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Wagner, Richard: Die Walküre

Booklet-Beitrag zur SACD-Ausgabe

Donner und Wind

„Donnermaschine auf dem Theater“ so steht es für 19 Takte im 3. Akt der Walküre auf einem Notensystem in Wagners Originalpartitur. Aus dieser Notation ergibt sich die Frage, was Wagner wohl für eine Maschine gemeint hat. Schon als alte Tradition ist in den Theatern dafür ein großes Donnerblech, manchmal mit einer großen Trommel kombiniert, üblich. Andere Dirigenten suchen elektronische Lösungen.
Auf der Suche nach Wagners Klangideen ist es Frau Dr. Christa Jost, der Herausgeberin der „Walküre“- Bände der Neuen Wagner-Gesamtausgabe gelungen, das originale Instrument in nicht mehr funktionsfähigem Zustand in einer Scheune des Fundus der Bayreuther Festspiele in der Nähe von Bayreuth zu orten. Damit wäre die Frage nach Wagners Klangvorstellung zu beantworten. Es handelt sich um einen riesigen Apparat, mit einem extrem großen Fell bespannt, welches durch eine Mechanik - ähnlich einer Pedalpauke - während des Spieles in der Tonhöhe verstellbar ist und auf das verschiedene Holzschlägel, die über Nocken unterschiedlich ausgelöst werden von einer Kurbel im Tempo veränderbar „gespielt“ werden.
Bei einem solchen technischen Aufwand stellt sich eine zweite Frage: Ist diese einzige originale Angabe im 3. Akt in den Musiksystemen tatsächlich der einzige Einsatz dieser enormen Maschine gewesen?
Die Antwort ist schnell gefunden: In Wagners Regie-Anweisungen finden sich in allen Ring-Teilen Hinweise auf den Einsatz der Donnermaschine. Aber darüber hinaus finden sich bei dem Studium aller Aufzeichnungen der Assistenten Wagners erstaunlich viele Hinweise auf weiteren Einsatz der Maschine. Dies war für die Amsterdamer Produktion von 2005, die auf diesen CDs festgelegt ist, die Anregung, diese Maschine nachzubauen. (siehe Foto)
Das Klangergebnis zeigt deutlich, dass es bei Wagners Klangidee eher um ein Musikinstrument – einer überdimensionalen Pauke ähnlich – geht, welches sich in seine Klangideen einbindet. Nicht um einen technischen Vorgang oder um metallische Klänge eines Donnerbleches. Wir sind bei unserer Produktion erstmalig in der Lage, die vollständigen Aufzeichnungen aller Assistenten mit einzubeziehen. Dies führte u.a. zum Ergebnis, dass Wagner insgesamt an sieben weiteren Stellen weitere 18 Takte die Donnermaschine eingesetzt haben wollte. In den anderen Ring-Teilen führte das zu ähnlichen Ergebnissen. Die Maschine wurde also nicht nur für eine einzige Stelle, wie in der Partitur notiert eingesetzt. Die Vermutung lag also nahe, dass Wagner auch die Windmaschine einsetzte, die übrigens heute noch traditionell so gebaut wird, wie es zu Wagners Zeit genutzt wurde. Hier kamen in den Aufzeichnungen noch mehr Anweisungen zu tage, die teilweise grundsätzliche musikalische Fragen, wie zum Beispiel bei der Länge des Vorspiels im 1. Akt beantworten, die durch die Unregelmäßigkeit des Geräusches einer Windmaschine vollständig aufgebrochen wird. Die Assistenten haben 4 große Stellen des Einsatzes der Windmaschine aus Wagners Anweisungen aus dem Jahre 1876 festgehalten. Die Aufzeichnungen geben auch musikalisch genaue Anweisungen für Blitze und Wetterleuchten.
In unserer Einspielung sind also diese Klanganweisungen Wagners erstmals nach den originalen Quellen in die Aufführung einbezogen. Selbstverständlich auch das Geräusch, welches laut Wagners Notation durch Wotans Speer beim Ruf nach Loge für den Feuerzauber auf einem Stein hervorgerufen wird.

Unter den zahlreichen Änderungen, die sich durch die Nachforschungen bei der Edition der Neuen Wagner-Gesamtausgabe ergaben, ist hier vielleicht noch ein musikalisch wichtiger Moment hervorzuheben, der aus der Aufführungspraxis verschwunden ist, weil er nicht in den heute üblicherweise genutzten Partituren steht, sich aber wohl in Wagners Partiturerstschrift findet: In Wotans „Abschied“ am Ende des 3. Aktes bei „Denn so kehrt der Gott sich dir ab“ bringen sechs Harfenakkorde ein vollständig neues Klangbild. In dem Moment des „Er fasst ihr Haupt in beide Hände“ wird auch die Zärtlichkeit Wotans gegenüber seiner Lieblingstochter musikalisch ausgedrückt.

Hartmut Haenchen

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