Was hat Sie dazu bewogen, sich mit Händels Messias in der Bearbeitung von Mozart auseinanderzusetzen?
Der entscheidende Punkt ist für mich die Frage: Wie sehen Komponisten fremde Werke? Und dieser Messias ist für mich ein wunderbares Beispiel dafür, wie wenig dogmatisch zu Mozarts Zeit mit dem musikalischen Erbe umgegangen wurde. Historische Werke wurden damals nicht aus der Entstehungszeit betrachtet, sondern aus der Aufführungszeit. Das bedeutet - und das ist für mich heute noch wichtig - dass der Wert des Werkes an der Wirkung für die Aufführungszeit gemessen wurde. Dazu gehört, dass natürlich auch keine historischen Instrumente eingesetzt wurden. Die Werke wurden vielmehr dem Ort und dem Zweck der Aufführung angepasst. Mozart war in diesem Falle also in erster Linie Interpret, und nicht Komponist.
Und was mag den „Interpreten Mozart“ auf die Idee gebracht haben, ein historisches Stück, wie es der Messias damals zweifellos schon war, neu zu bearbeiten?
Dazu muss man sich die Situation in Wien vor Augen halten: Mozart hat das Stück in Wien auf Bestellung des Freiherrn Gottfried van Swieten bearbeitet. Van Swieten war ein begeisterter und durchaus fähiger Musikdilettant, der heute aber vor allem dafür bekannt ist, dass er die Jahreszeiten und die Schöpfung bei Haydn in Auftrag gegeben hat und dabei sogar selbst am Text mitgearbeitet hat. Gleichzeitig war er ein großer Liebhaber und Sammler der Werke von Bach und Händel. Mozart war oft zu Gast bei ihm, auch, weil van Swieten eine großartige Bibliothek hatte. Und dort hat er auch die Werke Händels kennengelernt - allerdings nicht im Autograph, sondern meistens in deutschen Drucken. Van Swieten selbst hat in Wien einen Kreis von Liebhabern gegründet und für eine Aufführung in diesem Kreis hat er Mozart den Auftrag erteilt, Händels Messias wie man damals sagte „für die Aufführung vorzubereiten“.
Das hört sich zunächst einmal nicht nach einer Bearbeitung im heutigen Sinne an...
Nein, denn es war damals ganz normal, dass Werke für einen bestimmten Anlass eingerichtet wurden: Die Räume waren ja unterschiedlich groß, die Besetzungen waren ganz verschieden und man richtete sich auch nach den Sängern, die man zur Verfügung hatte, und nach den Instrumenten.
Wie groß war das Orchester, für das Mozart schrieb?
Es gibt Dokumente, wo von 86 Musikern gesprochen wird und von 30 Chorsängern - also ein unverhältnismäßig großer Apparat. Es gibt zwar auch Dokumente, die von kleineren Besetzungen sprechen - ich glaube aber, dass der Apparat groß gewesen ist, weil die Zahl der überlieferten Stimmen außerordentlich hoch ist. Da damals alle Stimmen mit der Hand geschrieben werden mussten, hat man ganz sicher nicht mehr Stimmen angefertigt als unbedingt nötig!
Was haben Sie nun bei der Auseinandersetzung mit der Bearbeitung über den „Interpreten Mozart“ herausgefunden?
Auf der einen Seite ist deutlich die hohe Verehrung zu sehen, die Mozart der kontrapunktischen Kunst Händels entgegenbringt. Er lässt seine Fugen in ihrer Struktur unverändert, ja, er transponiert sie nicht einmal. Was er dabei aber sehr wohl tut ist, die Instrumentation sozusagen auf den Kopf zu stellen - und zwar deswegen, weil das Klangideal ein vollständig anderes geworden war: Man wollte in den Chorstücken gleichsam den vollen Klang einer Orgel imitieren. Mozart hat daher für beinahe alle Chorstellen Posaunen hinzugefügt, die mit Alt, Tenor und Bass parallel laufen. Bei einer Chorbesetzung von 30 Chorsängern ergibt das einen unglaublich vollen Klang, der wirklich einem Plenum-Orgelklang nahe kommt. Und damit der Orchesterklang ausgewogen ist, hat er darüber hinaus die modernen Instrumente seiner Zeit verwendet: Er hat Klarinetten hinzugefügt, die es bei Händel noch gar nicht gab, und er hat Flöten und Oboen so eingesetzt, wie sie erst in seiner Zeit zu spielen in der Lage waren: Denn damals begann man, die Instrumente mit Klappen auszustatten. Außerdem hat er das Fagott, das bei Händel grundsätzlich Continuoinstrument war, teilweise als selbstständiges Instrument mit einer eigenen Stimmführung einsetzt.
