Aktuelles

27. Mai 2008

Erfolgreiche Konzerte unter Hartmut Haenchen bei den 31. Dresdner Musikfestspielen

Intendant Haenchen überzeugte beim Start der Festspiele mit Bartók. "Klangbilder von berührender Schönheit"

Dresdner Neueste Nachrichten, 27.5.2008

Bewegender Abschied

...Dass auch der Dirigent Hartmut Haenchen einen sehr persönlichen Zugang zu diesem Riesenwerk gefunden hat, zeigten nicht nur seine im Programmheft gedruckten Gedanken, sondern vor allem die von ihm sehr emotionstief und schnörkellos angelegte Wiedergabe. Musikalisch erlebte man eine Interpretation auf hohem Niveau, der Haenchen seinen spezifischen, gestalterischen Stempel aufdrückte. Er konnte sich auf zuverlässige Mitstreiter verlassen, die sich nahtlos in sein wohl durchdachtes Gesamtkonzepteinfügten. Da war das MDR-Sinfonieorchester von satter Klangkultur geprägt, flexibel auf Haenchens Intentionen eingehend. Spannungsbögen bauend. Beethovens "Missa solemnis" ist eines der schwierigsten Chorwerke überhaupt. In einigen, exponierten Passagen waren diverse Dresdner Laienchöre eingesetzt (so etwas ist guter Musikfestspielbrauch), die mit Feuereifer und guter Vorbereitung bei der Sache waren. Der Löwenanteil oblag dem MDR Rundfunkchor. Dieser erfüllte seinen Part aus dem Verständnis einer langjährigen Chorerfahrung heraus, klangschön, differenziert und vertraut mit den ständig, extrem wechselnden Anforderungen.... Am Ende waren alle beeindruckt von der Innigkeit des "Benedictus", den kräftigen Kontrasten im Credo und dem zwischen Angst und Zuversicht pendelnden "Dona nobis pacem". Ein langer Schlussapplaus galt besonders Hartmut Haenchen.
M. Hanns

www.klassik.com

Beim Konzert zum Abschied bleibt sich Hartmut Haenchen treu. Er dirigiert Ludwig van Beethovens ‘Missa solemnis’ in der Dresdner Kreuzkirche, die Platz für gut 3500 Menschen bietet. Der Chorpart des Werkes, den im Wesentlichen der MDR Rundfunkchor übernimmt, wird partiell mächtig verstärkt durch vier Dresdner Chöre und engagierte Sängerinnen und Sänger, die sich zum Mitsingen anmelden konnten. .......
Die Klangbalance zu halten, zwischen dem Chor und den Chören, dem Orchester und einem unterschiedlich agierenden Solistenquartett, ist die größte Herausforderung für alle Beteiligten. Das Werk steuert zu auf die hoffnungsvolle Bitte um den inneren und äußeren Frieden, vertraut letztlich doch der Dramaturgie des Textes der lateinischen Messe, in den Gegensätzen von Klage und Lob zu Beginn, den biografischen Zitaten zur Person Jesu Christi, dem irdischen Träger überirdischer Hoffnungen im Bekenntnis und den abschließenden Lob- und Bittgesängen die der zukünftigen Einheit von Innen und Außen, Oben und Unten, Himmel und Erde, gewidmet sind.

