Aktuelles

01. Juli 2012

OPERNWELT: "Größten Jubel verdient Hartmut Haenchen – das ist eine Klasse für sich."

"Triumph" - "standing ovations" - Hartmut Haenchen "einer der größten Wagnerdirigenten" - "noch nie einen besseren Parsifal gehört." - "der beste Wagner" - "Die Vorstellung war schon allein wegen der Leistung von Hartmut Haenchen einen Besuch wert" - "Es ist schwer vorstellbar, dass etwas Besseres sein kann als das, was die Königliche Oper mit Parsifal nun erreicht hat."

Königin Margarete II. von Dänemark besuchte die 2. Premiere von Richard Wagner: PARSIFAL. Es war Hartmut Haenchens 50. Vorstellung dieses Werkes.

Hartmut Haenchen hat Parsifal erstmals in einer letztlich von der SED verbotenen Produktion. also konzertant, als Generalmusikdirektor der Staatstheater Schwerin dirigiert. Er war damit der zweite Dirigent in der DDR nach Herbert Kegel, der überhaupt das damals von der Parteiführung verbotene Werke dirigierte. Danach folgte eine durch die Stasi "ausverkaufte" Produktion in der Regie von Harry Kupfer an der Staatsoper Berlin, die Produktion von Götz Friedrich, die auch in Bayreuth zu sehen war, dirigierte er in Stuttgart am Staatstheater. Danach folgte in zwei Serien die Produktion von Klaus Michael Grüber an der Niederländischen Oper Amsterdam. Die Pariser National-Oper lud ihn 2008 ein, das Werk in der Opera Bastille (Regie:Krzysztof Warlikowski) zu dirigieren. Bei ARTE wurde die Arbeit in einer Reportage gezeigt. Danach folgte 2011 Brüssel (Opernhaus des Jahres) mit der Produktion von Romeo Castelucci und jetzt gemeinsam mit Keith Warner an der Königlichen Oper Kopenhagen:

Det Kongelige Kapel (The Royal Danish Orchestra), (Königliches Orchester Kopenhagen); Det Kongelige Operakor; Regie: Keith Warner;, Parsifal: Stig Fogh Andersen und Johnny van Hal; Gurnemanz: Stephen Milling; Amfortas: John Lundgren; Kundry: Randi Stene und Tina Kiberg; Klingsor: Harry Peters; Titurel: Sten Byriel: 1. Gralsritter: Bengt-Ola Morgny; 2. Gralsritter: Bo Anker Hansen; 1. Blumenmädchen und 1. Knappe: Sine Bundgaard; 2. Knappe und Blumenmädchen: Verena Gunz; 3. Knappe: Bo Kristian Jensen; 4. Knappe: Gert Henning-Jensen; Blumenmädchen: Inger Dam-Jensen; Anne Margrethe Dahl; Djina Mai-Mai; Hanne Fischer und Stimme von Oben

Alle Szenenfotos: Miklos Szabo

Video-Trailerhier

The Wagner Journal, Heft 7 2012

...This Parsifal is certainly void of the glaze and stasis that characterize the more traditional esoteric, quasi-religious approach, and this sense was mirrored in the superb conducting of Hartmut Haenchen. He led the Royal Opera Orchestra to new heights, creating shimmering colours and nuanced, impressively differentiated drama. His choice of tempi, informed by an intimate knowledge of the performance history and Wagner’s own remarks and indications, is highly assured and creates an irresistible momentum.
Andreas Bücker

OPERNWELT, Heft 6, 2012, Seite 12

Kopenhagen gewinnt im skandinavischen «Parsifal»-Wettbewerb gegen Malmö.

Trauma und Tai Chi

Wagners «Parsifal», dirigiert von Hartmut Haenchen in Kopenhagen, dirigiert von Leif Segerstam in Malmö

So ein Wagner-Glück gibt es in Skandinavien nicht alle Tage: In zwei Städten, die nur ein sechzehn Kilometer schmaler Wasserstreifen trennt, standen «Parsifal»-Premieren auf dem Programm. Man musste nur über den Øresund fahren, jene geschichtsträchtige Meer­enge, die Dänemark von Schweden trennt, um erhellende Vergleiche zwischen den Aufführungen in Kopenhagen und Malmö zu ziehen: nicht nur in Bezug auf die unterschiedlichen Annäherungen der Regisseure Keith Warner und Stefan Johansson an Wagners Weltabschiedswerk, sondern auch hinsichtlich der völlig verschiedenen äußeren Bedingungen, unter denen die beiden Produktionen entstanden.

Keith Warner wollte mit «Parsifal» die erste eigene Regiearbeit in Kopenhagen vorlegen, seit er die Künstlerische Leitung der dortigen Oper (im Sommer 2011) übernommen hatte. Die Produktion sollte auch den Beginn jener neuen Ära markieren, die sich die dänischen Entscheidungsträger wünschten: Anhebung des künstlerischen Niveaus, um langfristig und nachhaltig international konkurrieren zu können. Es kam bekanntlich anders: Die neue Regierung kürzte Ende letzten Jahres das Opernbudget so radikal, dass Warner sich außerstande sah, die von ihm erwartete Mission zu erfüllen. Mit großer Geste trat er im Januar 2012 von seinem Amt zurück, so dass dieser «Parsifal» zu seinem Schwanengesang in Kopenhagen mutierte.

Gemeinsam mit seinem Dramaturgen Barry Millington entwickelt Warner eine düstere, unbequeme Lesart aus tiefenpsychologischer Perspektive. Sie scheut nicht die verstörenden, ideologisch kontaminierten Schichten: Religion, sexuelle Verfehlung und vor allem Antisemitismus – Themen, die der eminente Wagner-Kenner Millington immer wieder in den Fokus seiner Betrachtungen rückt. Die Gralswelt ist ein Sanatorium, ihr Oberarzt Gurnemanz. Seine Patienten sind Ritter von der traurigen, «traumatisierten» Gestalt. Amfortas kommt allein die Rolle eines primus inter pares zu, der sich nur durch die blutende Wunde auszeichnet. Bei der Enthüllung des Grals öffnet er Kisten, die – wie Matroschka-Puppen – kleinere Fassungen ihrer selbst enthalten. Allein: Der Gral bleibt unauffindbar, das Ritual läuft leer. Kundry erinnert mit ihrer weißen Strähne im schwarzen Haar an Susan Sontag. Eine Intellektuelle, schutzlos der siechen Männerwelt ausgeliefert – Sinnbild für Wagners Chauvinismus und Rassismus? In dieser Welt ist selbst Parsifal ein Kranker, als Einziger vollzieht er jedoch den Schritt vom Trauma zur Selbstfindung.

Der zweite Akt führt ins innere Ich. Durch die Gitterstangen eines Kinderbettchens bestaunt Parsifal mit großen Augen den Streit des Elternpaares Klingsor und Kundry. Freud steht Pate, wenn Keith Warner hier den Ödipus-Komplex zitiert: Verführung durch die Mutter und Vatermord inklusive. Dazu passt die ovale Öffnung eines gigantischen konischen Tunnels (Bühne: Es Devlin), der – mit rotem Stoff ausgekleidet – an eine gigantische Vagina denken lässt. Ein starkes Raumbildzeichen, das in verschiedenen Perspektiven und Funktionen den ganzen Abend beherrscht.

Auch am Ende verweigert Warner eine versöhnliche Geste: Die Gralskiste ist aus Papier und zerbröselt in Parsifals Händen. Was die Zukunft bringt? Keiner kann es sagen. In übertragenem Sinne gilt das auch für die Kopenhagener Oper. Die Lücke, die der englische Regisseur dort hinterlassen hat, ist noch nicht geschlossen.

Die gute Nachricht ist: Das bei der Premiere stimmlich überzeugende Ensemble bleibt Kopenhagen in Zukunft erhalten. Angeführt wird es von Stig Fogh Andersens Parsifal, der über die – freilich im Verlauf des Abends nachlassende – Strahlkraft seines geschmeidigen Tenors routiniert disponiert. Stephen Millings verkörpert Gurnemanz vielschichtig, ein Gebieter, vokal gesund und zuverlässig. John Lundgren debütiert als Amfortas, fächert eine breite Palette von Leidenstönen auf. Harry Peeters, der einzige Gast in Kopenhagen, bleibt als Klingsor blass und unter seinen Möglichkeiten. Im Unterschied zu Randi Stenes Kundry: dramatisch in der Höhe, mit gespannter Deklamation im unteren Register.

