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pizzicato, 01. March 2011
pizzicato, März 2011, Seite 34

High Energy

Was einem sofort auffällt, ist die Intensität, mit das Orchester, ein Opernorchester, das nicht im symphonischen Repertoire zuhause ist, diese Symphonie spielt. Hartmut Haenchen, seinerseits ein versierter Operndirigent, seit 2002 nun schon ohne eigenes Orchester, aber ein sehr aktiver Gastdirigent, gilt als exzellenter Mahler-Interpret. Als Dirigent der alten Schule, ausgebildet in der DDR, wo er auch als Interpret reifen konnte, kennt er die Symphonie so gut, dass er völlig über der Materia steht und sie mit dem Orchester auch bestens vorbereitet hat. So können er und die Musiker sich souverän auf Mahler konzentrieren und die Musik mit voller Expressivität spielen, ganz im Dienst von Mahlers genialer Orchestrierungskunst.
Haenchen macht keine Experimente, er stellt sich interpretatorisch weder auf einer noch auf einer anderen Seite ins Extreme, aber sein Mittelweg ist keinesfalls mittelmäßig, ganz im Gegenteil. Gleich in den ersten Sätzen bricht die Musik mit geballter Kraft über uns herein, als Aufschrei eines gequälten und leidenden Mahler, kontrast- und akzentreich, transparent und farbig, durchdrungen von packender Spannung. Ein satter Streicherklang, brillantes Blech, warme Holzbläser: das Orchester der Monnaie spielt engagiert und gibt dem charismatischen Dirigenten alles, was er braucht, um das Publikum in Hochspannung zu versetzen. Hoch anzurechnen ist ihm, dass er die Musik so differenziert sieht und aus der Energie weder pure Klangopulenz noch bombastische Klangwelt macht. Die Ausgewogenheit zwischen der rein orchestralen Kraft und der Emotionalität wird durch eine absolut richtige Balance beider Komponenten erzielt..
Haenchen stellt - etwas ungewöhnlich - das Andante an die dritte Stelle und erzielt so ohne jeden Sentimentalismus, aber auch ohne jede Ironie, etwas Ruhe und Lyrismus vor dem stürmisch-tragischen Finale mit seinen brutalen Hammerschlägen. Mahler hat hier keinen Sinn mehr für's Zynische, der Schmerz ist reell, die Angst sitzt tief.
RéF