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06. Februar 2004

dpa-Meldungen zur für 2007 geplanten Schließung der Dresdner Musikfestspiele

Theo Adam: «Was der Sozialismus nicht geschafft hat, bewerkstelligen heute Chaos-Demokraten in Dresden»

Dresden (dpa/sn) - Die Stadt Dresden steht wegen der geplanten
Abschaffung ihrer Musikfestspiele in der Kritik. «Es ist ein Skandal
und die pure Unvernunft, das internationale Renommee unserer
Kulturstadt so unverantwortlich aufs Spiel zu setzen. Hier wird ein
wichtiger Standortfaktor für Sachsen mutwillig gefährdet», reagierte
Kammersänger Theo Adam am Mittwoch auf die Pläne. Festspiel-Intendant
Hartmut Haenchen zeigte sich vom Stil im Dresdner Rathaus enttäuscht.
«Wieder erfahren die betroffenen Einrichtungen alle sie betreffenden
Dinge zuerst aus den Medien. Vor diesem vermeintlichen Sparkonzept
ist überhaupt nicht mit uns geredet worden», sagte Haenchen der dpa.

Die Dresdner Verwaltung hatte am Vortag Pläne verkündet, die
international bekannten Festspiele aus finanziellen Gründen
abzuschaffen. 2006 zur 800-Jahr-Feier von Dresden soll es die letzte
Ausgabe des beliebten Festivals geben. Allerdings hat der Stadtrat
darüber zu entscheiden. Als Begründung führte die Stadt unter anderem
an, dass der Bund seine Zuschüsse für das Fest 2006 zum letzten Mal
überweist. Die Bundesregierung widersprach am Mittwoch dieser
Version. Es gebe noch keinen Termin für einen Ausstieg aus der
Förderung. In einem Brief an Dresdens Oberbürgermeister Ingolf
Roßberg (FDP) habe Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos)
lediglich die Aussage getroffen, dass die Einstellung der
Bundesförderung mittelfristig zu erwarten sei, teilte das Büro von
Weiss der dpa mit.

Nach Angaben von Hagen Philipp Wolf, Sprecher von Christina Weiss,
wird die Förderung für die Dresdner Musikfestspiele in diesem Jahr um
5000 Euro auf 330 000 Euro zurückgefahren. 2005 seien noch Zuschüsse
von 300 000 Euro vorgesehen, ein Jahr später von 250 000 Euro.
«Generell ist es nicht die Aufgabe des Bundes, städtische
Musikfestivals zu fördern. Auf Grund der Bedeutung der Dresdner
Festspiele und der finanziellen Unwägbarkeiten nach der Wende hat man
sich damals jedoch zu einer Übergangsfinanzierung entschlossen»,
sagte Wolf. Auf diese Weise sollten Stadt und Land die Möglichkeit
erhalten, das Festival dauerhaft zu sichern.

Unklar ist bislang, ob sich im Stadtrat eine Mehrheit für das
«Sparkonzert» findet. Die Gesellschaft Freunde der Dresdner
Musikfestspiele mit Theo Adam an der Spitze kündigte eine
Unterschriftenaktion gegen das Vorhaben an. «Die Stadt Dresden muss
sehr vermögend sein, wenn sie es sich leisten kann, eine gut
funktionierende Einrichtung wie die Musikfestspiele zu schließen. Im
Ergebnis wird sie nämlich draufzahlen: Weniger Gäste in der Stadt,
weniger Einnahmen durch hier gastierende Künstler, rapide sinkendes
Renommee», sagte Haenchen. Die Begründung der Stadt hält der
Intendant für «scheinheilig». «Der Bund zahlt ja nur einen relativ
kleinen Betrag. Kulturstaatsministerin Weiss hat bereits erklärt,
juristische und finanzielle Voraussetzungen schaffen zu wollen, damit
das Land Sachsen den Betrag übernehmen kann», sagte er.

Die Dresdner Musikfestspiele gibt es seit 1978. Sie galten schon
zu DDR-Zeiten als das bekannteste Klassik-Festival im Osten
Deutschlands. Spitzenorchester aus dem Westen wie die Berliner
Philharmoniker unter Herbert von Karajan, die Mailänder Scala mit
Claudio Abbado und das New York Philharmonic Orchestra mit Zubin
Mehta waren schon vor der Wende zu Gast. 2003 registrierte das
Festival mit mehr als 150 000 Besuchern einen Rekord. In diesem Jahr
machen die Festspiele unter dem Motto «Sagenhaftes» vom 20. Mai bis
6. Juni Musik.

