Chamber orchestra

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04. September 2002
Nr. 205, S. 48
Unbeeindruckt von dem Riesen
Haenchen dirigiert Webers Erste
Die kolossale Wucht Beethovenscher Sinfonien hat so manchen nachgeborenen Komponisten in seiner Produktivität gehemmt. Brahms etwa glaubte stets hinter sich "den Riesen marschieren" zu sehen und wagte es erst im Alter von 43 Jahren, seine erste Sinfonie der Öffentlichkeit vorzulegen. Carl Maria von Weber, der keineswegs nur "auf die Welt kam, um den ,Freischütz' zu komponieren", war da wohl weit weniger skrupulös: Etwa zeitgleich mit Beethovens Sinfonien Nr. 5 und 6 arbeitete er seinerseits an zwei Sinfonien. Die erste in C-Dur (op. 19), die gelegentlich auch im Konzertsaal erklingt, wirkt wie ein Bindeglied zu Rossini. Webers Themen scheinen weniger originell, als ihre Verarbeitung dies glauben machen möchte, denn der Komponist sorgt gerade dabei für Abwechslung, unorthodoxe Klangwirkungen und eine Italianità evozierende Frische.

Dies alles konnte man bei einem Freiluftkonzert des Rheingau Musik Festivals im Kreuzgang von Kloster Eberbach mühelos nachvollziehen, weil das an diesem Abend gastierende "Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach" aus Berlin und sein Chef Hartmut Haenchen für eine transparente, Soli und plötzliche Instrumentenwechsel in ausgewogene Proportionen setzende Wiedergabe sorgten.

Etwas schwieriger war in diesem akustisch nicht gänzlich störungsfreien Ambiente die kammermusikalische Filigranität des "Siegfried-Idylls" von Richard Wagner umzusetzen. Als tragfähiger erwies sich Darko Brleks Klarinettenton: Der Musiker und derzeitige künstlerische Leiter des Ljubljana-Festivals spielte Mozarts Konzert A-Dur KV 622 besonders im langsamen Satz mit viel Sentiment und Ausgeglichenheit. Begonnen hatte der musikalisch ansprechende Abend mit der selten zu hörenden Orchesterversion der "Italienischen Serenade" von Hugo Wolf.

HARALD BUDWEG