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Die Welt hat einen Komponisten verloren und ich einen Freund

Zum Tode von Ivo Petric.

Was ist ein Freund?

Ein Freund begleitet dich in schlimmen Tagen, er hilft Dir in der Not, er zeigt dir die Schönheiten des Lebens, die Schönheiten der Welt und lehrt dich den Genuss und kann mit dir lachen und weinen.

Es gibt Freunde, die sieht man relativ selten, doch wenn man sich sieht, ist es, als wäre nur ein Tag zwischen dem letzten Abschied und dem Wiedersehen gewesen.

Vor 40 Jahren, als ich Dirigierverbot hatte, kam ein stattlicher, gut aussehender Mann, ausgezeichnet deutsch sprechend, auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht einmal nach Ljubljana kommen wolle, um die Philharmonie zu dirigieren. Ich fragte erstaunt, wie er auf mich käme, zudem in einer Situation, wo ich nicht einmal ein Paß besaß. Er hatte im Rundfunk Aufnahmen unter meiner Leitung gehört. Ich sagte ihm, dass ich vermutlich keine Ausreise bekommen werde. Für die DDR war Jugoslawien schon fast „der Westen“. Die DDR brauchte aber konvertierbares Geld und so erreichte Ivo bei der Künstleragentur der DDR eine Ausnahmegenehmigung, die sozusagen einen Türspalt in meinem Dirigierverbot öffnete und lud mich ein, 1980 mein erstes Konzert mit der Philharmonie zu dirigieren. Es wurde Freundschaft auf den ersten Blick. Jedes Jahr war ich von da an, oft mehrfach, in Ljubljana zu Gast.
Und so lernte ich natürlich noch viele Seiten von ihm kennen. Zunächst den Komponisten. Ich durfte mehrere Werke von ihm aufführen und im „Dresdner Konzert“ hat er sogar eine Kadenz über meinen Namen geschrieben. Ich hüte alle Werke von ihm, die jemals auf Tonträger aufgenommen wurden. Alle wichtigen Orchesterwerke habe ich in Partitur.
Ich lernte ihn als hervorragenden Organisator kennen, der in schweren politischen und finanziellen Zeiten außergewöhnliche Programme mit hervorragenden Künstlern gestaltete und - fast wie ein Wunder - tatsächlich auch auf die Bühne brachte.
Ich lernte ihn ebenfalls als hervorragenden Tonmeister kennen. Zahlreiche gemeinsam gemachte Aufnahmen sind nun sein Vermächtnis.
Und ich lernte einen Menschen kennen, der herrlich lebenslustig sein konnte. Der die schwierigen und ärgerlichen Dinge des Lebens mit relativierenden Kommentaren herrlich versehen konnte. Er lehrte mich, keine Energie in ohnehin nicht zu ändernde Dinge zu investieren und lieber die herrliche Landschaft in Slowenien zu genießen und die leiblichen Genüsse nicht zu verschmähen. Er war auch da ein Meister.
Nachdem er die Leitung der Philharmonie abgegeben hatte, blieb diese Freundschaft bestehen. Viel ging über die Telefonleitungen, wobei seine Meinung zu meiner Arbeit zu den wenigen zählt, die für mich wirklich wichtig waren. Und schließlich brachte er es fertig, einen Überraschungsbesuch abzustatten, der ein ganz großes, unglaubliches Geburtstagsgeschenk für mich war. Zuletzt sprachen wir am Telefon über Mozart.
Und plötzlich kann ich das nicht mehr. Ich versuche es zu fassen. Und wie so oft merkt man beim Verlust erst ganz tief in seinem Herzen, wie wichtig er mir ist.
Mir bleibt nur - ganz einfach - ihm ein großes Danke zuzurufen: Danke Ivo.
Allen Angehörigen wünsche ich viel Kraft mit dem Verlust umzugehen. Mir war es vergönnt, auch die Familie kennenlernen zu dürfen. Auch dafür mein Dank.

Dein Freund Hartmut

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