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www.klassik.com, 27. July 2013
www.klassik.com, 27. Juli 2013

Solidaritätsaktionen

Der Musiker und der Mensch Hartmut Haenchen kommen gleichermaßen zum Vorschein bei dem Projekt der Aufführung von Mahlers Achter. In Verbindung mit der Ersten von Mahler ein Glückwunsch zum 70. Geburtstag des Dirigenten.

Das Hochwasser an zahlreichen Flüssen in Süd- und Ostdeutschland, das auch dieser Tage wieder Medien und Gedanken der Menschen beschäftigt und zu vielfältigen Hilfsaktionen führt, war Hartmut Haenchen im Jahr 2002 Anlass, Mahlers Achte, mit der er sich gerade aus Amsterdam verabschiedet hatte, in Dresden zugunsten der Flutopfer aufzuführen. Auf andere Weise solidarisch hatte sich Haenchen durch seinen Weggang aus Amsterdam gezeigt, den er als Protest gegen die Streichung von Musikerstellen bei den Niederländischen Philharmonikern verstanden wissen wollte.

Jubiläum

Ein Mitschnitt dieser Produktion sowie ein Mitschnitt der Ersten Sinfonie Gustav Mahlers aus dem Jahr 1999 sind nun auf einer Doppel-CD des Labels ICA Classics zusammengefasst worden, offensichtlich und ohne, dass dies ausdrücklich vermerkt worden wäre, aus Anlass des 70. Geburtstags von Hartmut Haenchen im März dieses Jahres.

Aus Dresden stammend und in der DDR aufgewachsen und ausgebildet, wurde Haenchen 1985 Chefdirigent der Niederländischen Philharmonie und im Jahr darauf Generalmusikdirektor der Niederländischen Oper. Neben der langjährigen Leitung dieser Ensembles gastierte er an zahlreichen Häusern und sorgte für eine breitgefächerte, umfangreiche Diskographie.

Mahler-Verständnis

Hartmut Haenchen ist nicht unbedingt als Mahler-Dirigent bekannt; bekannter sind seine fiktiven Briefe Mahlers an einen unbekannten ‚Freund‘. ....

Das 16-seitige Booklet liefert kurze Einführungen zu den Werken und eine kurze Vita des Dirigenten. Durch die dreisprachige Wiedergabe fehlt der Platz für eine Präsentation der Gesangstexte, was den Mahler-Kenner weniger stören dürfte. Liest man das Booklet vor dem Hören der Einspielung, ist man als zeitgenössischer Mahler-Hörer, der die Entwicklung der Mahler-Rezeption und -Interpetation verfolgt, voreingenommen, da die Art und Weise wie auch der Inhalt der Einführung in die Musik dieser CD doch reichlich antiquiert erscheinen.

Dirigentenqualitäten

Haenchens Interpretationen der Ersten und Achten Sinfonie sind dann aber doch auf einem anderen Niveau anzusiedeln. ... Die Aufführungen beider Sinfonien sind ... gediegen und gut.

Insbesondere Mahlers Achte wirkt allein durch die Masse der beteiligten Musiker, durch die emphatische Vertonung des Pfingsthymnus und die ausgefeilte, komplexe musikalische Darstellung der Schlussszene aus Goethes ‚Faust II‘. Die Achte aufzuführen ist immer ein Ereignis, ein seltenes noch dazu, trotz des großen europäischen Musikbetriebs mit internationaler, vielfältiger Vernetzung. Eine überdurchschnittliche oder gar stilbildende Interpretation dieser Sinfonie zu schaffen, liegt dabei aber noch lange nicht auf der Hand.

Haenchen hat seine Leute aber gut im Griff und weiß, was er will und wie er es erreicht. Die Rubati und Tempowechsel sind organisch und durchdacht – und akkurat ausgeführt. Das Niederländische Philharmonische Orchester erweist sich als ausgewogener, musikalischer und professioneller, hervorragend funktionierender Klangkörper. Die Chöre führt Haenchen geschickt und mit viel Sinn für den dramatischen Aufbau; wunderbar gelingt die Steigerung des Chors ‚Dir, der Unberührbaren‘. Die Solisten sind ihren Partien meistens gewachsen, wobei die Sopran- und Mezzosopran-Solistinnen insgesamt überzeugender abschneiden als ihre männlichen Kollegen. Da es sich um Mitschnitte handelt, sind einige stimmliche Schwächen wie gestemmte oder falsch angesetzte Töne, Zwischenatmungen mitten im Wort und Konditionsschwächen im Durchhalten großer Linien nicht zu verbergen. Solo- wie Chor-Tenor haben die Tendenz zum Forcieren. Auch manche klangliche Mängel wie etwa Unausgewogenheiten zwischen Orchester und Chor sind der Live-Situation geschuldet.

Dass Hartmut Haenchen Musik über ihre professionelle Präsentation hinaus auch noch als verbindendes Element der Menschen- wie Völkerverständigung begreift, zeigt die Zusammenstellung der Ausführenden, unter denen Chöre aus der Ukraine und aus Dresden sind, die sich in der Musik mit Haenchens Niederländischen Philharmonikern und einer internationalen Riege von Solisten treffen.