Und wie ist er in Arien vorgegangen?
Er hat - und da wird es gravierend - die relativ einförmige Instrumentation der Arien vollständig aufgebrochen und die Instrumentalstimmen anderen Instrumenten zugewiesen. Händel hatte ja die normale Barockbesetzung, bei der das Meiste bei einem Chor von Streichern und den Oboen lag; alles andere waren dann schon die Ausnahmen.
Auffällig ist außerdem, dass er die Trompetenpartien fast vollständig geändert hat. Das hat auch damit zu tun, dass die Stadtpfeiferinnungen, aus denen die virtuosen Clarinospieler hervorgingen...
...also Trompeter, die auf ventillosen Instrumenten in den höchsten Registern spielen konnten...
...zu Mozarts Zeit schon sehr heruntergekommen waren: Die Clarinoparts von Händels originalem Messias waren für Mozarts Musiker nicht mehr ausführbar und deswegen hat er die Trompetenstimmen wesentlich vereinfacht und die schweren Passagen zum Teil in die Holzbläser gelegt, oder, wie bei der berühmten Posaunenarie, ins Horn: Das Horn war zu Mozarts Zeit nämlich das einzige Blechblasinstrument, das noch einigermaßen virtuos gehandhabt werden konnte.
Überwogen bei der neuen Instrumentation praktische Gründe?
Nein, die Hauptursache der Uminstrumentation ist für mich die klangliche Farbigkeit, die der Philosophie der Zeit der Aufklärung entsprach. Zu Händels Zeit herrschte die Affektenlehre die, vereinfacht gesprochen, die Bedingung aufgestellt, dass ein Stück ganz in einem Affekt geschrieben wird. Mozarts Zeit hat dagegen versucht, auch innerhalb eines Stücks dem Wort nachzuspüren und in Farben Ausdruck zu geben, so dass die individuellen Empfindungen stärker betont werden.
Lassen sich jenseits der Instrumentation auch sonst noch Unterschiede zwischen der Aufführungspraxis der Mozart- und der Händelzeit in der Partitur entdecken?
Es gibt da als berühmtes Beispiel die punktierten Rhythmen der französischen Ouvertüre, die bei Händel nicht ausgeschrieben sind, weil sie in der Zeit einfach üblich waren. Mozart wusste noch um diese Praxis, aber er hat sie nur dort notiert, wo er sie haben wollte - und sie weggelassen, wo er sie nicht haben wollte.
Musste Mozart auch Kompromisse eingehen?
Was Mozart sicher geschmerzt hat, ist, dass er zwangsläufig für die Privataufführung, wo keine Orgel vorhanden war, das Cembalo nutzen musste. Es gibt aber eine Überlieferung, dass in den späteren Aufführungen bei van Swieten eine Glasharmonika, die ja in Mozarts Zeit sehr in Mode gekommen war, auch als Orgelersatz verwendet worden ist. Heute gibt es nur noch ganz wenige virtuose Glasharmonikaspieler, aber wenn ich einen bekomme, werde ich das Instrument einsetzen.
Warum erklingt das Werk in einer deutschen Übersetzung?
Mozart hatte die englische Originalfassung gar nicht vorliegen. Da er aber selbst bestrebt war, die deutsche Sprache für die Musik aufzuwerten, war das sicher keine Notlösung für ihn. Wir wissen ja auch aus seiner Opernarbeit, dass er sehr viel getan hat, um das deutsche Singspiel als wichtigen Gegenpol zur italienischen Oper zu etablieren, damit in Deutschland endlich auch auf deutsch gesungen wird.
Gibt es Bedeutungsverschiebungen in der Übersetzung?
Es ist eine alte deutsche Übersetzung, die Mozarts Sprachempfinden durchaus entspricht und im Großen und Ganzen inhaltlich getreu ist. Wir empfinden diese Sprache heute selbstverständlich als etwas altmodisch - wenn wir genauso handeln würden wie Mozart, dann müssten wir eigentlich auch sagen, wir machen eine neue Fassung.
Statt dessen wird es ein modernes Mise-en-Space geben. Was bedeutet es für Sie, das Werk in diesem ungewöhnlichen Kontext aufzuführen?