(Internet: Dresdner Musikfestspiele: www.musikfestspiele.com)

dpa su yysn gj
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Musik/Festivals/KORR/
Die Kulturstadt Dresden will ihr bedeutendstes Musikfest opfern
Von Jörg Schurig, dpa =

Dresden (dpa/sn) - Der Dresdner Kammersänger Theo Adam ist außer
sich. «Was der Sozialismus nicht geschafft hat, bewerkstelligen heute
Chaos-Demokraten in Dresden», schimpft der bekannte Bassbariton.
Adams Zorn richtet sich auf eine Verlautbarung seiner Heimatstadt vom
Dienstag. Danach sollen die Dresdner Musikfestspiele aus finanziellen
Gründen verschwinden. Die Aufkündigung eines solchen Musenfestes ist
deutschlandweit beispiellos. Das großen Finale ist für 2006 geplant.
Dann wird die Stadt 800 Jahre alt. «Das ist ein Skandal. Den Titel
Kulturstadt können wir uns nicht mehr erlauben», sagt Adam.

Mit den Musikfestspielen würde Dresden eine heilige Kuh
schlachten. Noch ist die Opferung keine beschlossene Sache. Letztlich
hat der Stadtrat darüber zu befinden. Doch die Idee der Verwaltung
lässt tief blicken. In den Konsolidierungsplänen ist das
Streichkonzert in einer klein gedruckten Tabelle notiert - gerade so,
als habe man den Posten verstecken wollen. Die Spalte 6 enthält drei
Aussagen. Hinter «Schließung der Dresdner Musikfestspiele» und «Bund
beendet Förderung 2006» ist die Zahl 1,55 notiert.

1,55 Millionen Euro kann Dresden mit dem Wegfall der Festspiele
sparen. So hoch soll der städtische Zuschuss im Jahr des Abgesanges
sein. Außer dem Land hat auch der Bund das Festival bisher gefördert.
330 000 Euro sind es in diesem Jahr. «Generell ist es nicht die
Aufgabe des Bundes, städtische Musikfestivals zu fördern», heißt es
aus dem Büro von Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos).
Dresden habe wegen der großen Bedeutung der Festivals Hilfe erhalten,
auch weil es nach der Wende gefährdet war. Wie lange noch gefördert
werde, sei unklar. Eine Festlegung auf das Jahr 2006 gebe es nicht.

Bis dahin waren die Dresdner Festspiele neben denen in Ostberlin
das einzige klassische Musenfest mit Resonanz im Westen. Schon zur
Premiere gab es 1978 einen Paukenschlag. Herbert von Karajan reiste
mit seinen Berliner Philharmonikern an. Auch in den Folgezeit setzten
Ensembles aus dem Westen Glanzpunkte und machten Dresden zu einer
Pilgerstätte ostdeutscher Klassikfans. Claudio Abbado kam mit der
Mailänder Scala, die New Yorker Philharmoniker mit Zubin Mehta,
Sergiu Celibidache mit den Münchner Philharmonikern.

Mehr und mehr öffneten sich die Festspiele später anderen Sparten
wie dem Jazz und der Weltmusik. Mit dem Amtsantritt des dirigierenden
Intendanten Hartmut Haenchen gab es 2003 eine eher klassische
Rückbesinnung. Haenchen unterschrieb einen Vertrag bis 2008. Nun
führt Kulturbürgermeister Lutz Vogel den «Haushaltsdruck» ins Feld.
Dresden muss sparen wie andere Kommunen auch. «Natürlich ist das für
unser Image nicht förderlich», sagt der parteilose Politiker.
Allerdings billigt er dem Festival auch nicht mehr den Stellenwert
von einst zu: «Damals war es ein Fenster nach draußen. Jetzt können
die Leute auch zu Festivals in den Westen fahren.»

Michael Ernst, Sprecher der Musikfestspiele, glaubt nicht, dass
Sponsoren als Retter in Frage kommen: «Es kann keine Aufgabe von
Sponsoren sein, für die öffentliche Hand einzuspringen». Sachsens
Kunstministerium gab bislang keinen Ton zu dem Thema ab. Die
Ministerialen sind ohnehin mit Sparen im eigenen Haus beschäftigt.
«Die Stadt Dresden muss sehr vermögend sein, wenn sie es sich leisten
kann, eine gut funktionierende Einrichtung wie die Musikfestspiele zu
schließen. Im Ergebnis wird sie nämlich draufzahlen: Weniger Gäste in
der Stadt, weniger Einnahmen durch hier gastierende Künstler, rapide
sinkendes Renommee», glaubt Intendant Haenchen.
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