Kalender

04. März 2008 · Paris, Opéra National de Paris, Bastille, 18.00 Uhr

Richard Wagner: Parsifal

Regie: Krzystof Warlikowksi; Bühnenbild und Kostüme: Malgorzata Szczesniak,
Amfortas: Alexander Marco-Buhrmester; Titurel: Victor von Halem; Gurnemanz: Franz-Josef Selig; Klingsor: Evgeny Nikitin; Parsifal: Christopher Ventris; Kundry: Waltraud Meier; Zwei Gralsritter: Gunnar Gudbjörnsson, Scott Wilde Vier Knappen: Hye-Youn Lee, Louise Callinan, Jason Bridges, Bartlomiej Misiuda Klingsors Zaubermädchen: Adriana Kucerova, Valérie Condoluci, Louise Callinan, Yun-Jung Choi, Marie-Adeline Henry, Cornelia Oncioiu Eine Altstimme aus der Höhe: Cornelia Oncioiu

Premiere

Pressestimmen

Rondo Magazin, Heft 3, 2008

... Im Fall von Wagners »Bühnenweihfestspiel « darf man dies hingegen ohne Wenn und Aber tun. Einfach himmlisch, diese Musik. Vor allem dann, wenn sie nicht, wie so häufig, zelebriert, sondern so gespielt wird, wie es ihr Schöpfer vorsah. Hartmut Haenchen hatte sich die Partitur daraufhin noch einmal angesehen, und er war zu dem richtigen Ergebnis gekommen, man müsse diesen »Parsifal « zügiger dirigieren. Und also tat er es und dies sehr zu unserem Genuss. ... und fühlten uns, als ob wir über das Trottoir schwebten.
Rondo Magazin · 06. März 2014
Opernglas Heft 5 2008 S. 18-20

Die Saalbeleuchtung geh aus, das Licht im Orchestergraben ist gelöscht, aus dem Dunkel steigen langsam de ersten Noten des Vorspiels auf. Was sogleich beeindruckt is der Klang des Orchesters der Pariser Nationaloper: die Streicher weich, das Blech... satt und mit mattem Glanz: Es ist dieser Klang, den Hartmut Haenchen den ganzen Abend hindurch pflegen wird (auch wenn die Zuspitzung der Handlung hier und da Schärfungen bedingt): unendlich zart und schmiegsam, mit einem leichten Sfumato, wie hinter einem feinen Schleier. Ein Klang von sozusagen vergeistigter Wärme, dessen Beherrschtheit Emotionalität nicht ausschließt, sondern – in weniger direkter,sublimierter Form – sogar potenziert. „Parsifal“ ist so weniger eine Oper oder ein Bühnenweihfestspiel als ein Mysterium von verschattetem Ernst, in dem Warten und Hoffen, aber auch Auflehnung und Todesverhangenheit die Palette der Nuancen zwischen Hellgrau und Tiefschwarz auffächern.
M.Zitzmann
Das Opernglas · 01. Mai 2008
OPERNWELT, Heft 5 2008 (S. 40-42)

...begegnet man in diesen Tagen einem musiktheatralischen Höhepunkt nach dem anderen in der französischen Kapitale. Hartmut Haenchen setzt „Parsifal“ unter Strom,.....

Erlöste Welt, kristallklar
Hartmut Haenchen entdeckt an der Pariser Opéra Bastille Wagners „Parsifal“ neu

