Chamber orchestra

Leipziger Volkszeitung, 24. November 2003
Wiederentdeckung: Johann David Heinichens Festoratorium „La Gara degli Dei“ in Berlin (23.11.)

Fast 200 Jahre hat das Stück geruht, seit der Uraufführung im September 1719, wo Thronfolgers Hochzeit die Residenzstadt Dresdens wochenlang in einen Festplatz verwandelte – mit (er)-baulichen Nachwirkungen bis heute, denn auch Pöppelmanns Zwinger wurde während dieser Feierlichkeiten eingeweiht.
Johann David Heinichen, zwei Jahre vorher als Hofkapellmeister berufen, wird da ebenfalls im Dauereinsatz gewesen sein – und der „Wettstreit der Götter“, eher eine ausgedehnte Kantate als ein Oratorium im heutigen Sinne, zu seinen wichtigsten Beiträge gehört haben.
Ernsthaft gestritten wird darin zwischen den hohen Herrschaften nicht; es geht, zeitüblich, lediglich darum, wer dem jungen Paar auf engstem Raum die meisten Schmeicheleinheiten zu verpassen vermag. Das seimt, sabbert und buckelt nun eine reichliche Stunde lang hin – glücklich, wer des Italienischen nicht mächtig ist (...). Aber auch unser aller Bach hat ja solche Dinge vertont – siehe „Schleicht, spielende Wellen“ – und kaum anders als bei ihm wird einem auch bei Heinichen, unerachtet des stereotypen Wechsels von Rezitativ und Arie, der ganze devote Schwachsinn ziemlich schnell egal, weil die Musik ihn einfach hinter sich läßt. Der Komponist, noch lange nicht „aus-entdeckt“, erweist sich einmal mehr als eine Art Nord-Italiener – leichtfüßig, temperamentvoll und von lakonischer Eleganz. Das funkelnde Konzertieren zwischen Vokal- und Instrumentalstimmen liebt er über die Maßen (sogar eine solistische Laute gibt es), langsame Sätze hingegen gar nicht. So bleibt immer Drive in der Musik, und wenns dann allmählich doch ein wenig monoton wird, retten sich die sieben jubelnden Planetengötter gerade noch rechtzeitig in ihren Schlußchor.
Hartmut Haenchens Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Kammerorchester (...) hat also mit dieser Ausgrabung alles in allem einen guten Griff getan: nichts Welterschütterndes, aber höfische Unterhaltungsmusik hohen Niveaus. (...) Alexandra Coku sang das weniger mit letzter Emphase als in anrührender Herzlichkeit – einfach richtig schön.
Ebenso hochklassig brachte sie sich unter die sieben Oratoriensolisten – fünf Damen, zwei Herren – ein; zweiter Glanzpunkt der insgesamt sehr gediegenen Formation war die vitale, lustvolle Frische Katharina Kammerlohers, die nicht nur die Sonne verkörperte, sondern in der Tat auch so strahlte. Aber ziemlich gut ging es an diesem Abend sowieso allen Beteiligten. Haenchen führte mit federndem Charme, und seine Musiker, die ja nach der Pause immerhin siebzig Minuten am Stück auf den Füßen waren, lieferten unverdrossen perlend-virtuose Soli und luftiges Tutti-Gestrick. Unverkrampfte gute Laune; sollte man die Berliner Truppe nicht vielleicht für Leipzigs Olympiabewerbung...? Na ja, geschenkt...

Gerald Felber