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09. Juni 2006

Joachim Herz erhält den SAECULUM Glashütte ORIGINAL-Musikfestspielpreis 2006

Der verdienstvolle und streitbare Musiktheater-Regisseur wird heute innerhalb eines von Hartmut Haenchen dirigierten und von DeutschlandRadio Kultur live übertragenem Konzert geehrt.

Hartmut Haenchens Worte an den Preisträger:

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Eine persönliche Begegnung mag für unseren hochverehrten und immer für das Werk streitbaren Saeculum-Preisträger stehen.

Versuchen Sie sich in das Jahr 1979 zu versetzen. Die Situation bedarf für die meisten von Ihnen keiner weiteren Erläuterung.

Joachim Herz, damals Intendant der Komischen Oper Berlin, führte mit mir Verhandlungen, um mich als Chefdirigent der Komischen Oper zu gewinnen.
Der Vertrag war unterzeichnet und wir machten uns an die Arbeit: Mozarts „Zauberflöte“ war als erste Produktion vorgesehen.
Wir trafen uns in der gemeinsamen Überzeugung, dass wir kein historisches Publikum haben und es – auch auf der Grundlage aller Überlieferungen – keine authentische Aufführungspraxis gibt. Wir suchten nach der Interpretation, die Aussagen des Werkes für heutige Menschen nachfühlbar macht, ohne Mozarts Werk in seiner Substanz anzugreifen oder gar modisch zu verbiegen.
In seinem Arbeitszimmer saßen wir uns ohne Partitur in den Händen gegenüber und ich fand einen Regisseur, der nicht nur das Textheft kannte. Nein, er hatte die Partitur vollständig mit jeder Note - sogar mit Taktzahlen – im Kopf. Als Dirigent hatte ich erstmalig – und beinahe letztmalig – das Glück, mit einem Regisseur ein Werk aus der Partitur heraus vorzubereiten.
Es sei hier hinzugefügt, dass es diese „Zauberflöte“ in dieser Konstellation nie gegeben hat, denn das Ministerium für Kultur hat darauf gedrungen, dass der Chefdirigenten-Vertrag mit mir nicht verwirklicht wurde. Dies mit der Begründung, dass ich – im Sinne der DDR-Führung „politisch nicht reif“ für diese Position sei.
Dem war eine Weigerung meinerseits vorausgegangen, in einer Parteiveranstaltung der SED in Schwerin eine nach Parteiangaben verstümmelte Schostakowitsch-Sinfonie zu dirigieren. Joachim Herz wurde kurze Zeit darauf von dem gleichen Minister in seiner Intendanten-Position abgelöst.
Aber auch ohne mich hat Joachim Herz das Prinzip der „Werkgerechtigkeit“ nie verlassen. Dort liegen seine großen Erfolge und Verdienste, die einige wichtige spätere Regisseure grundlegend beeinflusst haben.
Sein Lebenswerk verdient über diesen Preis hinaus der weiteren Würdigung und Dokumentation. Ich danke an dieser Stelle der Uhrenmanufaktur Glashütte Original, dass mit diesem Preis ein Zeichen gesetzt werden kann.
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