Wagner, sagt Hartmut Haenchen, tickte deutlich schneller, als dessen durch wagnerianische Fürsorge gefestigter Ruf uns glauben macht. Schon für seinen Amsterdamer „Ring“-Zyklus hatte der Dresdner Dirigent die Originalquellen studiert – und zwar nicht nur das Notenmaterial, sondern auch Anmerkungen zur Aufführungspraxis, die sich in Briefen, in Cosimas Tagebüchern und in Aufzeichnungen von Wagners Assistenten finden. Die Recherchen förderten neue Einsichten zu Tage, die beinahe alle Aspekte der Interpretation betreffen – Phrasierung und Artikulation, Dynamik und Sprachbehandlung, Rhythmus – und vor allem Tempofragen. „Freund!“, schrieb der Meister etwa an Hans Richter, den Dirigenten des ersten Bayreuther „Ring“ 1876, „es ist unerlässlich, dass Sie den Klavierproben genau beiwohnen, Sie lernen sonst mein Tempo nicht kennen... Gestern kamen wir, besonders bei Betz (dem Sänger des Wotan), den ich am Klavier immer im feurigsten Tempo habe singen lassen, aus dem Schleppen nicht heraus. ...Ich glaube wirklich.., Sie halten sich durchgängig zu sehr am Viertelschlagen, was immer den Schwung des Tempos hindert...“ Und Cosima notierte im November 1878: „Richard ruft wiederum aus: „Nicht einen Menschen hinterlasse ich, welcher mein Tempo kennt.““
Das gilt zumal für das ganz auf die Akustik des gedeckelten Bayreuther Orchestergrabens zugeschnittene kunstreligiöse Gipfelwerk „Parsifal“, in dem Wagner die Bilanz seiner kompositorischen Erfahrungen zog. Seit der Uraufführung 1882 wurde sein opus ultimum zunehmend als Gottesdienst zelebriert. Das markanteste Zeichen dieser Sakralisierung war die kontinuierliche Dehnung der (Spiel-)“Zeit“, die hier bekanntlich „zum Raum“ wird. In einem Essay anlässlich der Neuproduktion des „Parsifal“ an der Pariser Opéra Bastille hat Hartmut Haenchen nun jenen Prozess der Entschleunigung penibel rekonstruiert, der Wagners ursprüngliche Intentionen auf den Kopf stellt. Während Hermann Levi für die Uraufführung (netto) vier Stunden und vier Minuten brauchte, erhöhte Karl Muck 1901 schon auf vier Stunden und siebenundzwanzig Minuten. Arturo Toscanini stellte 1931 mit vier Stunden und zweiundvierzig Minuten de Höchstmarke auf. Eine Tradition, die bis in de Gegenwart nachhallt: James Levine erreicht in seiner New Yorker Studioaufnahme von 1991/92 vier Stunden und dreißig Minuten.
Es gibt freilich eine gegenläufige Tradition. Sie reicht von Richard Strauss über Clemens Krauss bis zu Pierre Boulez, dessen energisch-zügige Tempi nicht unmaßgeblich dazu beitrugen, dass der Bayreuther „Jahrhundert-Ring“ 1976 in den mentalen Tempeln des Traditionalismus einen Schock auslöste. Einer der damaligen Hospitanten hieß Hartmut Haenchen. Und so kann es kaum überraschen, dass Haenchen im Fall „Parsifal“ heute dem Zukunftsmusiker Wagner vehement das Prä vor dem Klangkleriker gibt und dies mit Tempomaßen unterstreicht, die nur sechs Minuten über dem Krauss’schen Geschwindigkeitsrekord von drei Stunden und vierundvierzig Minuten bleiben.
Mit sportiven Ehrgeiz hat diese Haltung nicht das Geringste zu tun. Haenchen kommt es vielmehr darauf an, jene „Deutlichkeit“ in der Feinzeichnung der musikalischen Verläufe ins Zentrum zu rücken, von der Wagner auf den Proben immer wieder gesprochen hatte. An der Bastille-Oper tut er dies mit Orchestre et Choeurs de Opéra de Paris in atemberaubender sinnlicher Konsequenz. Bis in die Binnenstrukturen der Figuren hinein verfolgt Haenchen das Spiel wechselnder Identitäten - Kundry als „Verführerin“ und „Gralshüterin wider Willen“, Parsifals Entwicklung vom „reinen Tor“ zum Mensch gewordenen Erlöser, Titurels dogmatische Askese im Kontrast zu Klingsors strategischem Hedonismus. Doch nie entsteht dabei der Eindruck einer analytischen
Distanz
zum Gegenstand, einer modernistischen Kühle, die nur noch Wagners „Kunst der Zergliederung“, nur noch die Aufspaltung der Motive, den „Verzicht auf eine wenig konkrete Ornamentik“ und die „ausgesparte Harmonik“ wahrnimmt. Haenchen gelingt das Wunder, den Tonfall ritueller Pathetik zu tilgen, ohne jene Klangfarbendramaturgie zu unterschlagen, die Debussy so sehr an „Parsifal“ faszinierte. Selbst die Gralsszenen mit ihren klug auf den Galerien des Riesenraumes gestaffelten Höhenchören gewinnen so äußerste Transparenz und Geschmeidigkeit. Der Klingsor-Akt tönt in selten eindringlicher Plastizität aus dem Graben, die großen Erzählungen und Dialoge sind mit betörender innerer Flexibilität gestaltet. Die Balance zwischen Streichern und Holzbläsern ist sensibel ausgemessen, auch das Blech bleibt stets in das organisch begriffene große Ganze, in den Grundriß der aus wenigen Themen(partikeln) und zahllosen Variationen gebauten Riesenarchitektur eingebunden. ...... Vor dem Hintergrund der musikalischen Neuentdeckungen ist die Aufregung, die um Krzysztof Warlikowskis assoziative, atmosphärisch dichte Inszenierung entstand, nicht mehr als ein Stürmchen im Wasserglas. Zwar meinte ein Teil des Publikums, auch noch in der vierten Vorstellung das von Hartmut Haenchen im Dunkel mit Leuchtstab kristallklar dirigierte Vorspiel zum dritten Akt durch Buhrufe stören zu müssen, weil die verfallene „alte“ Gralssphäre mit einer Einspielung aus Roberto Rossellinis Filmklassiker „Deutschland im Jahre Null“ bebildert wird, die den Selbstmord eines Kindes in den Ruinen Berlins zeigt, doch die Bilder sind sorgfaltig gewählt. Zumal die Regie auf der Bühne ein Kind das Geschehen unaufdringlich verfolgen lasst - ambivalentes Symbol einer Zukunft, die ebenso gut gelingen wie scheitern kann. .... Alle entwickeln sich, keiner bleibt zurück. Sogar Kundry überlebt. Vielleicht gibt es sie ja doch, die durch Kunst erlöste, bessere Welt. Hartmut Haenchen hat in Paris schon mal gezeigt, wie sie klingen könnte.
Albrecht Thiemann
besuchte Vorstellung am 14. Marz 2008.
Opernwelt · 27. April 2008
Opus Musica, (E) April 2008

En lo musical, el final de acto destacará del resto gracias a una excelente dirección de Hartmut Haenchen y a una orquesta en la que sobresale un metal que llega a dinámicas apabullantes sin llegar a romper el sonido y un corno a la altura de los solistas vocales.
Pablo Ramos
Opus MUsica (E) · 07. April 2008
Süddeutsche Zeitung, 8.3.2008

.... Haenchen, der eine fein abgestimmte, zügig weiche und verhalten farbige Lesart bietet.
R.J.Brembeck
Süddeutsche Zeitung · 26. März 2008
http://www.letemps.ch, 26.3.2008

Armé d'une distribution souveraine, le chef Hartmut Haenchen dirige un orchestre merveilleux, tout en lignes, en transparence, en jeux de couleurs.
Jean-Jaques Roth
www.letemps.ch · 26. März 2008
http://italianidad.crearforo.com/image-est159907.html, 23.3.2008

Una vez más, la Orquesta estuvo a la altura de lo esperado y respondió fielmente a al estupenda dirección de Haenchen, que se llevó la mayor ovación de la noche. Me gustaron particularmente sus tempi, que permitían desplegar todo su lirismo a las larguísimas frases wagnerianas.
http://italianidad.crearforo.com · 23. März 2008
DeutschlandRadio 23.3.2008

Die Sensation jedoch zaubert im Graben und heißt Hartmut Haenchen, der Wagner so dirigiert, wie man es sich immer erträumt hat. Nichts wird verschleppt, nichts dröhnt oder scheppert, stattdessen gibt es ein Klangbad, in das man sich gerne stundenlang fallen lässt, weil es nie überschwappt, nie vor sich hin blubbert und immer die richtige Temperatur hat.
Jörn Florian Fuchs
DeutschlandRadio · 23. März 2008
http://opera.forumpro.fr/generalites-f3/parsifal-a-bastille-t1991-135.htm, 21.3.2008 gehörte Vorstellung 20.3.

