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Mahler, Gustav: Spielanweisungen für Streicher

Antworten auf Fragen eines Orchestermusikers

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Gustav Mahler: Spielanweisungen für Streicher

Fragen eines Orchestermusikers zur Ausführung von Gustav Malers col legno, 2004

Orchestermusiker:
.....also,
es gibt zu Beginn des 3. Satzes der 1. Sinfonie eine Stelle für Bratschen und Celli, die mit col legno bezeichnet ist.


HH: Ich nehme an, dass Sie Takt 45 meinen, wo alle Streicher col legno haben

Orchestermusiker:
Es wird jedes Mal wieder neu diskutiert, ob das nun batutto oder tratto
gemeint ist. In den meisten Partituren steht eben einfach nur dieses legno.
In den Stimmen jedoch gibt es ein gedrucktes „mit dem Holze gestrichen", ich weiß natürlich nicht, wo das herkommt (lange Zeit sind ja Ausführungsarten von Berühmtheiten dann allmählich in den Text eingeflossen), aber da es in den Stimmen gedruckt ist, und da ja zumindest die Celli später auch Viertelnoten haben, kann man sich schon vorstellen, dass er tratto gemeint hat.


HH: Ich halte dies für einen Fehler in den Stimmen, da der Stecher die Partitur- Anmerkung von Takt 135 (siehe weiter unten) glaubte auch hier einsetzen zu müssen. Sowohl aus der unterschiedlichen Artikulation wie auch aus allen (späteren) Schreibweisen Mahlers ist klar, was er meinte. Bei den Viertelnoten könnte man sich das vorstellen, aber in späteren Sinfonien notiert er auch Viertelnoten bei „Mit dem Bogen geschlagen" und bei col legno. Wenn Sie in den Bass schauen, ist dort pizzicato, die Bläser haben mit den Viertelnoten staccato Achtel. Ich denke, dass wirklich nur die Violinen den „Auftakt" breit spielen sollen. Wenn Sie in die große Trommel und das Becken schauen, wird klar, dass die Viertel ganz einfach „Faulenzer" sind, denn von einem ausdrücklich verlangten „Einzelspieler" kann ein unterschiedlicher Klang zwischen Achtel und Viertel nicht produziert werden.

Orchestermusiker:
Eine zweite Frage, die mich interessieren würde, betrifft das „mit dem Bogen geschlagen"; gewöhnlich kommt ein chaotisches Holzgeräusch dabei heraus, legno ist wohl nicht gemeint, aber irgendwie gibt diese Anweisung immer Grund zu höchster Gewalt, wie lassen Sie das spielen?


