CDs / DVDs

Sächsische Zeitung, 25. April 2013
Verheißungsvoller Anfang vom Ende

Eine Musik, die staunen lässt, ist ein Götter-Wettstreit. Dirigent Hartmut Haenchen lebt ihn aus. Es ist die erste Bilanz-CD seines Kammerorchesters namens Bach.

Da klingeln die Taler und läuten die Glocken. Morgen erscheint auf CD die Ersteinspielung „Der Wettstreit der Götter – La Gara degli Dei“ vom Dresdner Hofkapellmeister Johann David Heinichen. Diese Serenade ist nicht nur anregend schön. Sie hat auch eine spannende Geschichte und sicher eine große Zukunft.

Das Stück war 1719 zur Hochzeit von Friedrich August II. mit Maria Josepha von Österreich als Open-Air-Spektakel entstanden. Es kam so gut an, dass man das Salär des Compositeurs um 300 auf 1 500 Taler im Jahr erhöhte. Zu verstehen ist das: Denn die einst avantgardistischen Weisen sind selbst für heutige Ohren staunenswert originell und fantasievoll. Man wundert sich, dass der göttliche Wettstreit in den Archiven verschwand – zum Glück in der Sächsischen Landesbibliothek. Dort studierte der Dresdner Musiker Hartmut Haenchen das originale Manuskript bereits in den 1960er-Jahren. Allerdings hatte er erst 2003 die Chance, das Werk aufzunehmen.

Dass die gut abgelagerte Aufnahme aus dem Berliner Konzerthaus jetzt erscheint, hat einen festlichen wie traurigen Grund: Zum einen feiert der Dirigent und Musikausgräber Haenchen 70. Geburtstag, zum anderen ziehen er und das von ihm geleitete Kammerorchester „Carl Philipp Emanuel Bach“ Bilanz. Nach vier Jahrzehnten seiner Existenz wird sich der prominente Klangkörper selbst auflösen. „Nach 30 Jahren als Chef wollte ich die Leitung abgeben“, sagt Hartmut Haenchen. Sie hätten eine ganze Reihe von Dirigenten ausprobiert und auch einen Kandidaten gefunden. „Derjenige aber wollte und konnte letztlich nicht so viel organisatorisch und finanziell investieren wie ich. Das Orchester ist ja ein Zuschussgeschäft: Wir bekommen kein Honorar.“ So löst sich das nur auf mündlichen Absprachen basierende Orchester auf. Aber, sagt Haenchen, „es wird, bei aller Traurigkeit, ein schönes Ende“. So musizieren die Künstler im März 2014 zum 300. Geburtstag von Carl Philipp Emanuel im Berliner Konzerthaus und gehen dann noch mal auf Tournee. Dresden wollte kein Gastspiel. Schlusspunkt wird der 1. Mai sein – mit den drei letzten, wunderbaren Mozart-Sinfonien.

Dieses Ende einer Ära nimmt Berlin Classics zum Anlass, mit eben dem „Götter-Wettstreit“ von Heinichen eine Jubiläums-Live-Edition zu publizieren. „Es folgen feine Sachen, sagt Hartmut Haenchen. „Im Laufe unserer 120 Konzerte ist einiges an Kostbarkeiten und lohnenden Wiederentdeckungen zusammengekommen.“

Die Orchesterbesetzung von 27 Musikern bei Heinichen orientierte sich an der historisch über einen Kupferstich überlieferten Größe der damaligen Zeit. Es macht gute Laune, dieses Spitzenwerk des Barockmeisters zu hören. Gelungen ist auch die aufwendige CD-Box-Gestaltung. Allein das Beiheft ist ein Haenchen-typisches Buch mit den Gesangstexten, mit sprachgewaltige Texten von ihm zum Werk und zur feinnervigen Zusammenarbeit mit diesem erstklassigen Kammerorchester.
Bernd Klempnow