Sinon j'ai adoré la direction d'orchestre de Hartmut Haenchen, très équilibrée. Les tempi sont très souples et judicieux, on a à la fois une vraie vision d'ensemble (le statisme du I et du III contrastant avec la vivacité et l'intensité dramatique du II), et des détails extrêmement soignés, les différents thèmes et leitmotive ressortant bien sans être assénés, lors des cérémonies le côté solennel n'est pas pour autant ennuyeux, le chef laisse l'orchestre sonner quand il y en a besoin mais ce n'est pas l'anarchie, on sent que tout a été pensé et que tout à un sens (les silences dans le Prélude du I notamment), j'ai trouvé ce travail absolument passionnant et magnifique à entendre.
http://opera.forumpro.fr · 21. März 2008
Liberation, 20.3.2008

Mais pour entendre l’ultime chef-d’œuvre de Wagner sous la baguette de Hartmut Haenchen, qui offrit en 2007 un Tannhäuser vivifiant à l’opéra d’Amsterdam.
Mise en place, équilibres dynamiques, articulations, son Parsifal est d’une rare musicalité. Le chef fait sonner Bastille et obtient de l’orchestre des cordes moelleuses, des bois fruités et des cuivres francs. Mais ce style bondissant, ces phrasés galbés, cette transparence extrême, sont-ils pour le coup adaptés au «festival sacré» qu’est Parsifal ? A ravir de caractérisation sonore, Haenchen ne perd-il pas un peu de cette «lumière d’au-delà» qui fascina Debussy et de cette tension rituelle qui fit les grandes heures de Bayreuth ?
Éric Dahan
Libération (F) · 20. März 2008
Neues Deutschland 18.3.2008

Hartmut Haenchen und Krzysztof Warlikowski gelingt an der Pariser Opera Bastille ein aufregender "Parsifal"

Die eigentliche Sensation dieses neuen Pariser "Parsifal" kommt nicht von Krzysztof Warlikowski.....die eigentliche Sensation ist Hartmut Haenchen mit seinem Orchester. Hier setzt der Dresdner nämlich Maßstäbe. Mit Berufung auf den Komponisten und dessen eigene Arbeit an der Partitur, gehört Haenchen "Parsifal" mit drei Stunden 55 Minuten zu den kürzesten der Rezeptionsgeschichte. Es gibt große Vorgänger, die brauchten für das Bühnenweihfestspiel eine Dreiviertelstunde länger. Weil sie mehr auf Weihe und Fest aus waren, als auf Bühne und Spiel. Selbst der alte, ewig junge Pierre Boulez war mit seinem Bayreuther Schlingensief Parsifal noch etwas länger. Doch bei Haenchen wirkt dennoch nichts gehetzt oder mutwillig beschleunigt. Die Musik atmet stets mit den Sängern, alles wirkt organisch, klar und frisch. Sie ist selbst im Forte nie laut, doch von einer Intensität, die von Innen kommt. Und oft auch einfach, von betörender Schönheit. Hier leistet nicht nur ein in Deutschland notorisch unterschätzte Dirigent einen bedeutenden Beitrag zur Aufführungspraxis und - geschichte, der schon nach seinem spektakulären Amsterdamer Ring vor zehn Jahren eigentlich nach Bayreuth gehört hätte.
Roberto Becker
Neues Deutschland · 18. März 2008
La Lettre du Musicien, 15.3.2008

L’Orchestre de l’Opéra, éblouissant de précision et le nuances, donne des couleurs et des sonorités somptueuses à ce Parsifal, à écouter les yeux fermés, sous la baguette sobre de Hartmut Haenchen.
Philipp Thanh
La Lettre du Musicien · 15. März 2008
Die Welt, 15.3.2008

In musikalischer Hinsicht ist der Abend erfreulicher. Waltraud Meier, seit mehr als 20 Jahren die Kundry vom Dienst, meistert ihren Part mit ungebrochener Souveränität. Evgeny Nikitin ist ein kraftvoller Klingsor, Franz Josef Selig ein menschlich warmer Gurnemanz. ....Das Orchester ist in guter Form. Im Programm polemisiert Hartmut Haenchen gegen die schleppenden Tempi seiner Kollegen. Mit drei Stunden und 55 Minuten reiner Spielzeit ist er fast so schnell wie Pierre Boulez, dessen Assistent er einst war.
Jörg von Uthmann
Die Welt · 15. März 2008
L'Humanité8.3.2008

en huant le metteur en scène Krzysztof Warlikowski, non sans avoir acclamé les chanteuses et chanteurs comme le chef Hartmut Haenchen


L'Humanite english Version 13.3.2008

Krzysztof Warlikowski being booed while the female and male singers together with conductor Hartmut Haenchen had been acclaimed.
Maurice Ulrich
L'Humanité · 13. März 2008
Le Canard, 12.3.2008

Le chef Hartmut Haenchen prend son temps. Il est si précautionneux qu’on a l’impression qu’il se complait à patauger dans du coton.
Luc Décygnes
Le Canard (F) · 12. März 2008
www.catholique-paris.com