Größten Jubel verdient Hartmut Haenchen, der die Königliche Kapelle auf ein bisher ungehörtes Niveau führt. Die Wahl der Tempi, auf intimer Kenntnis der Aufführungsgeschichte fußend, der herrlich nuancierte Klang, der die raffinierten Strukturen der Partitur brillant hörbar macht, die umsichtig gesetzten dramatischen Gipfel – das ist eine Klasse für sich.

Ganz andere Akzente setzte Stefan Johansson, der seit 2011 als Chefdramaturg an der Oper in Malmö wirkt. Auch er lieferte mit «Parsifal» seine erste Inszenierung an neuer Wirkungsstätte ab. Von Hause aus Schauspielmann, ein enger Freund Ingmar Bergmans, baute er ab 1997 in Stockholm die Dramaturgie der dortigen Oper auf und will 2013 dorthin auch wieder zurück. Malmö ist nur eine Zwischenstation. Sein «Parsifal» verläuft in freundlichen, fast heiteren Bahnen. Man könnte an einen Abend aus der Zeit der Uraufführung denken (die passenden Kostüme entwarf Jan Lundberg). Naturalismus statt Subversion. Es gibt einen grünen Wald, eine Quelle, eine Säulenhalle als Gralstempel. Und viel Statik. Die Spannung zwischen den Figuren, vor allem zwischen Parsifal und Kundry, bleibt kraftlos, auch wenn Johansson eine Art Selbstfindung Parsifals anzudeuten versucht: Erst für den Kuss tritt Parsifal aus dem Proszenium auf die Bühne, auf der bis dahin ein junges Double ihn «vertreten» hat.

Die bescheidenen Ansätze, das Geschehen hier und da zu verfremden, ihm die Aura des Erhabenen zu nehmen, bleiben blass. Gurnemanz treibt Tai Chi-Gymnastik, Titurel tritt als Samuraikrieger auf, Klingsor hat etwas von einem verunglückten Tramp. Zum Schluss kann sich Johansson ein Augenzwinkern nicht verkneifen: Ein Kinderpaar, Klein-Parsifal und Klein-Kundry, schmökert in einer Riesenpartitur des «Parsifal», während Titurel und Klingsor wie zwei Martial-Arts-Krieger hinten in Zeitlupe einen Endloskampf austragen.

Malmö hat zwar kein Wagner-Ensemble, aber größere finanzielle Möglichkeiten, um renommierte Kräfte zu engagieren. Thomas Mohr als Parsifal gefällt mit frischem, schön-timbrierten Tenor. Reinhard Hagen überzeugt mit sonorer, samtiger Bass-Tiefe, die seinem Gurnemanz eine fast edle Gravitas verleiht. Susanne Resmark, aus Kopenhagen ausgeliehen, ist eine intelligente und ausdrucksstarke Kundry. Klingsor ist auch in Malmö zu leicht besetzt: Lars Arvidson charakterisiert die Figur mit ironischem Zungenschlag. Leif Segerstam, der neue Musikchef in Malmö, malt in der Tiefe des amphitheatralisch angelegten Orchestergrabens mit breitem Pinsel: viel große Geste, wenig Filigran.
Andreas Bücker


Helsingborgs Dagblad, 24. April 2012

Det Kongelige Kapel under Hartmut Haenchen ledning lämnar däremot inget övrigt att önska. Den naglar mig fast från den förste unisona stråkslingan, förbluffar med nya nivåer av intensitet långt in i föreställningen och tredje aktens introduktion blir just så nervigt fullblodsvacker som den någonsin kan bli.

Svenska Dagbladets, 24. April 2012

Hartmut Haenchen leder en ytterst samlad orkester på just det subtila och säkra vis man kan förvänta sig, men nog kan man sakna Leif Segerstams klangmagi bortom frågor om tidiga Wagnertraditioner. Magin sitter istället i atmosfärerna, i föreställningens rörlighet.
Erik Wallrup

Danstidningen, 31.3.2012

Första aktens förspel är en unik musikalisk form som Wagner
experimenterat fram i Parsifal. Hela verkets musikaliska struktur
ligger här exponerat för att vi skall känna hur handlingen och
reflexionen vävs samman. Allt detta framkommer tydligt i den suveränt
skicklige dirigenten Hartmut Haenchens framförande. Han är en av vår
tids främsta Wagnerspecialister.

Ann Jonsson

Børsen, 29. März 2012

Desuden er de faktisk lidt kortere end sævanligt, for tyske Hartmut Haenchen dirierer i friske tempi, som han i sine programnoter ergumenterer for en mere i overenstemmelse med Wagners oprindelige.
Det forkorter faktsik operaen en del. Her en den nede på godt og vel fem timer inklusive pauset, så den er standig en ordenlig mundfuld, men der e vel at mæke intet forceret over haenchens tempi. Det kongelige Kapel spiller herligt klangtæt under hans ledelse, og han fraserer på en gang flødefedt og nougatblødt, musikken flyer nærmest som af egen drift.
Jakob Wivel

Dagens Nyheter, 26. März 2012

Men musikaliskt visar Köpenhamnsoperan, efter de internationella framgångarna med ”Ringen” och ”Tannhäuser”, att man är bäst på Wagner i Skandinavien. Nu med Wagnerspecialisten Hartmut Haenchen på pulten som ger partituret en förunderlig genomskinlighet och nästan smeksam intimitet – men utan att dra ned på tempot.

En musikalisk ledning som får operahusets Wagnerensemble att visa sin höga klass: Stig Fogh Andersen som Parsifal (ja, för guds skull glöm spjälsängen!), Stephen Milling som Gurnemanz, Randi Stene som Kundry – men framför allt den svenske John Lundgren som här gör sin första Amfortas. En briljant sångare och artist med kanske en mera Verdisk än Wagnersk svärta och udd i sin baryton som kommer att ta honom mycket långt.
Martin Nyström

Politiken, 24. März 2012

...hvot den virkelige magi strålet frå orkestergraven.
Nodetolkhingen er nemlig lagt i hændertie på den tyske Wagnerekspert Hartmut Haenchen, hvis historiske kildestudiet allerede fòt syvår siden satte overbevisende fut under „Ringen“ i Amsterdam.
Nu et Haenchen købt ind til al lade sitæ tanket om et klart og livligt Wagnerflow give nerve til den københavnske „Parsifal“. Og det fungeret. Endda langt over forventning.
Med en kort spilletid på kun (!) knap fem en halv time inklusive pause og et orkester og et kor, der klang rigtig velafbalanceret, var den musikalske side af sagen den store fornøjelse, da Wagner og „Parsifal“ torsdag aften vendte tilbage til Det Kongelige Teater.
Thomas Michelsen

Den Korte Avis, 24. März 2012

Fantastisk opsætning af Wagners Parsifal på Operaen

"Orkestret under fremragende Hartmut Haenchen: ja, jeg tror faktisk aldrig jeg har oplevet en bedre ’Parsifal’.

Der kommer jo nok til at gå mange år, inden vi igen får en Wagner-forestilling på Operaen. Fyringer og stjerneflugt. Som slutkoret i ’Parsifal’ lyder: ’Zum letzten Mal!…For sidste gang!’."

Sydsvenskan, (Malmö) 25. März 2012

Det börjar i orkester­diket. Hartmut Haenchen leder med djup insikt spelet. Han tonar ner och blåser upp i minutiös ordning. Parsifals klangparfym doftar. ­Stråkskimmer och exakta blåsare. Strama tyglar och lyrisk värme.

Berlingske, 24. März 2012

Sygdommen til døden

»Parsifal« foldes ud i al sin ambivalens i Keith Warners flotte og begavede iscenesættelse på Operaen.
Det er umuligt ikke at have et ambivalent forhold til Richard Wagner. Det er i allerhøjeste grad umuligt ikke at have et ambivalent forhold til mesterens sidste opera, »Parsifal«, der torsdag aften havde premiere på Operaen i en intelligent og flot iscenesættelse, hvor Hartmut Haenchen dirigerede suverænt og til den hurtige side, og hvor der også var meget godt at sige om dem, der stod på scenen: Stephen Milling som ridderen Gurnemanz, med al den autoritet, partiet kræver, og med en vis aristokratisk kølighed. John Lundgren som Amfortas, et bevægende højdepunkt. Stig Fogh Andersen, der i titelpartiet viste, hvorfor han er kendt som Wagner-sanger (og så måtte man tage med, at han fysisk intet har tilfælles med den unge helt, han skal forestille at være). Der var mere af samme fine skuffe.

