20. Mai 2004 · Dresden, Kreuzkirche, 20:00 Uhr
G. Mahler: Sinfonie Nr. 3
Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt
Birgit Remmert (Alt), Dresdner Kapellknaben, Knabenchor Dresden, Philharmonischer Kinderchor Dresden, Chor der Hochschule für Musik "Carl Maria von Weber" Dresden, Dresdner Bachchor, Singakademie Chemnitz, Universitätschor Dresden, Mitsängerinnen
Pressestimmen
Das Eröffnungskonzert fand, wie gewohnt, am 20.5. (Himmelfahrtstag) in der Dresdner Kreuzkirche statt - ein blut- und glutvolles Konzert mit Mahlers 3. Sinfonie. Da Hartmut Haenchen ein Mahler-Spezialist und auch durch seine Arbeit mit den Chören dafür prädestiniert ist, war es für ihn eine große und schöne Aufgabe und Herausforderung.
Als Orchester stand ihm das Frankfurter Radio-Sinfonie-Orchester zur Verfügung, welches mit Plastizität, Transparenz und Begeisterung musizierte. Dieses 6-sätzige Werk, für großes Orchester, Alt- Solo, Knaben- und Frauenchor, bietet musikalische Naturmalerei ersten Ranges und so wurde sie auch von allen Interessenten umgesetzt. - Die ca. 505 Chorsängerinnen und -sänger waren auf den Emporen verteilt, was akustisch günstig war. Sie gaben ihr Allerbestes. Auch Birgit Remmert überzeugte in ihrem kurzen Solopart. - Ein berauschendes Eröffnungskonzert.
Gitta Ranft
Der neue Merker · 01. August 2004
Große Musik in Zeiten finanzieller Not
Ovationen für Mahler-Konzert zur Eröffnung
Man sollte dem Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg zugute halten, dass er in seiner Ansprache zur Eröffnung der Musikfestspiele am Donnerstag in der Kreuzkirche unumwunden einräumte, eigentlich die Schließung des Festivals nach 2006 vorgeschlagen und vertreten zu haben. Dass eine solche Schließungsabsicht wenigstens bei ihm kein grundsätzliches Desinteresse an Kultur ist, darf als gegeben vorausgesetzt werden. Bei anderen Dresdner Lokalpolitikern sollte man da nicht so sicher sein.
Ingolf Roßberg bekannte auch, dass der Beschluss zur Erhaltung der Festspiele kulturpolitisch unbestreitbar richtig, finanzpolitisch jedoch zweifelhaft sei, denn Kindertagesstätten, Jugendclubs, Sozialeinrichtungen müssten jetzt gegen Kultur in die Waagschale geworfen werden. Offenbar ist Roßberg durch die Finanznot Dresdens mit einem nicht genehmigungsfähigen Haushalt völlig hoffnungslos geworden. So kam es, dass Kurt Masur, Ehrengast des Festivals, beim Empfang nach dem Konzert an Roßberg appellierte, er möge nicht noch zusätzliche Resignation nähren.
Einige Buhrufe nach Roßbergs Rede waren unüberhörbar, und man irrt sicher nicht, wenn man die Ovationen nach dem Konzert als ein Bekenntnis der Dresdner zu den Festspielen und als entschiedenen Protest gegen eine Schließung interpretiert. Dieser Beifall war aber sicher in erster Linie Ausdruck der Begeisterung der Zuhörer über eine herausragende Wiedergabe der 3. Sinfonie Gustav Mahlers. Ähnlich wie bei Mahlers 8. Sinfonie im Herbst 2002 erwies sich Hartmut Haenchen nicht nur als musikantischer Schlachtenlenker, der seine Heeresgruppen sicher durch alle Fährnisse leitet, sondern auch als profunder Deuter der formal höchst problematischen d-Moll-Sinfonie mit ihren Ungleichgewichten. Er lockte Urkräfte aus der Tiefe des Orchesters, modellierte Hunderte von unverwechselbaren Klangfarben und veranlasste das Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt zu einer Leistung, die Masur, der mit Rundfunkorchestern nicht nur gute Erfahrungen hat, wegen des elastischen Reagierens zu einem großen Lob stimulierte. Das sollte für Hörner, Posaunen und den namentlich leider nicht genannten Posthornspieler besonders gelten.
Die drohende Katastrophe war jederzeit zu spüren.
Haenchen verlor sich nie völlig an die – echten oder vermeintlichen – Augenblicks-Stimmungen der Musik, sondern bewahrte immer so viel innere Distanz, dass man des Hereinbrechens einer bei Mahler jederzeit möglichen Katastrophe stets gewärtig war. Die unerhört vielen Vorschriften in Mahlers Partitur wurden getreulich befolgt, die Resignation im Finalsatz war mit suggestiver Intensität zelebriert. Schlackenlos und ohne jedes Forcieren trotz großen Orchesters sang die Altistin Birgit Remmert den seltsamen Nietzsche-Text „O Mensch! Gib Acht!“ im vierten Satz. Hohe Qualität ist auch den neun gemischten und Knabenchören zu bescheinigen, die trotz großer Entfernung zum Dirigenten ihre Partie punktgenau sangen.