Heureusement les voix wagnériennes et les engagements des remarquables chanteurs ont sauvé la seule musique de Wagner qui s’est magnifiquement épanouie dans les accents de l’orchestre de l’opéra de Paris dirigé avec beaucoup d’autorité. et d’intelligence par le chef allemand Hartmut Haenchen.
Claude Olliver
www.catholique-paris.com · 12. März 2008
Frankfurter Rundschau, 13.3.2008
Dresdner Neueste Nachrichten, 12.3.2008

Zwei Sachsen an der Seine
An der Pariser Opera Bastille macht ein neuer „Parsifal“ Furore – mit Hartmut Haenchen<(b> am Pult

...Ob die Pariser die eigentliche Sensation des Abends bemerkt haben, lässt sich nicht so ganz ausmachen, obwohl der Jubel für Hartmut Haenchen und seine durchweg erstklassigen Protagonisten ungeteilt war. Dabei war Haenchen mehr und grundsätzlicher von einer Tradition der Interpretation abgewichen, als es Warlikowski nach den radikalen Deutungen von Friedrich, Kupfer über Konwitschny, Nel, Alden oder auch Schlingensief überhaupt noch könnte. Und das, nicht weil er sich von Wagners Intentionen zu emanzipieren versucht, sondern im Gegenteil, weil er sie zu erfassen sucht. Das ist in Sachen „Parsifal“, neben aller Perfektion des Eindringens in die sich wölbende Klangarchitektur, am Ende eine Frage des Tempos.
Man glaubt es kaum, aber es gibt Interpretationen, die bald an die Fünfstundengrenze heran reichen. Hartmut Haenchen bleibt sogar noch fünf Minuten unter vier Stunden! Hartmut Haenchen erweist sich mit diesem Parsifal – wie schon mit seinem Amsterdamer Ring vor zehn Jahren – als ein hochsouveräner, sinnlicher Wagnerdirigent von Rang mit einer eigenen, erfrischend klaren, dabei stets intensiv den Raum (auch den riesigen der Bastille) füllenden, doch nie lärmenden Wagnerauffassung.
Haenchen wäre eigentlich der Bayreuthdirigent, der im Vergleich mit Christian Thielemann
eine produktive Spannung und Erneuerung versprechen würde.
Jachim Lange
Frankfurter Rundschau · 12. März 2008
La Bastille gagne, coté direction orchestrale. La partitionfleuve de Wagner permet à Hartmut Haenchen de développer son sens des longues lignes, son remarquable respect des voix qu’il soutient sans jamais les couvrir, malgré des éclairs de violence.
Emanuelle Giuliani
La Croix (F) · 11. März 2008
International Herald Tribune,10.3.2008

Hartmut Haenchen's conducting was alert to details and ensured that the music had sufficient breadth while not lacking forward momentum.
George Loomis
International Herald Tribune · 10. März 2008
Salzburger Nachrichten9.3.2008

Da muss man sich schon an die Musik halten. Hartmut Haenchen, der international unterschätzte, seltsamerweise von Bayreuth gänzlich ignorierte Dirigent, hat in jahrelanger Kleinarbeit Wagners Partitur von falschen "Weihestimmungen" und fragwürdigen Dirigiertraditionen gereinigt. Er erzeugt einen dynamisch fließenden, wundersam transparenten Klang mit kammermusikalischer Delikatesse und fein ausdifferenzierten Einzelheiten. Keine nebulöse Rauschwirkung wird hervorgerufen, sondern eine Klarheit und Distinktion, die vor allem dem gesungenen Wort eine dringliche Deutlichkeit verleiht.
Karl Harb
Salzburger Nachrichten · 09. März 2008
http://operachroniques.com, 8.3.2008

A cette mise en scène exceptionnelle de théâtre, d’humanité, de profondeur, répond un orchestre idéal, coloré et allant, d’une grande richesse d’articulation et de sonorités. Hartmut Haenchen revisite la partition de manière étonnante. La variation continue de tempo, le cisèlement des motifs, la clarté absolue des pupitres, l’énergie allante, les couleurs épatantes, tout concourt à faire de cette direction d’orchestre cursive un motif d’émerveillement permanent. Sans grandiloquence aucune, privilégiant systématiquement la musicalité immédiate à une architecture implacable, Haenchen exalte le lyrisme délicat de la partition avec un rare bonheur. Le chef d’orchestre avait annoncé son souhait de revisiter la partition en en retravaillant tempi, phrasés et articulations : essai transformé, et avec quelle réussite, pour une lecture très personnelle qui ne ressemble à aucune autre entendue dans cet ouvrage. Et que l’on n’est pas près d’oublier de sitôt. Ce travail n'est pas sans rappeler celui de Pierre Boulez pour la transparence générale, le lyrisme sans appui excessif, la finesse de la composition des timbres. Là où Boulez projetait l'oeuvre dans le vingtième siècle, Haenchen livre une lecture stylistiquement sans doute plus proche des intentions du compositeur, débarrassée de toute langueur indigeste, et qui n'est pas sans rappeler les témoignages wagnériens d'un Richard Strauss ou d'un Karl Elmendorff. Après une Salomé irrégulière mais prometteuse et un Capriccio souverain, Hartmut Haenchen s’affirme progressivement à chacune de ses apparitions parisiennes comme une des toutes meilleures baguettes de sa génération.
http://operachroniques.com · 09. März 2008
concertonet.com9.3.2008
Quels que soient les mérites d’une mise en scène, une production d’opéra ne satisfait que si la musique y trouve la place qui lui revient. On peut dire que, globalement, c’était le cas de ce Parsifal. Hartmut Haenchen, qui affirme dans le programme avoir repensé les différentes traditions d’interprétation en « reprenant, pour la première fois en France, toutes les indications notées par les assistants musicaux de Wagner », parvient à un bel équilibre entre une grandeur sans grandiloquence et un mysticisme sans fadeur, à la faveur de tempi très souples, refusant de jouer les officiants touchés par la grâce. On se réjouit aussi qu’il fasse la différence entre les actes, assumant comme le metteur en scène le statisme du premier et du troisième, où la direction met plutôt l’accent sur la polyphonie, alors qu’il privilégie plutôt la tension dramatique dans le deuxième. Mais la direction reste toujours lyrique, donnant tout leur poids aux silences, notamment dans le Prélude, moins éthéré que douloureux. L’orchestre, une fois de plus, nonobstant ça ou là d’infimes décalages, est superbe, plus que les chœurs, qui manquent de rondeur et flanchent parfois du côté des dames.
Didier van Moere
www.concertonet.com · 09. März 2008
Radio Notre Dame,9.3.2008

