Ursprünglich sollte dieses Vorspiel Der Raub heißen. Es sollte die Geschichte des Verbrechens zeigen, mit dem sich die Machthaber der Welt bemächtigt haben. Das Rheingold, einst ein beglückter Schatz der Natur, wurde zum Instrument des Verbrechens, als es sich in Geld verwandelte. Aber es trägt den Fluch, den der Schwarzalbe gegen den Lichtalben schleudert, in sich selbst: "Mit Gold gekirrt, nach Gold nur sollt ihr noch gieren". Von Erda lernt Wotan, daß Sorge und Furcht die Gesellen der Besitzenden sind.
Als das Rheingold komponiert wurde, 1853-1854, war die ursprüngliche Konzeption noch so gut wie intakt: dafür zeugt das Motiv des welterlösenden Schwerts, also des Weltretters Siegfried, das blitzartig in Wotan auftaucht, als er "wie von einem großen Gedanken ergriffen" die Burg grüßt, das dunkle Des-Dur plötzlich in hellstes C-Dur umschmetternd.
Es war Wagners Wunsch, diesen seinen Mythos so in Kunst zu verwandeln, daß keine Reflexion mehr notwendig sei: "Jedes unbefangene menschliche Gefühl muß durch seine künstlerische Wahrnehmungsorgane das Ganze begreifen können."
Vergleichen wir die Partien des Ring, in denen das am schönsten geglückt ist, etwa das Wunderwerk des ersten Walküre-Akts, mit dem Rheingold, so wird klar, daß hier Musik und Vorgänge demjenigen wenig zu sagen vermögen, der nicht beides als die Darstellung eines Verbrechens, und zwar eines nicht so sehr metaphysischen wie weltbedeutenden Verbrechens versteht. Dieses Verbrechen ist sozusagen gegen die Es-Dur-Unschuld der Natur gerichtet, deren Weben uns für 157 Takte ins Paradies zurückversetzt, bis im 158. Takt zum erstenmal c-moll für "Gold" benannt wird. Wagner sagte vom Ring: "Ich denke mir, meine Musik ist furchtbar, es ist ein Pfuhl von Schrecknissen und Hoheiten." So dialektisch müssen wir das Vorspiel hören. Gegen die "Feierlichkeit" hat Wagner sich selbst ausgesprochen (siehe den Beitrag über das Tempo bei Wagner). Wenn die Götter zum Bläser Des-Dur in Walhall einziehen, haben wir dreierlei mitzusehen und mitzuhören: erstens, daß da eine Leiche liegt, Fasolt das erste Opfer des Fluchs; zweitens Loges Kommentar: "Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen"; drittens die Antwort der Rheintöchter auf das Hohngelächter der Machthaber, die sich in ihrem Glanze sonnen: "Falsch und feig ist, was dort oben sich freut!" Fortissimo reißt die Dissonanz den glänzenden Schleier auf, bis dessen Wogen in den letzten paar Takten die Wahrheit überströmt. Das Drama hat begonnen.
Fanny Hensel zitiert in ihrem Brief an ihren Bruder Felix (9.12.1840) als Vorschlag für ein Finale der Nibelungenoper beziehungsvoll ein Thema für einen Doppelchor zwischen Hunnen und Nibelungen, welches identisch ist mit dem Goldene-Äpfel-Motiv von Wagner im Rheingold Takt 1718, das von Loge gesungen wird. Dabei geht es um die Vertonung eines Gedichtes Der deutsche Rhein ("Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein") von Nikolaus Becker, welches als Antwort auf die Forderung Frankreichs, 1840 den Rhein zu bekommen, entstand und rasch Verbreitung fand und trotz Verbotes durch die Zensur auch durch den Kronprinzen von Preußen vertont wurde. Daß Wagner es hier wörtlich zitiert, ist mit Sicherheit kein Zufall sondern ein Aufgreifen eines bekannten (verbotenen) revolutionären Liedes, welches den Namen der Göttin Freia, als den Begriff der Freiheit in einem deutlichen politischen Licht erscheinen läßt.
Brief an Familie Ritter, Zürich, 25.12.1854:
"Schon in Spezia hatte ich eine völlige Vision: - im Zustande der gräßlichsten Nervenleiden, mit einem Ekel vor allem, was mein Auge erblickte, streckte ich mich am Tage ein wenig aus, um mit geschlossenem Auge der widerwärtigsten Aufregung zu wehren: als ich für einen Moment in den gewissen Halbschlaf versunken war, stand plötzlich die Instrumentaleinleitung zum Rheingold - über die ich zuvor noch nie recht einig mit mir werden konnte - mit einer solchen Klarheit und Bestimmtheit vor mir, daß ich plötzlich begriff, was mit mir los sei. Augenblicklich beschloß ich meine Rückreise, ..."
Richard Wagner in Mein Leben über die Konzeption der Instrumentaleinleitung des Rheingold in La Spezia am 5. September 1853:
"...versank ich in eine Art somnambulem Zustand, in welchem ich plötzlich die Empfindung, als ob ich in ein stark fließendes Wasser versänke, erhielt. Das Rauschen desselben stellte sich mir bald im musikalischen Klange des Es-Dur-Akkordes dar, welche unaufhaltsam in figurierter Brechung dahinwogte; diese Brechungen zeigten sich als melodische Figurationen von zunehmender Bewegung, nie aber veränderte sich der reine Dreiklang von Es-Dur, welcher durch seine Andauer dem Elemente, darin ich versank, eine unendliche Bedeutung geben zu wollen schien. Mit der Empfindung, als ob die Wogen jetzt hoch über mich dahinbrausten, erwachte ich in jähem Schreck aus meinem Halbschlaf. Sogleich erkannte ich, daß das Orchester-Vorspiel zum Rheingold, wie ich es in mir herumtrug, doch aber nicht genau hatte finden können, mir aufgegangen war; und schnell begriff ich auch, welche Bewandtnis es durchaus mit mir habe: nicht von außen, sondern nur von innen sollte der Lebensstrom mir zufließen."
Brief Richard Wagners an Franz Liszt, Zürich, November 1853:
"Freund! Ich bin im Wunder! Eine neue Welt legt sich mir offen. Die große Szene im Rhein ist fertig: ich sehe einen Reichtum vor mir, wie ich ihn nicht zu ahnen wagte. Ich halte mein Vermögen jetzt für unermeßlich; alles wallt und musiziert in mir. Das ist - oh, ich liebe! - und ein so göttlicher Glaube beseelt mich, daß ich selbst - der Hoffnung nicht bedarf!"
Brief an Franz Liszt, Zürich, 15. Januar 1854:
"Das Rheingold ist fertig-: aber auch ich bin fertig!!!"