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21. March 2018 · Morgenpost

Hartmut Haenchen 75

Heiko Nemitz fragt Hartmut Haenchen

1)   Sie werden am 10. Mai das Eröffnungskonzert

der diesjährigen Dresdner Musikfestspiele dirigieren, zusammen mit Jan Vogler,

Ihrem Nachfolger als Intendant – ein Novum. Mit welchem Gefühl kehren Sie,

nunmehr als Gast, zu den Musikfestspielen zurück? Musste man Sie überreden?

 

NeNein. Ich habe Jan Vogler das

Projekt mit der Königlichen Kapelle Kopenhagen vorgeschlagen und daraus

entwickelte sich eine erneute Zusammenarbeit. Wir freuen uns beide darauf. Ich

kehre auch in meine ehemalige Wirkungsstätte, den Kulturpalast, zurück. Nun

aber dirigiere ich erstmals in dem neuen Saal.

 

Sie begehen in diesem Jahr auch Ihr 60.

Bühnenjubiläum. Im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur haben Sie Richard

Strauss zitiert, der erst mit 70 feststellte, wie schwer das Dirigieren

eigentlich sei. Sie werden nunmehr 75: Wie schwer oder leicht empfinden Sie

nach Ihrer jahrzehntelangen Erfahrung heute ein Dirigat?

      Sie erwähnten schon das

Strauss-Zitat.: „Dirigieren ist halt doch eine schwierige Angelegenheit. Man

muss erst 70 Jahre alt werden, um dies ganz zu begreifen.“ Dem ist eigentlich

nichts hinzuzufügen. Die Verantwortung, dem Komponisten gegenüber wird immer

größer und damit wird auch das Dirigieren immer schwerer.

 

Sie sprachen auch von einer „beängstigenden Entwicklung“

heutiger Dirigenten-Karrieren; Motto: Zu schnell, zu hoch. Welchen Ratschlag

legen Sie dem Nachwuchs am dringendsten ans Herz?

 

      Lernt aus der Partitur und nicht

von der CD. Hört erst die Musik in Euch, bevor Ihr dirigiert. Show gehört in

ein anderes Metier. Hinterfragt alles und seid Euch bewusst, dass Dirigieren

ein Erfahrungsberuf ist. Das Handwerk kann man lernen. Die Kunst, auf einem

Instrument zu spielen, welches einem nicht gehört, muss man erfahren und das

braucht Zeit. Nehmt euch die Zeit.

 

Am Mittwoch, Ihrem Geburtstag, sollen Sie

erstmals nicht am Pult stehen, sondern den Tag mit der Familie verbringen. Ihre

eigene Entscheidung? Und falls es ein Ständchen geben wird: Können Sie dann

guten Gewissens den Takt abgeben?

 

Es hat sich so ergeben, dass ich

am Tag des 60. Podiums-Jubiläum erstmalig an diesem Tag nicht auf dem Podium stehe. Folgerichtig werde

ich an diesem Tag nicht den Takt angeben.