Heureusement les voix wagnériennes et les engagements des remarquables chanteurs ont sauvé la seule musique de Wagner qui s’est magnifiquement épanouie dans les accents de l’orchestre de l’opéra de Paris dirigé avec beaucoup d’autorité et d’intelligence par le chef allemand Hartmut Haenchen.
Claude Ollivier
Radio Notre Dame · 09. März 2008
Financial Times

Hartmut Haenchen's conducting balances reflection and drama with penetrating skill.
Francis Carlin
Financial Times (GB) · 08. März 2008
www.richard-fischer.net 7.3.2008

Les choeurs de l’Opéra de Paris, même s’ils manquaient un peu de précision par endroits, étaient célestes à souhait et l’orchestre, dirigé par l’excellent et précis Hartmut Haenchen, déroulaient leur tapis sonore wagnérien de manière claire et articulée. Le travail remarquable des cuivres est ici à souligner !
Richard Fischer
www.richard-fischer.net · 07. März 2008
Diapason, 6.3.2008

...le chef trouve une respiration qui convient mieux, et des arêtes, des phrasés, une allure qui font avancer le discours musical et conduisent jusqu’à des sommets d’alchimie sonore. Une ambiance de festival règne à l’Opéra de Paris. Qui s’en plaindra ?
Emmanuel Dupuy
Diapason · 06. März 2008
Deutschlandfunk 6.3.2008

Alles Breite schlank, alles Laute leise
Neuinszenierung von Wagners "Parsifal" in Paris überzeugt musikalisch

Mit dem "Parsifal" von Richard Wagner an der Bastille-Oper Paris ist Dirigent Hartmut Haenchen musikalisch neue Wege gegangen. Ohne Pathos, reduziert auf die reine Klang- und Motivverwandlung rekonstruiert Haenchen Wagners Oper anhand von Probeanweisungen und Notizen des Komponisten.
"Heilignüchtern" ist dieser "Parsifal" von Hartmut Haenchen gedeutet. Selten, aber dann um so zwingender, muss man auf das Wort in Friedrich Hölderlins Gedicht "Hälfte des Lebens" zurückgreifen, um etwas zu beschreiben, das so ganz und gar unpathetisch, schlicht, still und leise auftritt und dennoch oder gerade deswegen so wundersam und jenseitig wirkt. Eben wie ein glatter kühler See im Herbst, der die Hitze des Sommers und die organischen Gärungsprozesse des Lebens hinter sich hat. Die Erinnerungsstoffe haben sich am Grund abgesetzt, das Wasser ist wieder klar. So hat auch Haenchen die Partitur des Bühnenweihfestspiels gefiltert und die Feststoffe, um nicht zu sagen: die Fäulnis einer einseitigen Deutungstradition beseitigt. Hier wird nichts mehr zelebriert, der kunstreligiöse Dampf, das Leidens- und Mitleidspathos sind abgesaugt. Es geht nur noch um reine Klang- und Motivverwandlung, akustische Transsubstantiation ohne größere Aufregung.

Hartmut Haenchen hat jedoch keinen eigenen Parsifal-Klang erfunden, sondern nur versucht die Komposition im Sinne Wagners, nach dessen Probeanweisungen bei der Uraufführung 1882 und unter Zuhilfenahme anderer Wagner-Dokumente zu gestalten. Das betrifft vor allem das Tempo. Die Uraufführung hatte vier Stunden und vier Minuten gedauert, im 20. Jahrhundert dehnten Toscanini, Furtwängler und Levine auf bis zu vier Stunden und 42 Minuten. Hartmut Haenchen dagegen beschleunigt auf drei Stunden und 55 Minuten, also eine dreiviertel Stunde kürzer als Toscanini. Und keine einzige Sekunde hat man das Gefühl, dass gehetzt oder eilig über etwas hinweggegangen wird, im Gegenteil: Ruhe und Maß für diese Musik des Übergangs wirken natürlich und lebendig. Alles Breite macht Haenchen schlank, alles Laute leise. Wagner-Diät in Paris. Und das bekommt dem Stück sehr gut. Orchester, Gesang, Schauspiel und Szenerie kommunizieren wieder auf Augenhöhe. Der Text wird verständlicher, die Musik will nicht mehr überrumpeln oder den Verstand einnebeln, sondern uns fast kammermusikalisch zur ästhetischen Einsicht führen. Auch kleine Veränderungen dienen dazu, etwa indem das Vibrato über manche Strecken fast ganz herausgenommen wird. Leider nicht im Gesang, der aber dennoch mit Franz Josef Selig einen wohlklingenden Gurnemanz fand.

Alexander Marco-Buhrmester als Amfortas, Evgeny Nikitin als Klingsor, Waltraut Meier als Kundry und Christopher Ventris als Parsifal spielten und sangen im Sinne der musikalischen Verschlankung gut mit.

Wobei sich Waltraut Meier im zweiten Aufzug etwas schwer tat. Ihr hochdramatischer Sopran wurde bei so viel Enthaltsamkeit in den plötzlichen lauten Höhen eng und schrill.

