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Uraufführung zu den Schütz-Tagen: Die Sintflut von Willy Burkhard

Beitrag: MUSIKER ERINNERN SICH AN ZEITGENÖSSISCHE CHORMUSIK AUS IHRER KRUZIANERZEIT

Kreuzchor-Schriften Band 2. Hrsg. Seite 16




Noch druckfrisch waren die Partituren, als wir am Ende eines übervollen Schuljahres ein Werk in die Hände bekamen, welches für mich eine gewaltige Herausforderung in mehrfachem Sinne war: Obwohl wir vom ersten Tag, den ich im Kreuzchor verbrachte, eigentlich wöchentlich mit der neueren und neuesten Chormusik vertraut gemacht wurden, bedeutete die Vorbereitung auf die Uraufführung der Sintflut des Schweizer Komponisten Willy Burkhard am 3. Juli 1955 einen Meilenstein. Das Werk ist auf Texte aus dem 1. Buch Mose als Kantate für Chor a cappella konzipiert.

Gerade hatte ich Rudolf Mauersberger meine Klavierfantasie in c-Moll vorgespielt, die sich stilistisch in einer merkwürdigen Mischung zwischen Schütz und Liszt befand, da kam diese Partitur in meine Hände, die alles bisher von mir in der zeitgenössischen Chormusik an Radikalität und Expressionismus Gekannte übertraf. Ich war fasziniert. Der Schwierigkeitsgrad war für uns damals enorm und dürfte auch heute noch selbst Profichöre vor eine große Aufgabe stellen.

Obwohl ich kein Chorpräfekt war, vertraute mir Mauersberger Stimmgruppenproben mit den (noch) Jüngeren an, da das Werk in bis zu achtstimmige Stellen aufgeteilt war: meine erste ›Dirigier‹-Aufgabe.

Wenn man rückblickend betrachtet, dass neben diesem großen Chorwerk noch die Erstaufführung von Günter Raphaels doppelchöriger Motette Im Anfang war das Wort und das Vater Unser von Hermann Simon auf dem Programm standen, versteht man, was Mauersberger wollte: dies als Höhepunkt und Abschluss der 1. Heinrich-Schütz-Tage des Dresdner Kreuzchores. Der Altmeister, der sozusagen in die Zukunft wirkt. Mir blieb für immer die Vertonung des Satzes im Gedächtnis: »da gereute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden.« Komponiert war dies in einem die verschwindende Menschheit darstellenden Diminuendo.

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