17. Mai 2008 · Dresden, Frauenkirche, 20.00 Uhr
Johann Sebastian Bach: "Hohe Messe" h-Moll
Kammerorchester C.Ph.E.Bach, Philharmonischer Chor München
Christiane Oelze (Sopran), Annette Markert (Alt), James Taylor (Tenor), Jan-Hendrik Rootering (Bass)
Dresdner Musikfestspiele
Pressestimmen
Sächsische Zeitung 19.5.2008
Bach tief empfunden
Bachs Hohe Messe h-Moll ist ein musikalischer Kosmos. Hier tritt das gesamte Bach'sche Werk mit seinen Facetten und Wendungen, mit seiner Klangfülle, Intensität und durchdachten Spiritualität dem Hörer entgegen. Hartmut Haenchen spielte diesen Bach am Sonnabend in der Frauenkirche mit seinem Kammerorchester auf modernen Instrumenten, in moderner Stimmung, hielt sich nicht an die in der Alten Musik übliche Lateinaussprache. Im Programmheft weiß er das ausführlich zu erläutern.
Noch wichtiger war, dass er mit der Art, wie er das große Werk musiziert, seine Hörer erreichte. Auch wenn am Anfang die Soli und obligaten Soloinstrumente akustisch mit dem Raum zu kämpfen hatten, auch metrisch auseinanderfielen, formte Haenchen doch das Werk zu einem geschlossenen, stilistisch konsequenten und ergreifenden Erlebnis. Insbesondere der Philharmonische Chor München und das Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach" wurden zum Träger einer dynamisch differenzierten, emotionsreichen Darbietung. Gerade wie die ersten entscheidenden Worte des "Credo" immer wieder neu behauptet und gleich wieder hinterfragt wurden, wie das weihnachtliche Geheimnis im "Et incarnatus est" illustriert oder mit welcher geradezu romantischer Klangmalerei die Erwartung der Auferstehung (Et exspecto) dargestellt wurden, das waren sinnliche Erfahrung von bedeutsamer Tiefe.
Friedensbitte als Utopie
Chor und Orchester folgen der in Ausdruck, Lautstärke und Tempo genau überlegten Gestaltung ihres Dirigenten, und das Solistenensemble mit Christiane Oelze, James Taylor und Jan-Hendrik Rootering fand sich schnell auch in die akustischen Besonderheiten der Kirche. Besonders anrührend wirkte Annette Markert, die den Mezzo-Part für die erkrankte Katarina Karneus übernahm, etwa im inbrünstigen "Agnus Dei". Mit einem hoffnungsfrohen "Dona nobis pacem", einer Friedensbitte, die schon wie eingelöst klingt, schließt Bachs großes Werk, erscheint wie abgerundet. Und passt damit sehr gut zum diesjährigen Festival-Thema Utopia.
Jens Daniel Schubert
Sächsische Zeitung · 31. Mai 2008
Dresdner Neueste Nachrichten, 19.5..2008
Mit anderen Ohren zu hören
Bachs h-Moll-Messe in der Frauenkirche
Hartmut Haenchen hate sich für die von ihm geleitete Aufführung eines hervorragenden Ensembles versichert: Christiana Oelze, Annette Markert, James Taylor und Jan-Hendrik Rootering, den Philharmonischen Chor München und „sein“ Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach. Es war eine in weiten Zügen von seinen Erkenntnissen geprägte Wiedergabe, in manchen Passagen ungewohnt. Haenchen geht in seiner gründlichen Einführung im Programmheft ins Detail und legt dar, woher er die Impulse für seine Denkweise genommen hat – sehr überzeugend.
Haenchens Auffassung schien sich mir, namentlich im Orchester, von herber Askese zu entfernen und mit emotionalem Gewicht auf den Sohn zu orientieren. Dies geschah konsequent, daher durchweg sehr einprägsam. Hier war der sehr überzeugend agierende Münchner Chor der richtige Partner. In großartiger Ausgewogenheit verlieh er den von Haenchen geforderten Akzenten Leben, wie er auch mit tragender Legato-Kultur aufwartete. Eine feinsinnige Synchronisation war zwischen Chor und Orchester erreicht, wobei die langjährige Zusammenarbeit des Dirigenten mit seinen Musikern (über 25 Jahre) sich in „blindem Verstehen“ darstellt – Haenchen kann den Bewegungsaufwand auf ein Mindesma reduzieren, ohne auch nur eine Spur an Spannung zu verlieren. Auch dem Chor gegenüber ist es mehr Ausformen des Gechehens im Prozess des musikalischen Verlaufs. Da entstehen Klangbilder von berührender Schönheit.
Das andächtige Schweigen vor dem Beifall bestätigte den Rang der Aufführung.
Hans Peter Altmann
Dresdner Neueste Nachrichten · 19. Mai 2008