Men »Parsifal« er en udfordring, for værket rummer elementer, som vil tiltale både racister, sexister og religiøse fundamentalister. Handlingen kort: Gralsridderne lider så såre, fordi deres konge, Amfortas, har et uhelbredeligt sår, tilføjet ham af den faldne ridder Klingsor, der kastrerede sig selv, fordi han ikke kunne holde op med at tænke på damer. Lige meget hjalp det. Han forblev en udstødt. Amfortas selv er skyldig, for han hengav sig til noget så utilstedeligt som sex, og operaens eneste kvindeskikkelse, Kundry - en stærk præstation af Randi Stene - er i ulideligt stereotyp grad både luder og madonna. Hun frister mænd til synd, men er også den, der fortvivlet søger at gøre alt godt igen, men forløsningen udebliver for de arme riddere. Kun den rene dåre kan redde det ubesmittede fællesskab af troende, og det gør han så til sidst. I skikkelse af Parsifal.

Ideologi og skønhed
»Parsifal« er kort sagt ideologisk ubærlig for et moderne menneske, men operaen er også et kunstværk af de største, med den smukkeste musik der findes, og med en libretto, som vanligt af Wagner selv, af stor skønhed. Den er ikke til at komme uden om. Men hvad gør man så?

På Operaen giver man en »Parsifal«, der er renset for kristne symboler. Det nærmeste, man kommer en visuel religiøs reference, er en buddhistisk munk, der kigger forbi, som en hilsen til den fascination af østlig mystik, som også var en del af Wagners ide

På Operaen giver man en »Parsifal«, der er renset for kristne symboler. Det nærmeste, man kommer en visuel religiøs reference, er en buddhistisk munk, der kigger forbi, som en hilsen til den fascination af østlig mystik, som også var en del af Wagners ideologiske konstitution. Ellers er der noget sci-fi over hele set uppet, hvis bærende konstruktion er et middelalderligt tårn, der kan forvandle sig til en slags rumskib, fungere som skærm for sort-hvide flashbacks og åbne sig, som i anden akt, hvor det bliver til en vagina i overstørrelse. Tårn og rumskib, fortid og fremtid... Det hele er med, men denne iscenesættelse ville ikke være så overbevisende, hvis det ikke også var for den idébårne struktur, som den britiske instruktør Keith Warner (tidligere kortvarigt operachef i København), får skabt i samarbejde med sine medarbejdere, herunder ikke mindst scenografen Es Devlin.

Ødipalt
I første akt associeres der til noget hospitalsagtigt, med hvidklædte riddere, hvoraf nogle i øvrigt til lejligheden synges af kvinder (!). Det er Amfortas’´ sygdom, der henvises til, men vel også til den religiøse syge som sådan. I anden akt - den i mere end én forstand centrale - får den hele det ødipale udtræk, komplet med Klingsor som truende faderskikkelse og Kundry som smækker moderfigur, der forsøger at forføre den Parsifal, der i samme akts begyndelse kravler freudsk infantilt rundt i en kravlegård. I tredje akt skulle forløsningen komme, ifølge Wagner, men den kommer ikke. Religionen forbliver den sygdom til døden, som den var fra forestillingens start. Og her er vi så tilbage ved ambivalensen, som også er selve denne konkrete opsætnings bevidste ambivalens: Den holder Wagner og hans tossede ideer ude i strakt amt. Tiderne er skiftet. Anderledes kan det ikke være. Heldigvis.
Søren Kassebeer

Kristeligt Dagblad, 24.3.2012

...Man bliver beruset af denne Parsifal. For kan Wagners tekst være hård at sluge, hvad man ved selvsyn kan konstatere ved at følge med i de danske overtekster, vælder tonerne til gengæld magtfuldt op fra orkestergraven. Aldrig har musikken i den grad suget os ind i Wagners univers, hvilke detaljer i blæsere og strygere, hvilken brusende strøm at lade sig rive med af! Den suveræne dirigent Hartmut Haenchen og Det Kongelige Kapel har en stor del af æren for, at det blev en uforglemmelig aften, og Det Kongelige Operakor, indstuderet af Philip White, fulgte fornemt trop. ...
Peter Dürrfeld

Jyllands-Posten, 23. März 2012

... Samt mere end noget andet, at Hartmut Haenchen styrer musikkens enorme, roligt strømmende forløb med formidabel retningssans, så ikke blot hver af de tre akter, men også hele kæmpeværket kulminerer på rette sted.
Man bør ganske enkelt se forestillingen alene for at høre, hvad Det Kongelige Operakor og Det Kongelige Kapel kan præstere i det helt store format. ...

http://kulturbloggen.com, 23. März 2012

Parsifal på Det Kongelige Teater i Köpenhamn en stor triumf för de medverkande – möttes med stående ovationer

Premiären av ”Parsifal” börjar med att ljuset i salongen är helt nedsläckt och man kan bara se skyltarna med nödutgångarna, som för övrigt är många fler än jag trodde sedan börjar musiken och i några minuter sitter jag alldeles tryggt i stolsätet och funderar på hur detta är möjligt, men så uppfattar jag i ett snabbt ögonkast att aftonens dirigent är försedd med en självlysande dirigentpinne.
Den helt underbara ouvertyren eller inledningsmusiken fortsätter, men nu är orkesterdiket ljussatt och jag sluta fundera på vad som är orsak och verkan och fortsätter bara att helt ägna mig åt den musikaliska upplevelsen. Wagners sista opera är en magisk musikupplevelse, som helhet, men skall jag vara helt ärlig så håller jag ouvertyren till hans ”Tristan und Isolde” minst lika högt. ...
Till den mycket positiva upplevelsen måste jag naturligtvis också konstatera att till detta bidrog i allra högsta grad Den Kongelige operakörs insatser. Det gav en mycket vacker klang, som jag visserligen inte är är obekant med, men i går kväll var det magiskt väl samsjunget och här imponerade både manskören och kvinnorna även om de sistnämnda kunde upplevas på håll. Inte konstaterat som något negativt, men kanske lite ovanligt men mycket njutbart.

Föreställningens verkliga huvudpunkt vill jag ju ändå räkna Den Kongelige Kapel under ledning av dirigenten Hartmut Haenchen bara hans insats var värd besöket.
Det var alltså en mycket stor musikalisk upplevelse på alla plan och en kväll där musik, sånginsatser, scenografi , ljus och kostymdesign sammanföll på ett magiskt sätt.
Publiken tackade också de medverkande med kraftfulla stående ovationer. Som sig bör.
Mogens H Andersson

Skånskan.se, 23. März 2012

Föreställningen dirigeras av Hartmut Haenchen, en av samtidens stora Wagnerdirgenter. Han utnyttjar Det Kongelige Kapels resurser fullt ut och får fram en lysande wagnersk klangbild, rent tysk och stringent utan spår av den yviga italienisering som tyvärr blivit allt vanligare.
Det är svårt att föreställa sig en bättre uppsättning av Parsifal än vad Det Kongelige Opera nu har åstadkommit.
Om ungefär en månad ska Malmö Opera visa upp Stefan Johanssons version med Leif Segerstam på dirigentpulten. Det ska verkligen bli intressant.
Lars-Erik Larsson

www.information.dk, 23. März 2012

... Markant replikkunst
Dirigenten Hartmut Haenchen har også en uhyre vigtig aktie i denne usædvanlige Parsifal. I en lang artikel i programmet redegør han for sin forskning i den specifikke Bayreuth-opførelsespraksis, og hans konklusion med gennemgående hurtige tempi og en deraf følgende slankere orkesterklang virkede besnærende, for ikke at sige velgørende. Hvis man sad og forventede fed og voluminøs Wagner, måtte man blive skuffet. Efter lidt tid vænnede man sig til noget andet og langt mere interessant: en let, silkeblød grundklang, en udforskning af styrkegraderne fra forte ned til det svageste pianissimo, og en diskret og alligevel markant replikkunst hos solister som obo, klarinet, fagot, horn go trompet....
VALDEMAR LØNSTED