So gelingt Haenchen mit den Damen und Herren des MDR Sinfonieorchesters – der Name des Konzertmeisters wird im Programmheft leider nicht genannt – dem MDR Chor und den Solisten vor allem eine sehr eindrucksvolle Gestaltung des ‘Sanctus’. Diese ‘zarteren’ Passagen mit der Solovioline, den Partien der Solisten und dem verhaltener agierenden Chor, entfalten Wirkungen von größerer Intensität, als etwa die Massenklänge zu Beginn im ‘Gloria’. Die zweimalige Anrufung des Lammes Gottes, mit der Bitte um Sündenvergebung und das finale Gebet um den Frieden in völliger Sündenfreiheit bleibt bei Beethoven eine brüchige Utopie, wenn er lärmende Schlachtenmusik ganz irdisch unter die abhebenden Klänge mischt.
Die Intensität der Verbindung des Dirigenten zum Werk, zu den Klängen einer Utopie vor dem Horizont erfahrener Wirklichkeiten, bestimmt eine Gesamtinterpretation, der man sich nicht entziehen mag, die zudem ein Musikfestival in Dresden, dessen Abschaffung verhindert werden konnte, würdig beendet.
Boris Michael Gruhl

Dresdner Neueste Nachrichten, 19.5..2008

Mit anderen Ohren zu hören
Bachs h-Moll-Messe in der Frauenkirche

Hartmut Haenchen hate sich für die von ihm geleitete Aufführung eines hervorragenden Ensembles versichert: Christiana Oelze, Annette Markert, James Taylor und Jan-Hendrik Rootering, den Philharmonischen Chor München und „sein“ Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach. Es war eine in weiten Zügen von seinen Erkenntnissen geprägte Wiedergabe, in manchen Passagen ungewohnt. Haenchen geht in seiner gründlichen Einführung im Programmheft ins Detail und legt dar, woher er die Impulse für seine Denkweise genommen hat – sehr überzeugend.
Haenchens Auffassung schien sich mir, namentlich im Orchester, von herber Askese zu entfernen und mit emotionalem Gewicht auf den Sohn zu orientieren. Dies geschah konsequent, daher durchweg sehr einprägsam. Hier war der sehr überzeugend agierende Münchner Chor der richtige Partner. In großartiger Ausgewogenheit verlieh er den von Haenchen geforderten Akzenten Leben, wie er auch mit tragender Legato-Kultur aufwartete. Eine feinsinnige Synchronisation war zwischen Chor und Orchester erreicht, wobei die langjährige Zusammenarbeit des Dirigenten mit seinen Musikern (über 25 Jahre) sich in „blindem Verstehen“ darstellt – Haenchen kann den Bewegungsaufwand auf ein Mindesma reduzieren, ohne auch nur eine Spur an Spannung zu verlieren. Auch dem Chor gegenüber ist es mehr Ausformen des Gechehens im Prozess des musikalischen Verlaufs. Da entstehen Klangbilder von berührender Schönheit.
Das andächtige Schweigen vor dem Beifall bestätigte den Rang der Aufführung.

Hans Peter Altmann


Sächsische Zeitung 19.5.2008

Bach tief empfunden

Bachs Hohe Messe h-Moll ist ein musikalischer Kosmos. Hier tritt das gesamte Bach'sche Werk mit seinen Facetten und Wendungen, mit seiner Klangfülle, Intensität und durchdachten Spiritualität dem Hörer entgegen. Hartmut Haenchen spielte diesen Bach am Sonnabend in der Frauenkirche mit seinem Kammerorchester auf modernen Instrumenten, in moderner Stimmung, hielt sich nicht an die in der Alten Musik übliche Lateinaussprache. Im Programmheft weiß er das ausführlich zu erläutern.

Noch wichtiger war, dass er mit der Art, wie er das große Werk musiziert, seine Hörer erreichte. Auch wenn am Anfang die Soli und obligaten Soloinstrumente akustisch mit dem Raum zu kämpfen hatten, auch metrisch auseinanderfielen, formte Haenchen doch das Werk zu einem geschlossenen, stilistisch konsequenten und ergreifenden Erlebnis. Insbesondere der Philharmonische Chor München und das Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach" wurden zum Träger einer dynamisch differenzierten, emotionsreichen Darbietung. Gerade wie die ersten entscheidenden Worte des "Credo" immer wieder neu behauptet und gleich wieder hinterfragt wurden, wie das weihnachtliche Geheimnis im "Et incarnatus est" illustriert oder mit welcher geradezu romantischer Klangmalerei die Erwartung der Auferstehung (Et exspecto) dargestellt wurden, das waren sinnliche Erfahrung von bedeutsamer Tiefe.

