Aktuelles

20. Mai 2007

30. Dresdner Musikfestspiele mit Joseph Haydn: „Die Jahreszeiten“ glanzvoll eröffnet.

Hartmut Haenchen stützte sich bei seiner Interpretation auf neue Erkenntnisse der Haydn-Forschung und musizierte mit insgesamt 500 Mitwirkenden Haydns Meisterwerk.

Rede von Hartmut Haenchen zur Verleihung des SAECULUM an Gidon Kremer am 1. Juni in der Semperoper:

Es muss etwa vor 35 Jahren auf dem Leningrader Flughafen gewesen sein:
Plötzlich stand ich in einer endlosen Schlange der Einreisekontrollen neben Gidon Kremer und seinem Begleiter Oleg Maisenberg. Bevor es zum Gespräch kommen konnte, wurden die beiden unsanft aus der Reihe herausgeholt und einer „Sonderbehandlung“ zugeführt. Bis zu meiner Weiterreise tauchten die beiden nicht mehr auf.
Für jemanden, der selbst in seinem Buch „Obertöne“ schreibt „Musiker sind sensible Gemüter“, offensichtlich ein damals ständiger Zustand, der ihn zwang, wie der Titel seines anderen Buches heißt, „Zwischen den Welten“ zu leben.
Wir erleben Gidon Kremer, der sich 2004 mit einem Brief an den damaligen Oberbürgermeister vehement für den Erhalt der Dresdner Musikfestspiele eingesetzt hat, heute wieder auf der Bühne der Semperoper.
Er gehört zu den wenigen, die zugeben, dass „das Konzertpodium einer der ungemütlichsten Orte auf Erden ist “
Ein Künstler, der immer den anderen Weg gesucht hat, dem sagt:„Ich bin mir im klaren, dass die ganze Musikbranche vom Marktdenken vergiftet ist“ und „Erfolg allein gilt noch nicht als Indiz für den richtigen Weg.“ Und schließlich weiß er: „Auf dem Boden vermeintlicher Niederlagen blühen eben vielfach auch Blumen des Erfolges“.

Er spielt die ungewöhnlichsten Programme und lässt sich die Möglichkeit, diese auch bis zum letzten Moment zu verändern, denn „wie kann ich wissen, ob ich in zweieinhalb Jahren um elf Uhr morgens Lust auf Schubert, Prokofieff oder Ferien habe?“
Er ist ein Sucher nach der „Wahrheit in der Musik“, er spricht unsere heutige „Klangweltverschmutzung“ vehement an. Aber: „Geben trägt Früchte, auch wenn es nur einer einzigen Seele das Herz erleichtert.“

Heute dürfen wir ihn auszeichnen und es ist für uns eine Auszeichnung, dass er sie annimmt, denn: „Glücklich ist derjenige, der dabei sein kann – der Interpret als Vermittler, der Zuhörer als Empfänger. Nur das ist wichtig. Alles andere, Orden und Medaillen, Honorare und Werbung, Lobgesänge oder Verrisse, Ovationen und Buh-Rufe, spielt keine Rolle. Die Mission ist erfüllt, wenn man dem Vogel zu Fluge verhilft, ihn beobachtet und bewundert.“

Ich danke an dieser Stelle der Uhrenmanufaktur Glashütte Original, dass mit diesem Preis ein weiteres Zeichen für einen außergewöhnlichen Künstler gesetzt werden kann.
Schließlich darf ich Herrn Bruno Ganz um seine Laudatio bitten und Gidon Kremer auf die Bühne.


Dresdner Neueste Nachrichten, 19./20. Mai 2007

Eine betont gewichtige musikalische Erwiderung auf die finanziellen Kürzungen der letzten Jahre hat Intendant Hartmut Haenchen zur Eröffnung der 30. Dresdner Musikfestspiele in der fast ausverkauften Kreuzkirche gegeben: Wir sind noch da, hieß das stolz....Das konsequente Bemühen des Dirigenten um größte Werktreue ist bekannt. So präsentierte Haenchen erstmals eine Lesart der „Jahreszeiten“ von Joseph Haydn, die zumindest für heutige Gepflogenheiten ungewöhnlich genannt und deswegen etwas genauer erklärt werden muß.......Für Haenchen hingegen wirkt das Argument der Uraufführungsbesetzung schwer. Haydn bemerkte gegenüber einem Zeitgenossen, seine „Composition“ sei „gros geschrieben“; sie werde „daher auch nur bey einem zahlreichen und wohlgeübten Orchester ihr Glück und den gehörigen Effekt machen“.....Durchaus folgerichtig, dass Haenchen der Dresdner Philharmonie vorschlug, das Werk gewichtig anzugehen: 4 Flöten, 4 Oboen, 4 Klarinetten, 5 Fagotte, 8 Hörner, ein umfangreicher Streicherapparat – ergänzt durch einen 420-stimmigen Riesenchor, gemischt aus professionellen Chören und musikbegeisterten Laiensängern. Gerade in der Kreuzkirche musste diese Entscheidung als rechtes Wagnis gelten, und doch gelang Haenchen ein phänomenaler und rundum überzeugender Blick auf das Werk. Durch einen geschickt dynamisch abgestuften Einsatz der Chöre auf der Bühne und den Emporen gewannen die Tuttichöre eine unglaubliche Raumtiefe; die Plastizität der einzelnen Stimmen war in jedem Tempo gut ausgeformt.
Martin Morgenstern


Sächsische Zeitung, 19./20. Mai 2007

Hartmut Haenchen hat sich der Mühe unterzogen, das Aufführungsmaterial anhand der Originalqquellen zu überarbeiten und seine Interpretation dieser Quellenlage anzupassen. Das bedeutet eine ungewohnt große Chor- und Orchesterbesetzung, mit der wuchtige Kräfte freigesetzt werden können. So waren manche Passagen der sieben Chöre von der Monumentalität gewaltiger Marmorsäulen...Haenchens Geschick ist es zu danken, dass der Klang aber nicht aus den Fugen geriet und weitgehend klar konturiert blieb. Zu den unbestreitbaren Vorzügen gehörte auch die erfreuliche Synchronität trotz großer Entfernung zwischen der bestens aufgelegten Philharmonie auf dem Altarplatz und den Chören auf der Empore....Die Chöre, Profis und Amateure, sorgten denn auch für die Höhepunkte an Intensität.
Peter Zacher
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