PROGRAMMHEFT-BEITRAG VON HARTMUT HAENCHEN
„Zum Raum wird hier die Zeit“ 
Dieser Ausspruch von Gurnemanz umschreibt die Besonderheit des „Parsifal“, der in seiner dramaturgischen Großform ein Sonderfall ist. Keine Oper. Kein Drama. Kein Oratorium. Eine moderne, dialektische, binäre Struktur aus Handlung und Reflexion. Der traditionelle Begriff von „Handlung“ wird aufgehoben. Handlung und Reflexion werden miteinander verwoben. Wagner erfindet bereits für das Vorspiel des 1. Aktes eine exemplarische, für das ganze Stück vollständig neuartige Form, die nicht mehr wie in seinen frühen Werken eine musikalische Inhaltsangabe ist. Es ist eine Form des Weiterdenkens während des Stillstands der Musik. Das Vorspiel beginnt bezeichnenderweise mit einer Pause, es beinhaltet sechs Momente des vollständig musikalischen Stillstandes und insgesamt sechs Generalpausen. Damit sind grundsätzliche Strukturfragen des Werkes exponiert. Der Stillstand und die Pausen sind zum entscheidenden Faktor der Musik geworden. In diesen Pausen entwickelt sich die Musik unhörbar weiter, was durch die jeweils nachfolgende Musik, die niemals Gleiches wiederholt, deutlich wird. In den Pausen finden Zeit- und Gedankensprünge statt, die nach den Pausen hörbar gemacht werden. Dies Alles ist wiederum nur interpretatorisch darstellbar, wenn das Grundtempo und die Tempoverhältnisse den grundlegenden Ideen des Komponisten entsprechen, und die Inszenierung der Musik den „Raum“ für die „Zeit“ gibt. 

In den sinfonischen Teilen philosophiert der Komponist mit musikalischen Mitteln, indem er sich eines veränderten Leitmotiv-Konzeptes bedient. Während die Leitmotive in früheren Werken die Gefahr in sich bargen, einfach Etiketten zu sein, erhalten sie im „Parsifal“ eine völlig neue Bedeutung hinsichtlich der Formbildung und der semantischen Funktion: Am Anfang stehen sie sich fremd gegenüber, sind klar voneinander getrennt. Im ganzen Werk gibt es keine einzige, absolut notengetreue Wiederholung. Das Leitmotiv verändert sich mit den Figuren und den Situationen in einer psychologisch unglaublich feinfühligen Weise. Das geht bis zum Wechsel der Identität, wenn eine Figur das Motiv einer anderen übernimmt. Besonders im "Parsifal" hat Wagner die Kunst der Zergliederung seiner anfangs so statischen Motive zur formbildenden Kraft entwickelt. Er benutzt sein Grundmaterial zur eigentlichen Erzählung über die handelnden Menschen, und zwangsläufig müssen die Motive stellenweise so verschmelzen, wie das Gedankengut von einer Person auf die andere übergeht oder zwei die gleiche Empfindung haben. So gibt es Stellen, bei denen er z. B. die Intervalle des einen Motivs mit der Harmonik des anderen Motivs verquickt. Ebenso verfährt er mit typischen rhythmischen Strukturen, die nun wieder im Verhältnis zum Tempo stehen, das überhaupt eine der Grundfragen dieses Werkes ist. Das findet seinen Höhepunkt im musikalischen Abbild von Zeit in der Verwandlungsmusik des 1. Aktes, der auch der eingangs zitierte Ausspruch von Gurnemanz entstammt.

In "Parsifal" begegnet uns Wagners sparsamste, wenn auch längste Partitur. Sein Verzicht auf den übergroßen Aufwand, sein Verzicht auf eine wenig konkrete Ornamentik und Umspielung zeigt den Höhepunkt seiner musikalischen Entwicklung, die Nebensächliches aussparen kann. Die Streicher erhalten eine größere Wichtigkeit in der Klangbalance. Dies ist auch ein Ergebnis seiner Erfahrung mit der Bayreuther Akustik aus dem Jahre 1876. Wagner entdeckte, dass unter den Bayreuther Bedingungen die Transparenz des Klanges erheblich leidet. (Deshalb wurde der Graben später auch noch zweimal umgebaut und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts mit modernen technischen Mitteln akustisch verbessert und die Sitzordnung mehrfach verändert.) Im Vorspiel zeigt sich die Minimierung in einer ausgesparten Harmonik, die dadurch - im Gegensatz zu früheren Werken - einen Schwebezustand erreicht und erst durch die Handlung und Reflexion konkret wird. Hier wird konsequent und unisono die Keimzelle der ganzen Entwicklung vorgeführt. Die Tendenzen zum Zelebrieren dieses Werkes haben erst später eingesetzt und gaben damit sicher dem Werk einen falschen Aspekt. Mit der dramaturgischen Sonderform des Bühnenweihfestspiels wollte Wagner keine Zeremonie begründen, sondern eine Form benennen, die als Endpunkt und als Zusammenführung einer musikgeschichtlichen Entwicklung von Monteverdi und Schütz über Bach und Mozart zu verstehen ist. Ein christliches Werk ist es keinesfalls, eher eine Zusammenführung verschiedener Symbole aus verschiedenen Religionen. Dabei spielen seine vielseitigen Studien auf dem Gebiete indischer Mythen-Philosophie eine große Rolle. Fast der ganze zweite Akt (Klingsors Zaubergarten, die verführerischen Blumenmädchen, der über Parsifals Haupte schweben bleibende Speer ) ist durch indische Mythenzüge aus der Buddha-Legende angeregt worden. Jede zeitgenössische Aufführung muss über die Entzifferung der Zeichen, die die Partitur bietet, das Potential an Neuheit erschließen, das sich nur dem erschließen kann, der immer auf der Suche nach Neuem und Unerkanntem ist. 

An einigen Beispielen soll die wesentliche Bedeutung von Tempo im „Parsifal“, das zur Grundfrage einer jeden Interpretation wird, verdeutlicht werden: Wagner ordnet der erzählenden Ebene Tempi im mittleren Bereich und den emotionalen Bewegungen der Charaktere die extremen Bereiche von ganz langsam und sehr schnell zu.

Kundry ist mit Sicherheit die Kernfigur des Stückes, deren längster Kuss der Musikgeschichte nicht nur musikalisch-architektonisch als zentraler Punkt des Werkes betrachtet werden muss. Wagner geht bei dieser Gestalt zunächst von W. v. Eschenbach's teuflisch schöner Verführerin Orgeluse aus und verquickt sie in Anlehnung an die buddhistische Lehre von Wiederverkörperung in einer Doppel-Existenz mit der Gralsbotin Kundry. In dieser Existenz bewirkt sie Gutes. Bei Klingsor steht sie als schöne Frau machtlos im Dienst des Lasters. Aber auch hier bleibt Wagner vielschichtig, und so schwankt sie im 2. Akt zwischen eigenem Bewusstsein mit echter Liebe (dafür schuf Wagner ein eigenes Motiv) und der Willenlosigkeit, die durch den Fluch hervorgerufen wurde, einst den leidenden Heiland verlacht zu haben. Bei Klingsor ist sie die Verführerin wider Willen und im Dienste Titurels ist sie die Gralsbotin auch wider Willen („Nie tu ich Gutes“). In dieser Existenz hofft sie auf Erlösung durch Dienen am Gral als Buße und Sühne. Beides führt nun Wagner zur Erlösung durch Weinen im Anblick der „lachenden Aue“ und dadurch auch zur Zusammenführung der positiven Aspekte beider Seiten. Kundry durchschreitet Zeitgrenzen, sie fällt an einem Ort in tiefen Schlaf, um andernorts in anderer Existenz wieder aufzuwachen. Sie ist die Zerrissene, die viele Figuren in sich vereinigt, das zeigt sich auch in den ihr zugeordneten Tempi. Im 1. Akt durchschreitet sie alle Tempovariationen wie in einem Bogen: „Langsam“ beginnend und dann hauptsächlich„Lebhaft“ (also die schnellste Bezeichnung) und wieder zurück zu „nur Ruhe will ich“. Im Gespräch mit Klingsor zu Beginn des 2. Aktes hat sie immer langsamere Tempi als dieser. Erst wenn sie - wie Heinrich Porges, Wagners musikalischer Assistent bei der Uraufführung, aufschrieb - „ zum 1. Mal zu Kräften kommt“ bei „Ich will nicht“, übernimmt sie Klingsors schnelles Tempo, um in der „Mutter-Erzählung“ wieder auf das ruhige, aber nicht langsame wiegenliedartige Tempo zurückzugehen. Kundry wird selbst zur „Mutter“. Ihr Tempo-Bogen entspricht bis dahin genau der Struktur des 1. Aktes. Erst in der Christus-Erzählung bricht sie vollständig aus und wird schnell. Im 3. Akt sind ihre wenigen Worte, wenn sie bei Gurnemanz „dienen“ will, ganz auf das „Mäßig bewegt“ von Gurnemanz abgestimmt. Sie verliert ihren eigenen musikalischen Charakter, um dann noch einmal beim Zusammenbruch im 3. Akt den „Schrecken der Heiligkeit“ mit dem a-Moll-Akkord auszustrahlen.