Das ist für mich natürlich auch neu, aber ich denke, dass wir hier auf der richtigen Linie liegen: Denn zum Ersten hat Mozart seine Version für einen weltlichen Raum und zum Zweiten als moderne Adaption für seine Zeit geschrieben. Insofern hat es eine gewisse Konsequenz, diese moderne Adaption zu nehmen um davon heute wieder eine moderne Adaption zu machen!
Das Gespräch mit Hartmut Haenchen führte Carsten Niemann
UN « MESSIE » AU GOÛT DU JOUR
ENTRETIEN AVEC LE CHEF D’ORCHESTRE HARTMUT HAENCHEN
Propos recueillis par Carsten Niemann
Qu’est-ce qui vous a amené à vous intéresser au « Messie » de Haendel dans la version de Mozart ?
La question de savoir comment un compositeur voit l’œuvre d’un autre compositeur me semble passionnante. Ce Messie montre à mon avis merveilleusement bien à quel point on était loin de tout dogme, à l’époque de Mozart, dans la manière d’aborder l’héritage musical. On considérait les œuvres du passé non pas en se plaçant à l’époque de leur genèse, mais à l’époque de leur exécution. Ce qui veut dire – et cela me paraît important encore aujourd’hui – que l’on mesurait la valeur d’une œuvre à son effet sur le public du moment. Par voie de conséquence, on n’utilisait pas d’instruments « historiques ». Au contraire, les œuvres étaient adaptées au lieu et aux circonstances de l’exécution. Mozart était donc en l’occurrence en premier lieu interprète, et non compositeur.
Et qu’est-ce qui a bien pu incité l’« interprète Mozart » à faire une nouvelle version d’une œuvre historique, comme l’était déjà « Le Messie » à cette époque ?
Il faut avoir le contexte présent à l’esprit : c’est à Vienne, en 1789, pour honorer une commande du baron Gottfried van Swieten, que Mozart a fait ce travail. Van Swieten était un mélomane enthousiaste et talentueux. On le connaît aujourd’hui principalement pour être le commanditaire des Saisons et de La Création de Haydn (il a d’ailleurs participé à l’élaboration des deux livrets). Il était également passionné par les œuvres de Bach et de Haendel qu’il collectionnait. Mozart lui rendait souvent visite, entre autres parce que van Swieten avait une bibliothèque formidable où il avait notamment découvert les œuvres de Haendel – non pas les partitions autographes mais, dans la plupart des cas, des éditions allemandes. Van Swieten avait fondé un cercle d’amateurs à Vienne et c’est pour un concert de ce cercle qu’il a demandé à Mozart de « préparer Le Messie de Haendel pour l’exécution », comme on disait à l’époque.
« Préparer » semble a priori plus anodin que ce qu’on entend aujourd’hui par faire une nouvelle version...
Oui, il n’y avait rien de plus normal à l’époque que d’aménager une œuvre pour une circonstance particulière : les lieux de concert étaient de tailles diverses, les effectifs plus ou moins grands, on s’arrangeait avec les chanteurs et les instrumentistes qu’on avait à sa disposition.
Quelle était la taille de l’orchestre pour lequel Mozart fit son arrangement ?
Certains documents font état de quatre-vingt-six musiciens et trente choristes – donc un orchestre excessivement grand. D’autres donnent des chiffres plus petits, je crois cependant que les effectifs ont dû être importants parce qu’il nous est parvenu un nombre élevé de parties séparées. Comme à l’époque tous les parties étaient écrites à la main, on n’en a certainement pas fait plus que celles dont on avait besoin.
Alors qu’avez-vous découvert en vous frottant à la version de Mozart ?
On voit d’une part très nettement le respect dont il fait preuve face à l’art contrapuntique de Haendel. Il ne change rien à la construction des fugues, il ne les transpose même pas. Par contre, il n’hésite pas à mettre l’instrumentation sens dessus dessous, pour ainsi dire, la raison étant que l’idéal sonore avait complètement changé : dans les pages chorales, on voulait désormais imiter la richesse sonore d’un orgue. Mozart a ainsi ajouté dans presque toutes les interventions du chœur des trombones qui doublent altos, ténors et basses. Avec un effectif de trente choristes, cela donne un son étonnamment plein qui se rapproche du plein-jeu de l’orgue. Et pour arriver à un son orchestral équilibré, il a utilisé les instruments modernes de son temps. Il a ajouté des clarinettes, encore inusitées à l’époque de Haendel, et il a profité des nouvelles possibilités des flûtes et des hautbois dont le jeu avait été facilité par l’ajout de clés. Enfin, il a ici ou là donné son indépendance au basson – qui, chez Haendel, était exclusivement un instrument du continuo – en lui confiant sa propre partie.