HH: Ich glaube diese Fragen sind eindeutig zu beantworten:
Mahler schreibt grundsätzlich in allen Sinfonien drei verschiedene Bezeichnungen:
1.) col legno
2.) col legno (oder „mit dem Holze“) gestrichen
3.) mit dem Bogen geschlagen
Aus der Kenntnis sämtlicher Werke und zahlreicher Manuskripte ist für mich (auch aus dem musikalischen Zusammenhang) folgendes klar.
1.) Mit col legno ist col legno battuto gemeint, so wie es in seiner Zeit (auch ohne Zusatz battuto) gemeint ist . Eine Inkonsequenz gibt es aber einmal beim frühen Mahler in der Sinfonie Nr. 1. Da hat er in der Partitur in den Systemen mit eindeutigen Bindebögen geschrieben, die ein battutto ohnehin nicht zulassen würden: col legno steht in den Systemen der Streicher und in der Partitur als Fußnote dann aber eine „Anmerkung für den Dirigenten: Kein Irrthum! Mit dem Holze zu streichen“. Im Gegensatz dazu schreibt der spätere Mahler um zu vermeiden, dass lange Noten col legno gestrichen werden extra noch „geschlagen“ hinzu, während er es bei den darauf folgenden kurzen Noten in den hohen Streichern nur col legno nennt.
2.) col legno gestrichen ist deutlich: Mit dem Holz gestrichen. Auch (gerade) die Tatsache, dass er das oft mit ff bezeichnet, was bei Orchestermusiker immer Verwirrung hervorruft, weil das ja nicht ff klingen kann, aber Mahlers Notation der Dynamik entsprechend der Instrumentalen Eigenheiten (nicht wie bei anderen Komponisten, die die Dynamik für das anzustrebende Ergebnis bezeichnen) vornimmt zeigt, dass das tatsächlich mit dem Holz gestrichen sein soll (was für kostbare Bögen nicht gerade sehr gut ist) und dies so stark wie möglich, was im Endeffekt aber über einen Piano-Effekt nicht hinauskommt.
3.) Mit dem Bogen geschlagen bedeutet eindeutig (eben im Gegensatz zu den col legno-Bezeichnungen), dass da Haar dazwischen ist, also nicht mit dem Holz, demzufolge weniger geräuschhaft ist. Wie weit das „mit höchster Gewalt" gespielt wird, liegt dann an der dynamischen Bezeichnung. In der Sinfonie Nr. 2 schreibt er f vor, was vermutlich einen objektiven Stärkegrad von maximal mf ergibt und damit auch identisch mit der gleichen Dynamik, bei gleicher Struktur in den Fagotten wäre. In der 4. Sinfonie klingt es immer noch im Verhältnis zum Piano der Celli. Entsprechend muss es dann ausgeführt werden. Ich achte darauf, dass selbst im ff, das Holz nicht zu stark durchschlägt, damit sich dieser Effekt niemals mit einem col legno verwechseln lässt .

Es gibt weitere Bezeichnungen, die Verwirrung hervorrufen und immer wieder zu Diskussionen führen. Mahler benutzt folgende Bezeichnungen:
spiccato: Bei diesen Beispielen wird deutlich, dass er einen Unterschied will zwischen Noten mit Staccato-Punkt und Noten mit Staccato-Punkt und der zusätzlichen Bezeichnung spiccato. Denn Takt 423 soll das Staccato offensichtlich an der Saite gespielt werden und dann Takt 427 im pp mit der Bezeichnung spiccato eben nicht an der Saite.

Der gleiche Fall gilt auch für
spring. Bogen. Im Falle der 2. Fassung des Klagenden Liedes, 3. Sinfonie, 7. Sinfonie, Lied von der Erde ist durch den zusätzlichen Bogen offensichtlich saltando gemeint. Ohne zusätzliche Bezeichnung ergibt sich diese Spielweise aus der Artikulation und Strichbezeichnung auch beim Lied von der Erde. Im Lied von der Erde kommt erstmals bei Mahler die Bezeichnung saltando. Damit ist nicht gemeint, dass mehrere kurze Noten unter einem Bogen auszuführen sind, aber dass der Bogen weiter von der Saite springt, als bei einem spiccato. Er macht durch die Fortführung tempre staccato deutlich, dass die Notation Achtel mit Achtel Pause bei saltando und Viertel mit Staccato-Punkt identisch auszuführen sind.

Staccato (als extra Bezeichnung): Wenn es mit einem Bogen über den Punkten auftaucht , dann sind eindeutig mehrere Noten auf einen Bogen gemeint. Ähnlich aber mit anderem Charakter in der 4. Sinfonie mit der Bezeichnung legg.. Wenn darüber aber kein Bogen steht, wie 5. Sinfonie und 7. Sinfonie ist ein leichtes spiccato gemeint. Wenn es über Punkten ohne Bogen steht, wie 7. Sinfonie ist es eine Sicherheitsanweisung für die Artikulation oder wie in der 7. Sinfonie und Lied von der Erde eine reine Anweisung für den Charakter der Spielmanier.