Wagner war von seinen Blumenmädchen der Uraufführung begeistert und schrieb:
„Von ihnen wurde mir zunächst auch eine der wichtigsten Anforderungen erfüllt, welche ich zur ersten Grundlage des richtigen Gelingens ihres Vortrages machen mußte: der vom
Operngesange unserer Zeit den Sängern der heutigen Theater zu eigen gewordene leidenschaftliche Akzent, durch welchen jede melodische Linie unterschiedslos durchbrochen zu werden pflegt, sollte hier durchaus nicht mehr sich vernehmen lassen. Sogleich ward ich von unseren Freundinnen verstanden, und alsbald gewann ihr Vortrag der schmeichelnden Weisen das kindlich Naive, welchem, wie es andererseits durch einen unvergleichlichen Wohllaut rührte, ein aufreizendes Element sinnlicher Verführung, wie es von gewissen Seiten als vom Komponisten verwendet vorausgesetzt wurde, gänzlich fern abliegen blieb. Ich glaube nicht, daß ein ähnlicher Zauber des anmuthigst Mädchenhaften durch Gesang und Darstellung, wie er in der betreffenden Scene des „Parsifal“ von unseren künstlerischen Freundinnen ausgeübt wurde, je sonst wo schon zur Wirkung kam.“



Amfortas ist das männliche Gegenstück der Kundry. So wie sie den „Sündenfall“ des Lachens als Ursache ihrer Gespaltenheit hat, ist es bei Amfortas der „Sündenfall“ der Begegnung mit Kundry, der ihn den Widerspruch des Gralsrittertums fühlen lässt. Im Zwange Titurels wird er zum Gralshüter wider Willen. Er wird von den Gralsrittern zum alleinig Verantwortlichen für den Untergang der Gralsritterherrschaft gemacht und gerade darin liegt das inhumane Handeln der sich so elitär gebenden Gruppe. Seine Erlösung kann also nur durch das Zurückbringen des Speers und damit der „Tat“ in die untätige Gesellschaft erfolgen. Der zurückgebrachte Speer vermag die Wunde zu schließen. Die Wunde, die man als „Tatenlosigkeit“ bezeichnen kann. Sein Leiden ist also metaphorisch ewig. Dies ist durch Wagner durch Tempi wie „Schwer, aber nicht gedehnt“ charakterisiert und bleibt selbst in emotionaler Aufregung „Mäßig“. 
In Amfortas Dialog mit Gurnemanz hat Letzterer immer die schnelleren Tempi. Nur im Gespräch mit seinem Vater wird Amfortas lebhaft. Die Entsprechung dieser Tempoverhältnisse gibt es im 3. Akt, wenn er gezwungen werden soll, den Gral zu enthüllen. Die Weigerung entspricht dem Tempo des 1. Aktes. Pausen sind bei seiner Musik wesentlicher Bestandteil der Schilderung des Leidens: Heinrich Porges berichtet aus der Probenarbeit mit Wagner: „Amfortas spricht unrhytmisch“ gleich die ersten Worte „Recht so’ habt Dank! Ein wenig Rast.“ Auch hier wird, wie beim Vorspiel des 1. Aktes, der Beginn mit einer Pause und der wenige Text durch drei immer länger werdende Pausen durchbrochen.



Parsifal, von Wagner philologisch nicht einwandfrei als „reiner Tor“ übersetzt, steht als handelnde Person in der dramaturgischen Entwicklung zwischen dem Heiland und der Mutter einerseits und Kundry und Amfortas andererseits. Ihm ist die entscheidende Entwicklung im Werk gegeben, weil er in der Lage ist, sich ohne Manipulation mit menschlicher Empfindung der Welt objektiv und in positiver Weise naiv gegenüberzustellen. Dass es bei Parsifal nicht nur bei Erkenntnis bleibt, sondern diese Erkenntnis in Tat umschlägt, unterscheidet ihn im positiven Sinn von allen anderen Wagner-Helden. Wagner stellt uns aber keinen idealen Helden vor. Dass er fehlerhaft ist, es erkennt und nach persönlicher Vervollkommnung strebt und Taten statt Worte will, ist das Heldenhafte. So muss als logische Konsequenz ein großer Zeitraum zwischen 2. und 3. Akt liegen, da er noch viele Erfahrungen sammeln muss, bevor er in der Lage sein wird, seine Erkenntnisse umzusetzen. Wagner lässt den Erfolg Parsifals am Schluss szenisch wie musikalisch offen. Zwar übernimmt er das Amt Amfortas’, doch wird nichts mehr musikalisch über Parsifal ausgesagt oder gar über seine sieghafte Zukunft, da er allein steht. Wagner spart das kämpferische Parsifal-Motiv aus, weil Parsifal die Veränderung nicht allein bewältigen wird. Wagner schließt aber mit der Hoffnung auf die Veränderung, indem in Umkehrung zum Vorspiel des 1. Aktes das Motiv der Taube, die als Symbol der Vereinigung von Speer (Tat) und Gral (Geist) steht, in mehreren musikalischen Varianten dominiert. Cosima umschreibt es wie folgt: bei den Akkorden, wo Parsifal das Gralsritter-Gewand bekommt, hätte Wagner gesagt, dass dieses Thema den furchtbaren Lebensekel ausdrücke, den er, als er es schrieb, empfunden habe. Die Parsifal zugeordneten Tempi sind schnell bis mäßig belebt. Nur nach dem Kuss an zentraler Stelle des 2. Aktes und somit des ganzen Werkes, nimmt Parsifal das schnelle Tempo von Kundry auf, um nach der „Erkenntnis“, die er am Ende des zweiten Aktes macht, im 3. Akt das ruhigere Tempo von Gurnemanz aufzunehmen und so seine Nachfolge auch musikalisch anzutreten. Parsifals Tempi werden also exakt von den Erkenntnissen der ihn beeinflussenden Menschen bestimmt.



Klingsor und Titurel sind die Antipoden, die in ihren Extremen der Handlung die äußersten Pole bieten. Titurel stellt in seinem Irrtum, dass Keuschheit Sinnlichkeit verdrängt, das Keuschheitsdogma auf. Klingsor weiß, dass die Gralsritter an diesem Punkt scheitern werden, weil er die Heuchelei und Lüge eines solchen Dogmas als unmenschlich und nicht zu verwirklichen durchschaut. Entsprechend ist 
Titurel das langsamste Tempo zugeteilt und Klingsor das schnellste.



Gurnemanz ist in Wagners Werk die einzige Figur, der nicht unmittelbar eine charakterisierende Musik in Form eines Leitmotivs zugeordnet ist, obwohl es mit Abstand die größte Partie des Werkes ist. Damit stellt Wagner ihn bewusst mehr als Erzähler außerhalb der Handlung dar. Um die Figur aber dramaturgisch einzuordnen, muss man Gurnemanz’ umfangreiche Erzählungen als Schmerz über die verlorene Macht begreifen. Er versucht im 3. Akt - losgelöst von der untergehenden Ritterschaft - seine Ideale zu leben und muss erkennen, dass er ohne Gemeinschaft erfolglos bleiben wird, und so ist er es, der die Zukunftsmöglichkeit durch Parsifal erkennt. Gurnemanz teilt die Zeit in ein „Jetzt“ und ein „Davor“ des Erzählten. Das „Jetzt“ ist immer langsamer, wie die Gralsbrüder sich auch in Ihrer Aktivität „festgefahren“ haben. Das „Davor“ ist vorwiegend erzählend „Mäßig bewegt“. 