Peter Zacher
Sächsische Zeitung · 21. Mai 2004
Schönheit und Pathos
Als nach knapp zwei Stunden der bombastische Schluss von Gustav Mahlers 3. Sinfonie den weiten Raum der Kreuzkirche erfüllt hatte, verharrte das Publikum zunächst schweigend. Dann brach Jubel los, jene Spannung lösend, die wohl jeden Hörer erfüllt hatte. Ein Auftakt nach Maß! Eingangs hatte Oberbürgermeister Roßberg in seiner Begrüßungsrede versucht, den Spagat zwischen dem Bekenntnis zu den Festspielen und der Finanzlage der Stadt zu vollziehen. Seine Erklärung, dass Erbe verpflichte, sei optimistisch bewertet (...)
Dann begab sich Festspiel-Intendant Hartmut Haenchen mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt/M. auf den langen und schwierigen Weg durch die sechs Sätze der Sinfonie. Allein der erste Satz, zugleich die "erste Abteilung" des Werks, dauert 35 Minuten. Sein machtvoller Beginn muss sogleich mystischen Episoden weichen, ist arger Bedrängnis ausgesetzt. Sofort fiel angenehm auf, wie das Orchester exaktes Spiel mit musikalischem Ausdruck verband und wie es Hartmut Haenchen gelang, die Kontraste plausibel darzustellen. Wobei es mir schwer fiel, mich des Komponisten Meinung vom humoristischen Gestus anzuschließen, da Chaotisches über den "Sieg des Sommers" zu triumphieren scheint.
Die "zweite Abteilung" wird eingeleitet durch ein Menuett von nahezu eleganter Verspieltheit, doch auch ihr werden Anfechtungen zuteil. Von Delikatesse waren die Orchester-Soli (Konzertmeister, Solobläser, Trompete "aus der Ferne"). An das nachfolgende Scherzo schloss sich fast pausenlos der mysteriöse Gesang "O Mensch! Gib acht!" an, und dank der Altistin Birgit Remmert ging der Beginn jener Nietzsche-Verse wirklich unter die Haut. So "sagenhaft" (Generalthema der diesjährigen Festspiele) war die Einheit zwischen Sängerin und dem mit kammermusikalischer Dichte aufwartenden Orchester.
Den Befürchtungen, die die Aufstellung der Chöre (bestehend aus Mitgliedern von einem Chemnitzer und acht Dresdner Ensembles sowie Gastsängern) auf den doch weit entfernten 1. und 2. Emporen auslöste, begegnete Haenchen souverän. Resultierend natürlich auch aus der qualitätvollen Vorbereitung durch die Chorleiter, erhob sich das "Bim-bam" der Kinder anrührend über die sehr greifbar gestalteten Wunderhorn-Verse von Altsolo und Frauenchor.
Was sich schließlich im Finalsatz bot, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Dieser langsame Satz geht jenen aus der 4. und 5. Sinfonie voraus und erreicht doch schon deren ergreifende Stimmung. Inniges Versenken, berückende Schönheit des Klanges - das waren die Kennzeichen der Interpretation, die schließlich im großartigen Pathos endete.
Zu loben ist das klug gestaltete Programmheft (...)
Hans Peter Altmann
Dresdner Neueste Nachrichten · 21. Mai 2004
Dresden: Mahler-Sinfonie erster Höhepunkt der Musikfestspiele
Dresden (ddp).
Die Dresdner Musikfestspiele haben am Donnerstagabend einen ersten glanzvollen Höhepunkt erlebt. Zum Auftakt des mittlerweile größten deutschen Klassikfestivals gestalteten das Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt sowie neun sächsische Chöre und zahlreiche Amateursängerinnen unter Leitung von Festspiel-Intendant Hartmut Haenchen in der Kreuzkirche die Sinfonie Nr. 3 von Gustav Mahler. Die Zahl der Mitwirkenden gaben die Veranstalter mit mehr als 500 an.
Zu der traditionellen «Ouvertüre im Grünen» waren schon am Nachmittag mehr als 10 000 Menschen in den Schlosspark von Pillnitz gekommen. Insgesamt sind im Rahmen der Festspiele bis 6. Juni rund 170 Veranstaltungen an 42 Spielstätten im Raum Dresden geplant.
Die Dresdner Musikfestspiele gibt es seit 1978. Im vergangenen Jahr kamen 150.000 Besucher. Für Aufsehen sorgten in den vergangenen Monaten Pläne der Stadt, das Festival 2006 aus finanziellen Gründen zum letzten Mal stattfinden zu lassen. Nach heftigen Protesten beschloss die Stadt Mitte März, die Festspiele in abgespeckter Form zu erhalten.
http://www.musikfestspiele.com
Mitteldeutsche Zeitung · 21. Mai 2004