Strich für Strich: Dies schreibt er zur Sicherheit wenn vorher die gleiche Struktur im legato dastand um zu vermeiden, dass der Musiker denkt, es ist weiter so wie vorher auszuführen. In der 4. Sinfonie folgt legato.

non legato: bedeutet eigentlich das Gleiche, er setzt es aber bei diesem Beispiel umgekehrt ein: Die gleiche Figur kommt davor staccato und dann soll (wenn er keine Staccato-Punkte mehr schreibt) es nicht legato werden. In der 3. Sinfonie will er ebenfalls vermeiden, dass der schnelle Aufgang legato gespielt wird. Im Falle der 5. Sinfonie soll es lediglich sicherstellen, dass es nicht dem legato der Bläser angeglichen wird.


Ab der 4. Sinfonie findet sich die Bezeichnung großer Strich für lange Bogen-Striche mit größerer Bogengeschwindigkeit, gleiches gilt für die Bezeichnung viel Bogen bei schnellen ungleichen Bogenwechseln auf langen Noten. An anderer Stelle nennt er das breiter Strich, breit gestrichen oder lang gestrichen im Lied von der Erde und in der 9. Sinfonie breit gezogen nennt er es in der 6. Sinfonie und meint damit lange Bögen mit mehr Druck und geringerer Bogengeschwindigkeit. Gleiches gilt für lang gezogen in der 9. Sinfonie . Im Lied von der Erde steigert er durch die Anweisung ganze Bogen die Strichgeschwindigkeit, bei geringem Druck im piano noch mehr und erreicht eine Art Flautando-Effekt. Bei der Bezeichnung großer markiger Strich handelt es sich um mehrere Abstriche, die mit Akzent, langem Bogen und großer Bogengeschwindigkeit ausgeführt werden sollen. Kräftig gestoßen und marcato verwendet er auch im Piano und unterstützt dies teilweise noch mit Akzenten. Kurz gestrichen: ganz bewusst bei punktierten Rhythmen, kurz aber an der Saite spielen. Im Gegensatz zur gleichen Figur pesante. Und später wieder kurz, durch Staccato-Punkte angegeben. In der 7. Sinfonie ebenfalls kurz an der Saite. Kurz gestoßen : kommt bei Mahler nur im Fortissimo vor und bedeutet kurze, akzentuierte Striche in der unteren Hälfte des Bogens. Gerissen: stark akzentuiert mit dem Bogen in der unteren Hälfte in die Saite reißen, hohe Strichgeschwindigkeit, aber keine langen Bögen.
Martellato: erscheint bei Mahler erstmalig erst in der 5. Sinfonie. Später dann in der 6. Sinfonie und in der 9. Sinfonie.
wie gepeitscht: Die Stelle aus der 6. Sinfonie spricht für sich selbst aus der Notation.

Auffallend ist, dass diese Bezeichnungen ab der 8. Sinfonie lediglich im Lied von der Erde noch vorkommen. Vielleicht auch, da Mahler keine Gelegenheit hatte, diese Werke wie seine früheren noch einmal zu revidieren und seine eigenen Erfahrungen einzubringen. Es sei an dieser Stelle auch noch einmal (siehe auch die 14 Bücher des Autors Fiktive Briefe von Gustav Mahler) darauf hingewiesen, dass heute immer wieder ein Missverständnis bei Musikern und Dirigenten über das Verhältnis von Strichart und Artikulation auftaucht. Es ist ebenso wie bei der Dynamik: Mahler schreibt die Bezeichnungen immer im Verhältnis zur Strichart. Wenn er also z.B. mehrere Abstriche hintereinander vorschreibt und gleichzeitig ein Tenuto-Zeichen setzt, bedeutet dies, dass das Tenuto für die mögliche Länge mehrer Abstriche aber nicht absolut gilt. Die Pause zwischen den Noten hat Mahler durch die Strichart vorgeschrieben. Heute wird dies oft verändert um ein wirkliches Tenuto zu erreichen, was eindeutig nicht im Sinne Mahlers ist. Solche Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.

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