Schlimmes war bei der Inszenierung zu befürchten gewesen. Krystof Warlikowski hatte kürzlich in München Tschaikowskis "Eugen Onegin" gnadenlos auf homoerotisch getrimmt. Bei der Männergesellschaft der Gralsburg im "Parsifal" hätte derselbe Zugriff nahe gelegen. Aber Gott sei dank hat Warlikowski die Finger davon gelassen. Die Gralsburg ist bei ihm ein Internat oder eine Hochschule unserer Tage. Der normale Gralsritter ist Student und hört den Professoren, Gurnemanz, Amfortas und so weiter, zu. Die Leibfeindlichkeit des Campussystems rächt sich, immer mehr laufen zum Lustbetrieb des Klingsor über, der ebenfalls totalitär regiert wird. Vor dem dritten Aufzug, wenn also Klingsors Reich am Boden und die Gralsgemeinschaft in Agonie liegen, lässt Warlikowski einen Schwarzweißfilm projizieren. Ein Junge geht durch die Trümmerlandschaft einer im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadt. Der dritte Aufzug spielt dann in der Szenerie der Trümmerliteratur. Wenn Parsifal jetzt die Führung der Schule übernimmt, wird er aber nicht zum neuen Führer. Die Volksgemeinschaft der Gralsritter ist aus dem Blickfeld verbannt, und Parsifal, Kundry, Amfortas und Gurnemanz versöhnen sich bei Kerzenschein und Rotwein zu einem sympathischen Freundeskreis. Die Väter und ihre Ideologien sind tot. Es lebe die Toscanafraktion. Das ist stimmig inszeniert und aktuell für einen polnischen Regisseur, dem die kommunistische Diktatur noch im Magen liegt. Dennoch ist das Großereignis in Paris die Musik.
Christoph Schmitz
Deutschlandfunk · 06. März 2008
Le Monde, 6.3.2008

.....D'ordinaire, à l'opéra, quelle que soit la mise en scène, on ne s'ennuie pas si la musique est bien traitée. Et elle l'était ... L'excellent chef allemand Hartmut Haenchen est précis, sourcilleux quant aux équilibres (les cuivres sont un tapis soyeux). Il dirige le choeur mieux que ce qu'on a entendu récemment à l'Opéra de Paris (en dépit de problèmes de justesse et de tenue de son dans les "choeurs célestes"), il fait de la musique de chambre avec la remarquable interprète de Kundry qu'est Waltraud Meier, ardente, subtile, sachant user des raucités de son aigu difficultueux. D'où vient alors qu'on s'ennuie et que la musique semble constamment muselée, tenue en respect ?
Renaud Marchard
Le Monde (F) · 06. März 2008
Die neue Produktion von Richard Wagners «Parsifal», die jetzt in der Opéra Bastille läuft, war zuallererst ein musikalisches Ereignis. Wie viel Wind wird doch um Wagner-Dirigenten wie Fabio Luisi in Dresden und Franz Welser-Möst in Wien gemacht, während es um Hartmut Haenchen, der nun wirklich erstklassige Qualität bietet, viel zu still bleibt. Noch ganz gegenwärtig ist seine Lesart von Wagners «Ring», die er vor einem Jahrzehnt für die Inszenierung von Pierre Audi in Amsterdam entwickelt hat. Auch hier in Paris, wo sich das Orchester der Nationaloper von allerbester Seite zeigt, entfalten der warme Ton, den er zu erzeugen versteht, der homogene, aber nirgends dicke Klang, die vorzüglich aufeinander abgestimmten Tempi und der geschickte Einbezug des Raums alle Wirkung. Kaum je geht der erste Aufzug von «Parsifal» mit seiner weit ausholenden Exposition so rasch vorüber, gerät der zweite im Reich Klingsors so spannend und entfaltet der dritte Akt mit seinen Bildern der Erlösung einen so ausgeprägten Sog.
Neue Zürcher Zeitung · 06. März 2008
Le Figaro, 6.3.2008

Niveau musical hors du commun pour cette première, á commencer par la direction incroyablement complète de Hartmut Haenchen, tout á la fois dense et fluide, dramatique et contemplative allante et fervente. Une synthèse souveraine de toutes les potentialités expressives de l’oeuvre, à la tête d’un orchestre fabuleux de fondu et de clarté…...
Christian Merlin
Le Figaro (F) · 06. März 2008
www.altamusica.com, 6.3.2008

La direction de Hartmut Haenchen n’est guère attaquable. Claire, intelligente, exacte, équilibrée, elle sait utiliser les splendeurs d’un Orchestre de l’Opéra décidément somptueux.
Gerard Mannoni
www.altamusica.com · 06. März 2008
www.webthea.com, 6.3.2008

A la tête pour la troisième fois de l’orchestre de l’Opéra National de Paris, le chef allemand Hartmunt Haenchen mêle le grandiose au mystique, respectant les silences méditatifs de la partition tout comme ses flambées illuminées. Rarement la musique de Wagner a atteint ce degré suprême d’émotion.
Caroline Alexander
www.webthea.com · 06. März 2008
FAZ, 6.3.2008

Wagnerianer wollen nur ahnen
Verkehrte Welt: In der Opéra Garnier beklatscht man in "Rake's progress" Orgien, in der Opéra National buht man über Rosselini-Szenen im "Parsifal".