Tempo-Fragen

Beim Studium der Aufführungstraditionen von Wagners Werken fällt auf, dass etwa in den ersten 70 Jahren der Existenz von Wagners Werken eine bestimmte Richtung der Temponahme feststellbar war, die auf der Übertragung von einer Generation zur anderen erfolgte und keine extreme Abweichungen aufweist. Diese Weitergabe der auf Wagner zurückgehenden Tempi erfolgte ohne Tonträger. Seit etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts - zusammenfallend mit dem enorm wachsenden Einfluss der Medien - beginnt sich eine Tendenz abzuzeichnen, die Extreme sucht, die nachweisbar weit von Wagners ursprünglichen Ideen abweichen. Wir können mit Blick auf die historischen Dokumente davon ausgehen, dass die Aufführungszeiten (sprich: Tendenzen des Tempos) der Uraufführung sicher in wesentlichen Aspekten Wagners Intentionen näher stehen, als die späteren Extreme und eher zu langsam als zu schnell waren. Natürlich ist Tempo von vielerlei Faktoren abhängig, die hier im Einzelnen nicht dargelegt werden können. Kein Dirigent ist in der Lage, hundertprozentig Abend für Abend das gleiche Tempo zu erreichen. Sicher nicht in einer Kunstform, wie der Oper. Man muss sich bewusst sein, dass es einige Tausend verschiedene Tempi im gesamten „Parsifal“ gibt, die wiederum durch Wagners proportionale Anweisungen verbunden sind, aus denen sich eine Gesamtaufführungsdauer ergibt. Da aber alle sehr schnellen Tempi durch spieltechnische Grenzen nicht wesentlich schneller gespielt werden können, müssen sich Tempounterschiede im mittleren und langsameren Tempobereich abspielen. Wenn wir davon ausgehen, dass heute bestimmte spieltechnische Probleme leichter zu bewältigen sind als zu Wagners Zeit, ist der Unterschied zu Wagners Tempo-Ideen bei den heute üblichen langsameren Aufführungen als noch größer anzunehmen. Natürlich können nur originale Quellen Grundlage einer Beurteilung des „richtigen“ Tempos sein. In unserer Produktion in Brüssel sind wir in der Lage erstmalig in Belgien alle Aufzeichnungen wieder in die Interpretation aufzunehmen: Aufzeichnungen der musikalischen Assistenten Wagners (Heinrich Porges, Julius Kniese), von Wagners Dirigent Hermann Levi, seiner zweite Kundry Marianne Brandt (deren Bemerkungen gerade durch Stephan Mösch veröffentlicht wurden), seines zweiten Parsifal Alois Burgstaller, später von Felix Mottl, der „Parsifal“ nur gehört, aber nicht assistiert hat, von Franz Beidler sowie von Cosima Wagner (ihre späteren Anmerkungen dürfen nicht unkritisch übernommen werden). Auf der Grundlage der originalen Aufführungsideen Wagners müsste die Gesamttendenz bei der Aufführung seiner Werke also etwas schneller sein, als bei der Uraufführung. An wenigen Beispielen ist deutlich zu machen, worum es Wagner ging. 
Wagner, der als Autor Regie führte und selbstverständlich auch die musikalische Oberleitung hatte, brauchte Dirigenten, die fähig und bereit waren, vorbehaltlos auf seine Vorstellungen einzugehen und sie zu realisieren. Der Bruch der direkten Tradition entstand nach dem Tode von Siegfried und Cosima Wagner (1930) und dem Aussterben der ersten und zweiten Generation der Dirigenten. Siegfried Wagner hatte versäumt, eine Nachfolge generativ aufzubauen. Keiner der späteren Dirigenten außer Willibald Kaehler war Assistent bei den Festspielen gewesen. Es ist verständlich, dass von hier an die mündlich und verstreut schriftlich vorhandenen, auf Wagner selbst zurückgehenden Aufführungsdetails in den folgenden Jahren verschwanden. Die Aufführungen von Dirigenten, die der deutschen Sprache nicht in vollem Umfang mächtig waren, brachten zusätzlich Verwirrung in die Aufführungspraxis, da musikalische Anweisungen wie zum Beispiel „sehr gehalten“ plötzlich als Tempoanweisung und nicht als Artikulationsanweisung verstanden wurden. Neben Toscanini, welcher zur genannten Kategorie gehörte und einer der langsamsten Wagner-Dirigenten überhaupt war, stand die nächste große Wagner-Dirigenten-Persönlichkeit: Wilhelm Furtwängler. Er hat im Gegensatz zum "Bayreuther Stil" die Gleichberechtigung von Text, Theater und Musik abgelehnt und der Musik deutlich den Vorrang gegeben: "Das ‚Ganze’ der Oper, ihre Struktur, und ihr Sinn, wird aber durch die Musik bestimmt, der daher auch der Primat innerhalb der Oper zufällt." Dass der offensichtlich ideologische Missbrauch von Wagners Werk in der faschistischen Zeit auch zu sentimentalen, pathetischen und damit langsameren Aufführungen geführt hat, lässt sich an Hand der Bayreuther Aufführungszeiten leider nicht restlos beweisen, da die dafür relevanten Zeiten nicht vollständig genug überliefert sind. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass Furtwänglers Interpretation seit seinem ersten Ring von 1936, der in etwa noch den Uraufführungszeiten entsprach, bis zu seiner Aufnahme vom Jahre 1953 um 40 Minuten (!) langsamer geworden ist. Die Aufnahme zeigt auch deutlich, dass die überlieferten Anweisungen von Wagner nahezu keine Berücksichtigung mehr fanden und in vielen Fällen den nun wieder zusammengetragenen Anmerkungen Wagners geradezu diametral gegenüber standen. Dass Furtwängler für viele nachfolgende Dirigenten prägend war, steht außer Zweifel. Und die Mehrzahl der späteren Schallplatten-Einspielungen und Aufführungen ist langsamer als die Uraufführung oder als die Tempi der ersten 70 Jahre nach der Entstehung. Daneben gab es aber eine andere Traditions-Linie, die durchaus noch etwas vom ursprünglichen Bayreuther Stil bewahrt hat: Richard Strauss, der 1898 in Bayreuth assistierte, hat einmal gesagt: "Nicht ich bin im Parsifal schneller, sondern ihr in Bayreuth seid immer langsamer geworden. Glaubt mir, es ist wirklich falsch, was ihr in Bayreuth macht." Auch Gustav Mahler hat sich dahingehend geäußert. Strauss fiel - was die Tempi der Aufführungen seiner eigenen Werke durch andere anlangte – übrigens ein ähnliches Schicksal zu, wie Richard Wagner. (Man vergleiche nur die Aufnahmen unter seiner Leitung mit neueren Aufnahmen, die fast ausnahmslos langsamer sind). Strauss hat Felix Mottl (Assistent des ersten „Ring“ und Dirigent des „Ring“ von 1896) aufs Tiefste verehrt. Obwohl Mottl wegen seiner "langsamen" Tempi oft kritisiert wurde (er brauchte 1 Minute (!) länger für den gesamten „Ring“ als Richter), können wir davon ausgehen, dass die Tempi noch sehr nahe bei Wagners Intentionen waren. Cosima schrieb, dass "Mottl ein ausgesprochener Bühnendirigent war, der den Zusammenhang zwischen Szene und Orchester meisterlich zu wahren wußte." Er gehorchte damit einer zentralen Forderung des Bayreuther Stils. Strauss fühlte sich als direkter Nachfolger von Mottl und hat seinerseits wieder Nachfolger wie Clemens Krauss und Karl Böhm gefunden, die alle etwas unter den Uraufführungszeiten blieben. Schließlich gibt es noch die Besonderheit des "unsichtbaren" Orchesters, in welchem durch die besonders tiefe Aufstellung des Orchesters unter der Bühne der direkte Kontakt der einzelnen Musiker zur Bühne unmöglich ist, weswegen eine allgemeine Tendenz zu langsamen Tempi in Bayreuth zu bemerken ist, die Wieland Wagner treffend umschreibt: "Daher kommt zu einem großen Teil auch das Schleppen hier in Bayreuth. Der eine wartet mehr oder weniger unbewusst auf den anderen und entschließt sich erst dann weiterzugehen, wenn er ihn zu hören meint." Es ist allgemein bekannt, dass die besondere und viel gelobte Akustik von Bayreuth eigentlich nur wirklich im „Parsifal“ voll funktionsfähig ist. Es ist sicher auch eine der Erklärungen, warum Wagner für dieses Werk einen viel kammermusikalischeren Instrumentationsstil anwendet. Bei den frühen Stücken, die für andere Bühnen komponiert wurden und auch im „Ring“, der von viel dichteren Strukturen als der „Parsifal“ lebt, vor allem auch bei den „Meistersinger“, ist man sich bewusst, dass die Bayreuther Akustik durchaus nicht das Ideal ist, da sie die Kontrapunktik dieser Werke verwischt. Die überwiegende Verlangsamung der Tempi beim „Parsifal“, der nur wenige schnelle Tempi beinhaltet, die sich - wie oben dargestellt -weitgehend "temponeutral" verhalten, ist hier extrem darstellbar: Die Uraufführung 1882 unter H. Levi dauerte 4/04, 1888 unter F. Mottl 4/15, 1897 unter A. Seidl 4/19, 1901 unter K. Muck 4/27, 1909 unter S. Wagner gab es eine kleine Korrektur dieser Tendenz mit 4/22, 1931 unter A. Toscanini einen Rekord von 4/42 (38 Minuten langsamer als die UA), der nach dem Einfluss von C. Krauss 1953 eine umgekehrte Tendenz (3/44), aber mit J. Levine 1990 wieder das andere Extrem mit 4/33 folgten. Erstaunlich ist, dass innerhalb einer Oper Tempo-Unterschiede von nahezu einer Stunde denkbar sind. Vergleicht man das mit dem ganzen Ring, bei dem die Unterschiede "nur" knapp ein dreiviertel Stunden (gerechnet auf ca. 14 Stunden Musik) betragen, so sind die Extreme bei einer Berechnung auf 4 Stunden Musik wirklich außergewöhnliche, unterstützen aber deutlich meine dargelegten Ansichten über die Gründe der Verlangsamung. 

