum Beispiel Wiener Platz und Waldschlößchenbrücke tragen Mitschuld an der finanziellen Misere der Stadt Dresden, sondern es ist die Kultur, vor allem die musikalische.

Deshalb die Lösung:
Theater der jungen Generation kaputtsparen.
Operette kaputtsparen.
Philharmonie kaputtsparen.
Für Festivals in den Westen fahren, Musikfestspiele abschaffen.
Kulturstandort Dresden auch.
Was denken sich die Verantwortlichen dabei? Denken sie überhaupt?

Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg sagte vor etwa 350 Jahren: „ Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.“
Haben wir den Untertanengeist zugunsten des aufrechten Ganges wirklich schon abgelegt?

Nach dem 2. Weltkrieg sind Dresdner, denen die Kunst Herzenssache war, im Winter zu Fuß ins Kurhaus Bühlau gelaufen. Sollen sie es heute irgendwem gestatten, sich ihre Errungenschaften ohne Widerstand aus der Hand nehmen zu lassen?
Dürfen sie es zulassen, dass das Bild einer Nation, die sich nicht zuletzt durch ihre vielfältigen kulturellen Leistungen im Lauf der Jahrhunderte einen geachteten Namen in der Welt erworben hat, eine weitere Trübung erhält?

Nein, das dürfen sie nicht! Jeder ist aufgerufen, seinen Protest zu artikulieren.


Prof. Peter Rösel



Entsprechend des Zitates des Kurfürsten erhielt ich heute ein Fax des Oberbürgermeisters Ingolf Roßberg, dass ich meine Pressebemerkungen
„mit öffentlichen Angriffen gegen Ihren Dienstherren verbinde, findet meine Missbilligung und ist eine Verletzung Ihres Vertrages mit der Landeshauptstadt Dresden.“
Ich dürfte also nach Willen des OB hier nichts sagen. Ich kenne aber diese Art des Redeverbotes aus meinen DDR-Erfahrungen. Deswegen ist meine Stasi-Akte auch so dick.

Der Herr Oberbürgermeister hat die Form der Kommunikation über die Presse gewählt. Ich habe mich lediglich auf seinen Stil eingestellt. Wie alle Kollegen Intendanten sind aber auch die DMF über die Entschlüsse der Klausurrunde beim OB durch die Medien informiert worden. Der Wunsch aller Kollegen Intendanten wäre es, wenn Probleme – bevor sie an die Öffentlichkeit kommen -besprochen würden und gemeinsam nach Lösungen gesucht würde.
Nun ist es aber noch schlimmer, dass unser Pressesprecher von Journalistenkollegen erfuhr, dass der OB eine Pressekonferenz geben wird. Daraufhin versuchte unser Pressesprecher Herr Ernst an dieser eigentlich öffentlichen Sitzung teilzunehmen. Ihm wurde dies ausdrücklich von einer Mitarbeiterin des Pressesprechers der Stadt untersagt.
Das Zahlenwerk der Stadt (in Form einer Pressemitteilung) ist schließlich doch in unsere Hände gelangt.
Wenn man es aufmerksam liest – vor allem im klein Gedruckten – stellt man fest, dass die Zahlen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.

Als einer der Hauptgründe für die Streichungen werden die steigenden Belastungen im Sozialbereich (+ 15 Mio gegenüber 2002) genannt. Die Sozialhilfelasten haben 146 Mio erreicht. Diese Zahl ist als Ausgangspunkt schon falsch, denn im klein Gedruckten nennt das Papier 717 gestrichene Stellen im städtischen Bereich bis 2007. Auch diese Zahl stimmt nicht, denn es werden als Folge der Streichungen weit über 1000 sein. Die Folgen des katastrophalen Einstellungsstopps im Kulturbereich noch nicht mitgerechnet.
Die als Ausgangspunkt der Konsolidierung genannte Summe muss als minimal mit 6 Mio pro Jahr erhöht werden. Die vorgegebene Konsolidierung ist nicht erreicht.
Im ganzen Vorwort der Pressemitteilung ist keine Rede von den verschleuderten Geldern am Wiener Platz, von der Messe, von der Brücke und von den ungenutzten Computerprogrammen, den überflüssigen Gutachten und von dem stillschweigend mit viel Investitionen eingeführten neuen Steuerungsmodell, welches stillschweigend gekippt wurde, obwohl es Vertragsgegenstand fast aller Intendanten ist.
Hier liegen die wirklichen Reserven. Für das Geld, welches hier nutzlos ausgegeben wurde, könnte das Theater der Jungen Generation mindestens 10 Jahre hervorragendes Theater machen.