PARIS, 5. März

Das Pariser Premierenpublikum war außer sich. In wütenden Zwischenrufen und lautstarken Drohgebärden verschaffte es sich zu Beginn des dritten Aufzugs Luft. Gerade, dass es sich nicht geprügelt hat. Viel Mut gehörte freilich nicht zu diesem Protest. Denn schon beim Frühstück hatten die "Parsifal"-Besucher im "Figaro" lesen können, dass sie abends recht daran tun würden, sich zu beschweren. Das Blatt warf dem Operndirektor Gerard Mortier vor, er habe sich wegen ähnlicher Proteste während der Generalprobe erdreistet, zu unterbrechen und um Ruhe zu bitten. Der Kolumnist schlussfolgerte, Mortier "vertrage nicht die mindeste Kritik".
Was war auf der Bühne geschehen? Anstößiges, Blasphemisches, Widerwärtiges? Nichts davon. Die Inszenierung des jungen polnischen Regisseurs Krzysztof Warlikowski, der manchem Pariser schon mit einer ins Altenheim verlegten "Iphigénie en Tauride" übel aufgefallen war, zeigt vor Beginn des Vorspiels zum dritten Aufzug einen Filmausschnitt: Ein kleiner Junge irrt durch das zerbombte Berlin, fängt bitterlich an zu weinen und stürzt sich schließlich von einer hohen Ruine hinab in den Tod. Zur endzeitlichen Trauer, die Wagner im Vorspiel zum letzten Aufzug walten lässt, passt dieses Zitat aus Roberto Rossellinis "Deutschland im Jahre Null" nicht schlecht. Ähnlich hatte schon Götz Friedrich 1982 in Bayreuth die "lachende Aue" des Karfreitagszaubers durch eine Landschaft schwarzer Baumstümpfe ersetzt: Die verendende Gralsrunde im Licht eines apokalyptischen Nachkriegsszenarios. Warlikowski indes komponiert dem Werk szenisch eine bei Wagner so nicht vorgesehene diesseitige Erlösungsperspektive ein. Kundry überlebt und nimmt nach ihrer Taufe an einer Zeremonie teil, die irgendwo zwischen dem katholischen Abendmahl, dem jüdischen Sederabend und einem gewöhnlichen Abendessen liegt. Eine junge Familie - neben Kundry besteht sie aus Amfortas, Parsifal und einem Jungen, der das Gralsgeschehen als stummer Zeuge beobachtet hat - trinkt vom Kelch der Hoffnung. Die Generationen sind vereint und der Kreis schließt sich mit einer Anspielung auf den Anfang des Abends, an dem ebenfalls ein Filmzitat stand: das Ende von Stanley Kubricks "Odyssee im Weltraum".
Dass der Astronaut Bowman sich in dieser Szene in verschiedenen Altersphasen seines Lebens sieht, als Erwachsener, als Greis und als Fötus, mag Warlikowski an das berühmte Gurnemanz-Zitat: "Zum Raum wird hier die Zeit" erinnert haben. Tatsächlich nimmt man diese Assoziation, ebenso, wie den Rossellini-Filmauschnitt, als irgendwie stimmig wahr. Doch in diesem "irgendwie" liegt das Problem dieser nur atmosphärisch funktionierenden Inszenierung. Warlikowski vertraut auf Nietzsches Wort, dass "der Wagnerianer ahnt". Zum Entschlüsseln seiner kryptischen Bilder bräuchte man eine Gebrauchsanweisung.
Eine solche, eine lange theoretische Abhandlung, hat der Dirigent Hartmut Haenchen in der ihm eigenen Sorgfalt seiner musikalischen Interpretation beigestellt. Das wiederum wäre ganz und gar nicht notwendig gewesen. Denn Haenchens kammermusikalische "Parsifal"-Durchleuchtung ist in ihrer Vielschichtigkeit, ihren dramaturgisch raffiniert gewählten Temporelationen, ihrem "natürlich" wirkenden Fluss so transparent und schlüssig, dass man ihr auch ohne Erklärungen zwingend folgt. Sie basiert auf eingehenden Quellenstudien und einer gründlichen Revision des Notenmaterials und zieht vor allem, darin der Boulez'schen Auffassung recht ähnlich, jene Aufführungstradition des Schleppens und der klangwuchtigen Überwältigung überzeugend in Zweifel, die das "Bühnenweihfestspiel" seit seiner Uraufführung in zunehmend dichtere Nebel gehüllt hat. Haenchen möchte zeigen, dass Wagner mit dem "Parsifal" seine sparsamste und formal zwingendste Partitur schrieb. Seidig durchströmt der Klang den riesigen Saal der Bastille-Oper. Voller Wärme "sprechen" die Streicher, indem sie, zart und schmiegsam, das mimetische "Parsifal"-Prinzip eines Trost spendenden Mitleidens zu realisieren scheinen. Schillernd mischen sich die Klänge in Klingsors Zaubergarten, während die Bühne nur den üblichen stereotypen Abklatsch erotischer Versuchungen vorführt.
Die größten Ausdrucksgegensätze scheinen in dieser Aufführung bruchlos vermittelt. Hier gibt es kein exzessives Wühlen in chromatischen Wunden, keine Zerrissenheit, keine Lust am Schmerz, scheinbar überhaupt nichts Unreines. Stattdessen fließt und formt und verwandelt sich die Musik in gewaltloser, geradezu heilig wirkender Integration: beinahe zu widerstandslos. Die Sänger profitieren von der dynamischen Zurückhaltung und artikulieren fast ausnahmslos nuanciert und wortverständlich. Waltraud Meier ist nach wie vor eine elektrisierende Kundry, deren sopranistischen Verführungskünsten eigentlich jeder Parsifal erliegen müsste. Christopher Ventris verlieh der Titelpartie, mit der er kommenden Sommer auch sein Bayreuthdebüt geben wird, differenziertes und geschmeidiges Tenortimbre, wenn er den Anstrengungen der Partie im letzten Aufzug auch nicht mehr vollständig gewachsen schien. Alexander Marco-Buhrmester als Amfortas und Franz Josef Selig als Gurnemanz boten hohe Verlässlichkeit und stimmliche Solidität.
Am Abend zuvor waren in einer ärgerlich nichts sagenden und flachen Inszenierung von Strawinskys "The rake's progress" in der Opéra Garnier jede Menge Nackte, in allen nur erdenklichen Stellungen kopulierende, einander unentwegt vergewaltigende, es wahllos mit Männern, Frauen, Tieren und verkohlten Skeletten treibende Menschen zu sehen gewesen. Der englische Regisseur Oliver Py, der neue Direktor des Pariser Théatre de l'Odéon, sparte an keiner vorstellbaren Widerlichkeit und an keinem Klischee. Diese kleinkrämerhafte Pedanterie wiederum ließ seine Inszenierung andererseits zum Gähnen bieder wirken. Sängerisch hatte der Premierenabend mit dem trefflichen Toby Spence als strahlendem Tom Rakewell Laura Claycomb als glockenrein intonierende Anne Trulove und Laurent Naouri als prägnantem Nick Shadow ungleich mehr Format. Doch auch im Graben waltete unter Edward Gardner eine deprimierende Fadheit, ja Konturlosigkeit. Das hat den Parisern, wie es scheint, gefallen. Versteh einer das Publikum. JULIA SPINOLA