Gehen wir aber zurück zu den Quellen: In einem Brief vor dem ersten Bayreuther Ring 1876 schrieb Wagner an seinen Uraufführungsdirigenten Hans Richter: "Freund! Es ist unerläßlich, daß Sie den Klavierproben genau beiwohnen, Sie lernen sonst mein Tempo nicht kennen, und dann ist es mehr als beschwerlich, in den Orchesterproben, wo ich mich doch nicht gern erst mit Ihnen über das Tempo verständige, zum Schaden des Ganzen dies nachzuholen. Gestern kamen wir, besonders bei Betz (dem Sänger des Wotan), den ich am Klavier immer im feurigsten Tempo habe singen lassen, aus dem Schleppen nicht heraus. ... Ich glaube wirklich auch, Sie halten sich durchgängig zu sehr am Viertelschlagen, was immer den Schwung eines Tempos hindert...." An anderer Stelle schreibt er: "Es war nur in diesen Augenblicken so demüthigend, zu gestehen, was mich so verzweiflungsvoll erregte, ... , daß es mein Entsetzen darüber sei, wahrzunehmen, wie mein Kapellmeister, trotzdem ich ihn für den Besten halte, den ich noch kenne, das richtige Zeitmaß - öfters schon geglückt - doch nicht festzuhalten vermochte, weil - ja! weil er eben unfähig war zu wissen, warum es so und nicht anders aufgefaßt werden müsse." Cosima schreibt in ihrem Tagebuch am 20.11.1878: "Richard ruft wiederum aus: 
‚Nicht einen Menschen hinterlasse ich, welcher mein Tempo kennt.’" Und schließlich berichtet Cosima in ihrem Tagebuch: „Abends nahmen wir das Vorspiel von „Parsifal“ vor, Freund Seidl spielte es, und R. mußte lang über das Tempo sprechen, welches S. zu langsam genommen, oder besser unrichtig; R. sagt, Tempo sei gar nicht zu bezeichnen, ein jedes Stück habe seine eigene Art, gespielt zu werden; freilich gebe es Stücke, deren Tempo ungeheuer scharf und stramm genommen werden müsse, man müsse aber wissen welche, das müsse man beim Meister lernen, deshalb habe er eine Schule gründen wollen.“

Aus diesen Dokumenten wird deutlich, dass es Wagner vor allem darum ging, die Tempi nicht zu langsam werden zu lassen. Das gleiche bestätigt der Assistent Heinrich Porges bei den Proben zur Uraufführung. Er hielt in seinen Aufzeichnungen fest: "Nirgends durfte ein unmotivirtes, nicht durch die eigenthümliche Natur der Situation gebotene Zögern oder verweilen stattfinden" und kurz darauf berichtet er über Wagner, "dass er jeder blos individuellen Willkür, und äusserste sich diese auch auf geniale Weise, abhold ist." 
Die genannten Assistenten bei der Uraufführung des „Parsifal“ haben eine Unzahl von Bemerkungen überliefert, die Vieles in diesem Werk in anderem oder klareren Licht erscheinen lassen. Die Bemerkungen umfassen Textänderungen, Rhythmusänderungen, Tonhöhenveränderungen, Dynamik, Ausdruck, Sprache, Artikulation, Sprachakzente, Regieanweisungen, inhaltliche Erklärungen, Farben des Tones, Vibratofragen (sowohl non Vibrato als auch Vibratoanweisungen für Sänger und Orchester) und Balancefragen zwischen Sänger und Orchester. Für unsere Betrachtung sind die Tempobemerkungen, die die originale Partitur ergänzen, von großem Wert. Wir finden 90 zusätzliche Tempoanweisungen, von denen 62 schnellere und nur 28 langsamere Tempi fordern. Wobei letztere dieser Anweisungen mehrheitlich nur für Deutlichkeit bei schnellen Tempi sorgen sollen wie „nicht überstürzen“ oder „hastig aber nicht zu schnell, der Deutlichkeit wegen“. Wirklich eingreifend in die Interpretation sind Anweisungen, die der gedruckten Partitur diametral gegenüberstehen, wie z.B. im Vorspiel des 3. Aktes in der ersten großen Steigerung: In der Partitur steht „Zurückhaltend und breiter werdend“. Wagner änderte dies in der Probenarbeit zu : „nicht zu viel ritardando. Durch zu große Breite würde der Charakter der Melodie unverständlich.“ Seine immer wiederkehrende Bemerkung „nicht pathetisch“ zeigt deutlich, dass sich unter dem Einfluss der Dirigenten wie Furtwängler oder Toscanini ein Wagner-Bild herausgebildet hat, welches Wagners Vorstellungen vollständig entgegen steht. Ein schönes Beispiel ist auch beim Motiv der Liebe im 3. Akt anzutreffen als Kundry das Wasser bringt, wo Wagner bemerkte: „mehr agitiert als Adagio“. Er hebt also seine eigenen Partituranweisungen auf. Auf der anderen Seite war „Deutlichkeit“ eines seiner Lieblingsworte auf den Proben. Immer wieder legte er Wert auf die kleinen Noten, da – nach seinen Worten – die großen von selbst kommen. Wagner beantwortet auch die Frage, ob Leitmotive immer im Orchester „herausgestellt“ werden müssen: „solche Repetitionen der Hauptthemen sind nur als Begleitung zu spielen“. 
Pierre Boulez kommt das Verdienst zu, in der Nachfolge der Auffassungen von Richard Strauss das pathetische Wagner – Bild wieder korrigiert zu haben. Ich hatte das Glück, bei seiner Arbeit am „Ring“ in Bayreuth in den 70er Jahren hospitieren zu dürfen. 
Inzwischen verfügen wir über umfangreiche Informationen durch Studien der Quellen, die wieder zugänglich gemacht wurden sowie über eine Partitur, die von zahllosen Druckfehlern bereinigt werden konnte. Ich bin überzeugt, dass unsere Tempowahl den binären Charakter des Stückes zwischen Reflexion und Handlung treffen wird. Die oben angeführten Bemerkungen der Assistenten sind nicht nur bei der Tempowahl von großem Einfluss, sondern führten mich dazu, ein komplettes Orchestermaterial neu zu erstellen, da zur neuen Ausgabe noch kein gedrucktes vorliegt. Darüber hinaus habe ich durch die Bezeichnung der Stricharten der Bogenführung den von Wagner immer wieder geforderten Unterschied zwischen der „unendlichen Melodie“ einerseits und der erzählenden Musik andererseits herstellen können. 