So fehlerhaft der Ausgangspunkt ist, so fehlerhaft sind die Einsparzahlen.
Die bei den DMF angegebenen 1.55 Mio können 2007 nicht eingespart werden, weil sowohl personelle, als auch künstlerische Verträge mindestens die Hälfte der Summe ohne jeglichen Nutzen verschlingen würden.

In der Zeile „Schließung der Dresdner Musikfestspiele“ steht lapidar
„Bund beendet Förderung 2006“
Dies ist eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.
Mir liegen zwei Briefe von Frau Dr. Weiß vor:
Am 15.Januar d.J. schreibt sie an den OB: „mittelfristig wird die Einstellung der regelmäßigen Bundesförderung zu erwarten sein.“ Weder ein Datum, noch eine generelle Ablehnung einer weiteren Förderung. Im zweiten Teil des Briefes wird ausführlich dargelegt, wie das Land Sachsen mit Mitteln aus dem Solidarpakt II in Zukunft die fehlenden Bundesmittel auffangen kann. Der Oberbürgermeister wird ausdrücklich aufgerufen, mit dem Land darüber zu verhandeln. Dies ist nach meiner Kenntnis nicht geschehen und die Stadt behauptet, dass das Land auch die Zahlungen einstellen würde ohne auch je den Versuch unternommen zu haben, den Empfehlungen der Bundesregierung zu folgen. Das Lnad Sachsen hat inzwischen dementiert, die Zahlungen einstellen zu wollen.
In einem Brief vom 17.Oktober 2003 an mich wird eine Fördersumme von 250.000 Euro in Aussicht gestellt mit folgender Bemerkung: „dass die Dresdner Musikfestspiele ab 2005 mit einer schrittweisen Verringerung der Bundeszuwendung zu rechnen haben.“
Von einer vollständigen Einstellung für 2007 ist keine Rede.

Aber selbst wenn die Zahlen richtig wären, die im Sparkonzept der Stadt stehen, unterliegt die Stadt einem gravierenden Rechenfehler.

Wenn man die aus den Medien hinlänglich bekannten unabhängigen Untersuchungen in Zürich und Wien (die sich beide unabhängig voneinander auf Kulturinstitute beziehen, die wie die DMF mehr als 30% Auswärtige beziehen) dann muss man bei 2 Mio Subvention (alle Zahlen beziehen sich auf 2003) die Subventionssumme mit 1.15 multiplizieren.(Dies sind die rückfliesenden Einnahmen pro Subventionseuro)
Das ergibt: 2.300.000
Das Land Sachsen gibt 345.000
Der Bund 335.000
Kartenverkauf 537.000
Sponsoren und Drittmittel 630.000
Gesamtbetrag 4.147.000

Von diesem Betrag muss man
den Subventions-Betrag der
Stadt Dresden 1.324.700
wieder abziehen
und ebenso die Beträge der
Künstlergagen die nicht in
Dresden bleiben, obwohl
natürlich durch den Aufenthalt hier
auch Gelder in der Stadt bleiben
die nicht berechnet wurden.
882.600
Es bleiben in der Stadt
Dresden 1.939.700
als ökonomisch wirksame Geldmittel. Weit mehr also, als die Stadt für die DM ausgibt.

Um Mehreinnahmen für die Stadt zu erzielen, die aus der finanziellen Situation helfen könnten herauszuführen, müsste also weiter in die Dresdner Musikfestspiele investiert werden.

Diese Ergebnisse und das die DMF 2003 mit Abstand zum größten klassischen Musikfestival Deutschlands geworden sind, sind dem Einsatz und der Phantasie der Mitarbeiter der DMF zu danken, denn die effektiven Subventionen für die DMF sind in den letzten 10 Jahren um 40 % gesunken, dafür ist aber das Einnahmesoll geblieben und erfüllt worden und die Veranstaltungsanzahl von... auf ... gestiegen. Dies bei einer Reduktion der festen Mitarbeiter von 18 auf 8. und mit der Beschaffung von Sponsorengeldern und Drittmitteln ist 2003 ein Kosten-Nutzen-Effekt von 39% erreicht worden. Ein in Kultureinrichtungen einmaliges Ergebnis.
Weitere Vorschläge der Intendanz gegenüber der Stadt zu weiteren Einsparungen durch Umwandlung der Rechtsform wurden von der Stadt nicht aufgegriffen.

Da diese Konsolidierungsvorschläge des klaren Konzeptes entbehren, da sie ja zusätzliche gravierende Einnahmeverluste für die Stadt hervorrufen würden, kann nur der Ausspruch des 1. Bürgermeister und Kulturbürgermeister Dr. Vogel gegenüber der Morgenpost der wahre Grund des Schließungsvorschlages sein:
Ich zitiere: „Jetzt können die Leute auch zu Festivals nach dem Westen fahren.“





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