Chamber orchestra

Tagesspiegel, 09. March 2014
Empfindsames Festkonzert für Carl Philipp Emanuel Bach

Das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach feiert den 300. Geburtstag seines Namensgebers mit einem Festkonzert im Konzerthaus
Was für eine lobenswerte, wahre Art, den 300. Geburtstag des Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach zu feiern! Das Kammerorchester, das seinen Namen trägt, spielt im voll besetzten Konzerthaus eine Rarität. Sie beleuchtet, wie der zweite Bach-Sohn das Erbe des Vaters Johann Sebastian in eine neue Zeit führt. Sein Oratorium „Die letzten Leiden des Erlösers“ steht in der Tradition der Passionsmusiken, bricht aber mit dem Brauch, das Bibelwort nach Matthäus oder Johannes zu vertonen. Diese singende Poesie beruht auf einem Libretto, welches das Leiden und Sterben Christi der lyrischen Betrachtung anheimgibt: „Du Göttlicher! Warum bist du/ So in des Todes Schmerz versunken?“, fragt der Solosopran nach einer stillen Sinfonia.

Das Werk beginnt ungewöhnlich zart, um Gefühlskontraste zu entfalten, zu weinen, zu donnern.

Bemerkenswert, dass die Passionskantate des „Hamburger Bach“ auf einem Textbuch von Anna Louisa Karsch basiert. Diese Gastwirtstochter, die quasi zwangsverheiratet durch zwei Ehen mit gewalttätigen Männern gegangen ist, hat neben allerlei Schäferpoesie Gedichte von verblüffender Aufrichtigkeit über ihr schweres Leben und andere Wahrheiten geschrieben, sich emanzipiert, mit Goethe korrespondiert und literarische Salons erobert. Wie Philipp Emanuel seit seiner Zeit als „Berliner Bach“ ist sie befreundet mit dem Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim, der die Veröffentlichung ihrer Gedichte veranlasst. Vielleicht hat er nicht zu hoch gegriffen, als er sie zur deutschen Sappho erklärte.

So wirft das Werk auch ein Spotlight auf die Geistesgeschichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und den Weg des Bach-Sohnes, wie er über den Kammercembalisten Friedrichs II. hinauswächst. Reiche Holzbläser-Instrumentierung, Orgel, Pauke: In den Accompagnato-Rezitativen und Arien auf Texte, die ans Herz rühren, engagieren sich mustergültig fünf Solisten: Christiane Oelze, Christina Landshamer, Anke Vondung, Maximilian Schmitt und Roman Trekel. Der Rias-Kammerchor versieht seine relativ wenigen Aufgaben (keine Turbae des Volkes!) mit Glanz. Über allem steht Hartmut Haenchen, Meister der empfindsamen Musik, der sein Orchester aufgeben wird. Ein sehr würdiges, aber auch wehmütiges „Festkonzert“.
Sybill Mahlke