Richard Strauss (1864-1949)
„Eine Alpensinfonie“ 1915 zusammengetragen von Hartmut Haenchen
(in: Kurt Wilhelm, S. 22)
"Bergpartie des Vierzehnjährigen, von Murrau aus, auf den Heimgarten. Aufbruch 2 Uhr nachts, im Leiterwagen, fünf Stunden Aufstieg. Verirren. Drei Stunden über Stock und Stein abwärts kraxeln. Dazu Gewitter und Sturm. Nach zwölf Stunden Marsch durchnäßt und hungrig Nachtlager in einem Bauernhaus. Für Richard keine Strapaze, sondern: "Interessant und originell. Am nächsten Tag hab ich die Partie auf dem Klavier dargestellt. Natürlich riesige Tonmalerei und Schmarrn, nach Wagner." 34 Jahre später, in der Alpensinfonie, komponierte er das nämlich mit philosophischem Hintertsinn."
(in: Kurt Wilhelm, S. 46)
... Fünfundzwanzig Jahre später verwendet er in der Alpensinfonie ein Thema, das einem Motiv aus Bruchs berühmtem Violinkonzert sehr ähnlich ist. ("Warum nicht? Es ist doch schön") Bei einer Probe, ironisch zum Orchester: "Bitte nochmal vom Bruchkonzert an!" Die Musiker setzten richtig ein.
(in: Kurt Wilhelm, S. 94)
...Tod und Verklärung, Heldenleben, Domestica und Alpensinfonie aber sind Produkte seiner eigenen dramatischen Phantasie.
(in: Kurt Wilhelm, S. 102)
Strauss besuchte die Uraufführung des Palestrina und sagte Pfitzner hinterher Schmeichelhaftes über die wundervollen Stimmungen im 1. Und 3. Akt. Pfitzner meinte, der 2. Akt sei ihm sehr schwer gefallen, und da soll Strauss ihm jene oft kolportierte ironische Antwort gegeben haben, die Pfitzner in Mark traf:" Warum komponieren Sie ihn dann, wenn's ihnen so schwerfällt." - Später soll Pfitzner dann als Retourkutsche nach der Alpensinfonie im Künstlerzimmer zu Strauss gesagt haben:" Sehr eindrucksvoll, nur bei der Gipfelbesteigung hätten Sie sich beinah einen Bruch geholt."
(in: Kurt Wilhelm, S. 129)
Als Mahler 1911 starberzählte der Sohn Franz, war Strauss tagelang unfähig zur Arbeit, sprach kaum und notierte: "Der Tod dieses hochstrebenden, idealen, energischen Künstlers ein schwerer Verlust... Der Jude Mahler konnte im Christentum noch Erhebung gewinnen. Der Held Richard Wagner ist als Greis durch den Einfluß Schopenhauers wieder zu ihm herabgestiegen. Mir ist es absolut deutlich, daß die deutsche Nation nur durch Befreiung vom Christentum neue Tatkraft gewinnen kann. Sind wir wirklich weiter als zur Zeit der politischen Union Karls V. und des Papstes? Wilhelm II. und Pius?
Ich will meine Alpensinfonie den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur."
Solche Überlegungen und Empfindungen von einem Komponisten, dem Alma Geldgier als einziges Schaffensmitv nachsagte? Der nach Tragödien-Opern umkehrte zu Heiterkeit und Poesie. Nun "Es liebt die Welt das Strahlende zu schwärzen" (Schiller). In der Alpensinfonie waltet, im Gegensatz zu Zarathustra, keine symbolische Sinfonik. Es ist reine, unverstellte Bewunderung der ewigen, herrlichen, heimischen Natur.
lange, mit vielen Unterbrechungen daran gearbeitet
An H. von Hofmansthal
"Ich warte auf Sie und quäle mich inzwischen mit einer Sinfonie herum, was mich aber eigentlich noch weniger freut als Maikäfer schütteln"
- 10 Jahre nach Domestica
- gleichzeitig mit "Frau ohne Schatten", "Deutsche Motette" und "Ariadne"
- zwischen 2. Und 3. Akt von FroSch im Winter 1914/15 in 100 Tagen instrumentiert
- Tondichtung, Bilder und Stimmungen aus der oberbayerischen Bergwelt
"ein durch Naturerscheinungen und Naturerlebnisse imponierendes Alpen-Panorama"
- "Sinfonie" ist nicht die richtige Bezeichnung, bedeutet geistige Auseinandersetzung;
Gysi: Ein Tag im Hochgebirge
Strauss hält sich an sichtbare Tatsachen, nur in "Elegie" seelische Reflektion.
Charakteristisch: lebensvoll, melodienreich, eindeutig in farbiger Außenwirkung
Naturnachahmung: naturalistisch, Instrumente: Windmaschine, Donnermaschine, Herdengeläute, über 130 Instrumente
Erklärende Worte: Nacht, Sonnenaufgang, Anstieg, Wanderung neben dem Bach, Wasserfall, Blumige Wiesen, Alm u.s.w.
Echter musikalischer Realismus, tonmalerischer Naturalismus, "Alpenreiseführer"
Form: formal einsätzig,
Bei der Berliner Premiere 1915
Strauss: "Ich hab einmal komponieren wollen, wie die Kuh die Milch gibt."
Straussbiograph Richard Specht:
"(das Werk ist) nach seinen ersten Aufführungen nicht nur auf das ärgerlichste unterschätzt, sondern manchmal auch ein wenig überschätzt worden".
Paul Becker
"Ich glaube nicht, daß wir von dieser Kunst noch etwas zu hoffen haben, was über die Wirkung des unterhaltenen Spiels hinausgeht".
Kritik über die Uraufführung (28.10.1915, Dredner Hofkapelle) der Alpensinfonie
In: Signale für die musikalische Welt, Berlin Jg. 73, Nr. 44 3. November 1915
"... da brach ein Beifall von solcher Wucht und solchem Ungestüm los. Als hätte Strauss ihn selbst instrumentiert... " August Spanuth
Wiener Philharmoniker 5. Dezember 1915 Wiener Erstaufführung der Alpensinfonie