Et comment s’y est-il pris dans les airs ?
Il a été bien plus radical : il a complètement bouleversé leur instrumentation relativement uniforme – Haendel se tenant la plupart du temps à l’effectif baroque cordes et hautbois – et redistribué les parties.
Il est en outre manifeste que les parties de trompette ont été remaniées en profondeur. C’est dû au fait qu’à l’époque de Mozart, les corporations de musiciens d’où sortaient les virtuoses du « clarino »...
... c’est-à-dire les trompettistes maîtrisant le registre aigu d’instruments sans pistons...
... étaient déjà en piteux état. Les musiciens n’étaient plus en mesure de jouer les parties de « clarino » du Messie dans sa version originale et c’est la raison pour laquelle Mozart a extrêmement simplifié les parties de trompette et confié les passages difficiles aux bois ou bien, comme dans le célèbre air de trombone, au cor, qui était alors le seul cuivre capable d’une certaine virtuosité.
Dans cette nouvelle instrumentation, ce sont donc les raisons pratiques qui l’emportent ?
Non, la raison principale de ce changement d’instrumentation est à mon avis le déploiement de couleurs sonores, conforme à la philosophie des Lumières. C’était la théorie des affects qui dominait, à l’époque de Haendel. Ce qui, pour simplifier les choses, posait comme condition qu’une pièce soit écrite dans un affect d’un bout à l’autre. À l’époque de Mozart, on a essayé au sein d’un même morceau de suivre les nuances du texte et de les exprimer avec des couleurs afin de souligner les diverses émotions.
En dehors de l’instrumentation, la partition révèle-t-elle d’autres différences entre les pratiques d’exécution de l’époque de Mozart et celle de Haendel ?
Il y a l’exemple fameux des rythmes pointés de l’ouverture à la française : ils ne figurent pas dans la partition de Haendel parce qu’à l’époque ils étaient dans l’usage, donc sous-entendus. Mozart connaissait cet usage, mais il n’a noté les rythmes pointés que là où il voulait en avoir et s’en est débarrassé ailleurs.
[Mozart a-t-il dû faire des compromis ?
Mozart a certainement dû regretter de devoir utiliser un clavecin pour le concert privé viennois, car il n’y avait pas d’orgue sur les lieux. Un document indique cependant que dans des exécutions ultérieures chez le baron van Swieten l’orgue aurait été remplacé par un harmonica de verre, un instrument devenu alors à la mode. Il n’existe aujourd’hui que très peu de virtuoses de l’harmonica de verre, mais si je peux en avoir un, je ferai appel à l’instrument.]
Pourquoi cette version a-t-elle un texte allemand ?
La partition de base que Mozart avait reçu de van Swieten pour préparer sa version contenait une traduction allemande. Ce qui n’a certainement posé aucun problème au compositeur car il s’efforçait lui-même de promouvoir la langue allemande en musique. Dans le domaine de l’opéra, par exemple, il n’a pas ménagé sa peine pour établir le genre du singspiel face à l’opéra italien afin que l’on chante allemand dans les pays germaniques.
Y a-t-il des divergences de sens entre l’original et la traduction ?
C’est une vieille traduction allemande conforme à la langue de Mozart et dans l’ensemble fidèle à l’original. Bien entendu, cette langue nous paraît vieillotte aujourd’hui. Nous pourrions suivre l’exemple de Mozart et, en bonne logique, concocter une nouvelle version du texte.
Pas de nouveau texte, mais une mise en espace contemporaine. Que signifie pour vous diriger l’œuvre dans ce contexte inhabituel ?
C’est pour moi nouveau évidemment, mais je pense que nous sommes ici sur la bonne longueur d’onde. Premièrement, parce que Mozart a conçu sa version pour un lieu profane, après avoir pensé dans un premier temps que l’œuvre serait donnée dans une église ; deuxièmement, parce qu’il a fait du Messie une adaptation au goût du jour. Il y a finalement une certaine logique à prendre cette version pour en faire une nouvelle adaptation au goût d’aujourd’hui……
© 2011 Théâtre du Châtelet
Interview traduite de l’allemand par Daniel Fesquet