Text: F.A.Z., 06.03.2008, Nr. 56 / Seite 38
Frankfurter Allgemeine Zeitung · 06. März 2008
Wiener Zeitung6.3.2008
Erstklassige Interpreten

Hartmut Haenchen dirigierte das auffallend exakt spielende Orchester der Pariser Nationaloper. Nahezu bescheiden stellte er sich hinter Wagners Werk, wählte die vom Komponisten geforderten langsamen Tempi, arbeitete Motive fein heraus und sorgte für eine gelungene Interaktion mit den Sängern. Auf dem gleichen Level agierte der Chor.
Stephan Burianek
Wiener Zeitung · 06. März 2008
www.bloomberg.com 6.3.2008

Musically, things are more coherent. Waltraud Meier has been singing Kundry for more than 20 years; she still is magnificent, and is a convincing actress as well. Among the men, Evgeny Nikitin's powerful Klingsor stands out.
Franz Josef Selig is a warm, humane Gurnemanz; Victor von Halem, another veteran, a sonorous Titurel. The weak links are Christopher Ventris's tinny Parsifal and Alexander Marco- Buhrmester's hollow Amfortas.
The orchestra is in good form. In the program, Hartmut Haenchen, the conductor, polemicizes against the slow tempi of some of his colleagues, singling out James Levine's 1985 recording of ``Parsifal'' (4 hours and 33 minutes).
With 3 hours and 55 minutes, Haenchen is almost as fast as Pierre Boulez.
Jorg von Uthmann
www.bloomberg.com · 06. März 2008
www.concertclassic.com, 6.3.2008

...en fosse la direction pulsée et dramatique d’Hartmut Haenchen portée par un Orchestre de l’Opéra de Paris au sommet de son art
www.concertclassic.com · 06. März 2008
La Libre Belgique

La force de la production parisienne vient aussi de la direction musicale très habitée de Hartmut Haenchen, chef déjà salué pour ses lectures wagnériennes à l'Opéra d'Amsterdam : par un incessant travail de différenciation des tempi, le chef allemand réussit à donner un sentiment de non-linéarité, un hors du temps, qui fait merveille. Et si les choeurs manquent parfois de précision, l'Orchestre de l'Opéra de Paris reste une superbe machine à sonorités somptueuses.
La Libre Belgique · 06. März 2008
De Standaard 6.3.2008

Parsifal', de zwanenzang van Richard Wagner, kreeg in Parijs een grootse uitvoering
Willem Bruls
De Standaard · 06. März 2008
http://intermezzo. typepad.com

...It contrasted stylistically with everything that followed, and was a puzzling way to fill a visual gap that had no need of filling - Hartmut Haenchen did a magnificent job in the pit from the off, bold in his breakneck pacing and fearlessly extreme dynamic shifts - it would have been more than ehough simply to listen......But the final honours of the evening have to go to Hartmut Haenchen. His dense, pacy reading had both weight and excitement, and demonstrated perfectly that when people criticise Parsifal for its supposed dullness, it's the conductor who's at fault, not the composer.
http://intermezzo. typepad.com · 06. März 2008
www.anaclase.com, 6.3.2008

Affirmant une nouvelle fois sa santé confondante, l'Orchestre de l'Opéra national de Paris offre un instrument de rêve à la baguette de Hartmut Haenchen, plus inspirée par Wagner que par Strauss. Ce soir, la solen-
nité ne se fait pas handicap, l'articulation est leste, l'impact tiré vers le plus de clarté en un geste d'une tonique rigueur.
Bertrand Bolognesi
www.anaclase.com · 06. März 2008
AFP, 5.3.2008

Dans la fosse, le chef allemand Hartmut Haenchen a voulu se rapprocher des intentions du compositeur, qui ne souhaitait pas des tempi trop lents: sa direction musicale ne frappe pas toujours par sa personnalité mais jouit des timbres raffinés, presque en fusion, de l’Orchestre de l’opéra de Paris.
AFP (F) · 05. März 2008
www.resmusica.com5.3.2008
Musicalement et scénographiquement très réussie, cette production va incontestablement faire date.
Le choix des tempi de Hartmut Haenchen exalte le caractère binaire de l’œuvre. Cette union de la lenteur et de la rapidité, où les nombreuses pauses chronométrées deviennent l’élément interprétatif décisif pour cette musique qui semble respirer dans l’oxygène du silence. L’orchestre est le personnage supplémentaire qui n’accompagne ni le drame ni les chanteurs : il est l’action, l’affirme, se transforme, évolue en même temps que les protagonistes.
Francesca Guerrassio
www.resmusica.com · 05. März 2008
www.klassikinfo.de, 4.3.2008

Das Orchester der Pariser Oper unter Hartmut Haenchen spielt an diesem Abend einen Wagner von grossartiger Milde. Fliessend die Tempi, melodisch die Linien. An den zentralen Stellen überwältigen einen Forti in den Bläsern und Pauken. Mit toller Raumwirkung auch auf den Balkonen.
Benjamin Herzog
www.klassikinfo.de · 04. März 2008