Instrumente
Auch hinsichtlich bestimmter Klangvorstellungen führte das Quellenstudium zu aufführungspraktischen Entscheidungen: 
„Donnermaschine auf dem Theater“ so steht es in Wagners Originalpartitur. Aus dieser Notation ergibt sich die Frage, was Wagner wohl für eine Maschine gemeint hat. Schon als alte Tradition ist in den Theatern dafür ein großes Donnerblech, manchmal mit einer großen Trommel kombiniert, üblich. Andere Dirigenten suchen elektronische Lösungen. 
Auf der Suche nach Wagners Klangideen ist es Frau Dr. Christa Jost, der Herausgeberin der „Walküre“- Bände der Neuen Wagner-Gesamtausgabe gelungen, das originale Instrument in nicht mehr funktionsfähigem Zustand in einer Scheune des Fundus der Bayreuther Festspiele in der Nähe von Bayreuth aufzufinden. Damit ist die Frage nach Wagners Klangvorstellung zu beantworten. Es handelt sich um einen riesigen Apparat, mit einem extrem großen Fell bespannt, welches durch eine Mechanik - ähnlich einer Pedalpauke - während des Spieles in der Tonhöhe verstellbar ist und auf das verschiedene Holzschlägel, die über Nocken unterschiedlich ausgelöst werden, von einer Kurbel im Tempo veränderbar „gespielt“ werden. 
Für die Amsterdamer „Ring“-Produktion von 2005 war dies die Anregung, diese Maschine nachzubauen. Die Niederländische Oper stellt uns für unsere „Parsifal“-Produktion eine Aufnahme mit dieser Maschine freundlicherweise zur Verfügung. 
Das Klangergebnis zeigt deutlich, dass es bei Wagner um ein Musikinstrument – einer überdimensionalen Pauke ähnlich – ging, welches sich in seine Klangideen einbindet, nicht aber um einen technischen Vorgang oder um metallische Klänge eines Donnerbleches. 

Auch bei der Klangestaltung der Glocken in der Verwandlungsmusik des ersten Aktes, 
versuchen wir, Wagners Idee näher zu kommen. Bei der Uraufführung nutzte Wagner vier verschieden große Tam-Tams, beklagte aber deren ungenaue Tonhöhe und spottete andererseits über die Glasglocken, die im Münchner Theater sind. Wagner sagte spottend: „Solche Polyphemischen Käse-Glocken wären das Rechte.“ Und an anderer Stelle: „Nach einer Besprechung mit Sachverständigen über die Darstellung des nöthigen Glockengeläutes kam man darin überein, daß dieß immer noch am besten durch chinesische Tamtams zu imitiren sei. Also auf welchem Markte sind diese Tamtams in größter Anzahl und zu bester Auswahl anzutreffen? Man denkt: in London. Gut! – Wer übernimmt die Auswahl? Natürlich: Dannreuther. Also: versuche, liebster Freund, ob du 4 Tamtams auftreibst, welche – wenigstens annähernd – folgendes Geläute liefern: c-g-a-e. Zu bemerken ist, daß – um tiefen Glockenton heraus- zubringen, diese Instrumente nur sanft am Rande angeschlagen werden müssen, während sie sonst, stark in der Mitte beklopft, einen hellen und ganz unbrauchbaren Ton angeben. Also – sieh zu! –“. So wird auch deutlich, dass er wirklich die tiefen Klänge wollte. Später ließ Cosima Wagner deswegen die sogenannten "Parsifal-Glocken" bauen, welche bis heute als Standard für die Ausführung gelten, nachdem bereits vorher der Versuch unternommen wurde, richtige Glocken zu gießen, was aber offensichtlich nicht erfolgreich war. Die von Cosima in Auftrag gegeben „Glocken“ bestehen im Prinzip aus überdimensionalen Klaviersaiten, die angeschlagen werden, lassen aber den diffuseren Tam-Tam-Klang vollständig vermissen. Wir versuchen Wagners Klangvorstellung des Tam-Tam-Klanges und gleichzeitig dem Erfordernis der genaueren Tonhöhe zu entsprechen, indem wir gestimmte Gongs mit Tam-Tam und Klaviersaiten kombinieren. Wie wichtig ihm die Tonhöhe war, macht ein Telegramm vom 12. Juli 1882 an Eduard Dannreuther deutlich: „A Kingdom for a Tam-tam! mit richtigem C-Diapason normal.“

Wagner war wie kaum ein anderer Komponist daran interessiert, die vorhandenen Instrumente seiner Zeit nach seinen Vorstellungen weiter zu entwickeln und neue (z.B. die Tuben, die voller klingende Altgeige, die Hermann Ritter in Wagners Sinn entwickelte oder die Altoboe, die das für Wagners Klangsinn zu schwache Englisch Horn ersetzen sollte) bauen zu lassen oder gerade erfundene, wie die Bassklarinette, einzusetzen. Es wäre also ein vollständig falsches historisches Verständnis, Wagner auf den Instrumenten ausführen zu wollen, die er in den Orchestern vorfand, mit denen er arbeitete. Er war, wie Berlioz in Frankreich, derjenige, der die alten Instrumente durch neue ersetzen wollte und dabei selbst in Kauf nahm, wenn z.B. der von ihm geliebte Klang der Naturhörner aus dem Orchester verschwand. In Dresden hatte er bereits zwei Ventilhörner für die Hofkapelle anschaffen können und so zeigt die Dresdner „Tannhäuser“-Partitur zwei Naturhörner und zwei Ventilhörner. In den späteren Fassungen, als er für alle Musiker moderne Instrumente verfügbar hatte, verwendete er dann vier Ventilhörner. Wie sehr ihn die Frage beschäftigte und wie drastisch er über die Mängel der Hörner sprach, ist in seinem Artikel über die Ausführung der Beethoven‘schen Sinfonien zu sehen: „allein hierin war er durch die zu seiner Zeit einzig erst gekannte Beschaffenheit der Natur-Hörner und -Trompeten so kläglich beschränkt.... Dem heutigen Musiker habe ich nicht nöthig, die hier berührten Übelstände der Beethoven'schen Orchester-Instrumentation erst aufzudecken, denn sie werden von ihm, bei der uns jetzt allgemein geläufig gewordenen Verwendung der chromatischen Blechinstrumente, mit Leichtigkeit vermieden.“ Bei den Flöten bevorzugte er den leichteren und modulationsfähigeren Klang der konischen Flöten, legte aber auch Wert darauf, dass diese für den größeren Klang mit Ringklappen ausgerüstet waren. Auffallend ist bei Wagner aber auch, dass er die Flöten, gemessen an den anderen Holzbläsern, relativ wenig einsetzt.
Die von Wagner immer wieder verlangten großen Streicherbesetzungen bezogen sich natürlich auch auf die Instrumente der damaligen Zeit, die (bis auf die tiefen Saiten) noch Darmsaiten hatten. Am Beispiel seiner Kritik an den Bratschen ist aber abzulesen, dass er einen volleren Klang haben wollte, dem modern eingestellte Instrumente eher entsprechen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die durchaus nicht einheitlichen Stimmungen hingewiesen, die sich im ganzen 19. Jahrhundert regional sehr unterschiedlich nach oben entwickelten. Während man in München 1870 das a1 bei 435,4 Hz erreicht hatte, war es in London bereits weit über dem heutigen Kammerton bei extremen 455,1 Hz angekommen. Einen historischen Kammerton gibt es also auch für Wagner nicht. Spekulativ kann man nur annehmen, dass Wagner von der Dresdner Stimmung beeinflusst war, die vor seiner Flucht noch deutlich unter dem Münchner Kammerton lag. Wenn wir also heute in 444 Hz musizieren entspricht das dem Mittelwert der Stimmungen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa üblich waren.


Als Zusammenfassung seiner Wünsche ist eine etwas überspitzte Proben-Bemerkungen Richard Wagners aus dem Jahre 1876 zu nennen, die während der Untersuchungen der Quellen zur Aufführungspraxis wieder ans Tageslicht getreten ist: 
"Stimmung ist gar nichts. Die Hauptsache ist und bleibt Kenntnis."
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