Friedensbitte als Utopie

Chor und Orchester folgen der in Ausdruck, Lautstärke und Tempo genau überlegten Gestaltung ihres Dirigenten, und das Solistenensemble mit Christiane Oelze, James Taylor und Jan-Hendrik Rootering fand sich schnell auch in die akustischen Besonderheiten der Kirche. Besonders anrührend wirkte Annette Markert, die den Mezzo-Part für die erkrankte Katarina Karneus übernahm, etwa im inbrünstigen "Agnus Dei". Mit einem hoffnungsfrohen "Dona nobis pacem", einer Friedensbitte, die schon wie eingelöst klingt, schließt Bachs großes Werk, erscheint wie abgerundet. Und passt damit sehr gut zum diesjährigen Festival-Thema Utopia.
Jens Daniel Schubert


In der Schatzkammer

Intendant Haenchen überzeugte beim Start der Festspiele mit Bartok.

Erlebt man eine Aufführung von Béla Bartóks einziger Oper „Herzog Blaubarts Burg“, begreift man, warum das Werk einst von einer Wettbewerbs-Jury als unspielbar abgelehnt wurde. Man ist geneigt, das 1918 uraufgeführte Werk als Anti-Oper zu bezeichnen, denn das, was auf der Bühne geschieht, ist vernachlässigbar wenig. Das Entscheidende vollzieht sich in den Seelen von Blaubart und Judith. Die Oper und ihr Libretto von Béla Balázs wären in ihrer Gestalt nicht denkbar, hätte es nicht zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die bahnbrechende Entwicklung der Psychologie gegeben. Wohl ist die „Blaubart“-Geschichte alt, aber Balázs und Bartók haben sich bis in die letzten seelischen Tiefen vorgearbeitet.

Hartmut Haenchen eröffnete am Freitag mit einer konzertanten „Blaubart“-Aufführung in der Oper die diesjährigen Musikfestspiele, die die letzten unter seiner Intendanz sind. Bartók hat die Musik, in der er zu seinem unverkennbaren Personalstil fand, in einen gewaltigen Spannungsbogen eingebunden. Der ist aufs Engste an das Öffnen von sieben Türen gekoppelt, wobei jede einzelne Tür den Weg zu einer jeweils eigenen Klangwelt öffnet. Diese reicht von den fahlen Terzparallelen im Vorspiel bis zum grandiosen Klang der Schatzkammer. Mit Akribie ging Haenchen den Eigenheiten jedes einzelnen Bilds nach und hatte mit dem Stuttgarter Rundfunk-Sinfonieorchester Musiker, die ihn bei diesem Vorhaben aufs Beste unterstützten.

„Blaubart“ besteht ja eigentlich aus halb szenischen Dialogen, bei denen die Sänger nicht mit Effekten oder jugendlich-heldenhaftem Gestus brillieren können. Lioba Braun als Judith gelang es, Irritation und Angst vor dem überall vorhandenen Blut zu verdeutlichen, während Rudolf Rosen als Blaubart eine ungemein breite Ausdruckspalette vom warnenden Zögern bis zum kraftvollen Drängen einbrachte.

Großer Beifall für den Jubel

Nach dieser psychologischen Meisterleistung musste Zoltán Kodálys „Te Deum“ von 1936 etwas vordergründig wirken. Der Leipziger Rundfunkchor und die Solisten sangen zwar mit dem Jubel, der dem Anlass, dem 250. Jahrestag der Befreiung der Burg von Buda, angemessen war. An innerer Kraft reichte dieses „Te Deum“ aber an „Blaubart“ nicht heran. Das Publikum applaudierte trotzdem herzlich.
Peter Zacher
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