Kalender

20. November 1999 · Amsterdam, Concertgebouw

J. Wagenaar: Saul und David; A. Diepenbrock: Hymne; G. Mahler: 1. Sinfonie D-Dur

Nederlands Philharmonisch Orkest
Liza Ferschtman (Violine)

Pressestimmen

Mahler bei Haenchen außergewöhnlich beflügelt

Dirigent Hartmut Haenchen hat den Anfang gemacht mit einer- sehr vorsichtig gesagt- interessanten Reihe von Mahler-Aufführungen. Lassen wir uns ehrlich sein, in den Niederlanden ist Haenchen der soundsovielste in einer Reihe, die ein Mahlerfest oder ein Mahlerprojekt ins Leben gerufen haben. Aber wenn er nun verspricht, daß sie alle soattraktiv, überzeugend und mitreißend klingen, wie die "Erste Sinfonie" Sonnabendabend im Concertgebouw, dann hat der Chefdirigent der Niederländischen Philharmonie das Recht auf seiner Seite. Die Niederländische Philharmonie stellt die ganze Serie, die über drei Saisons läuft, in das Zeichen von Gustav Mahler und seine Zeitgenossen. Diese weite Programmatik wirkt nicht nur Horizont- erweiternd, sie läßt auf listige Weise doch alle Wege bei "der Gustav" herauskommen.

Bei dem Versuch, Hartmut Haenchens Mahler zu charakaterisieren und vielleicht zu unterscheiden von anderen Interpretationen, kommt man sehr schnell bei einem vollen, niemals zurückgehaltenen Klang und einem außerordentlich schwungvollen Ansatz an. Das ist Haenchen, der in Mahler alle aufgestauten romantischen Emotionen der vorangegangenen Jahre loszulassen scheint. Dabei fällt das ausgezeichnete Kollektiv der Niederlerändischen Philharmonie auf, wodurch viele Details hörbar werden, sowohl motivisch als auch in der Instrumenatation.

Haenchen ist immer vorwärtsdrängend im Tempo. Ohne irgendwelche Hast legt er die Tempi von Mahler als historische Eichpunkte fest: Walzertempo, Marschtempo und Mahlertempo. Ist Mahler dann die furiose und unvermeidliche Endstation von Haenchen beim NedPhO? Das ist doch nicht zu hoffen.

Jos Ruiters
Noordhollands Dagblad · 22. November 1999
Zügellose Energie und Schwung in Mahler unter Haenchen

Die Niederländische Philharmonie hat unter Leitung seines Chefdirigenten Hartmut Haenchen ein Mahlerprojekt begonnen, indem in drei Jahren sein gesamtes Werk umringt von Musik seiner Zeitgenossen erklingt. "Mahler- Wien-Amsterdam" bietet weiterhin in der Beurs von Berlage eine Serie von Kammermusik. Auch niederländische Komponisten sind in beiden Serien vertreten: unter anderem Wagenaar, Diepenbrock, Röntgen und van Anrooy (...) aus seiner charaktervollen Aufführung der Ersten Sinfonie offenbart sich nicht nur aufs Neue Eigensinnigkeit, sondern auch sein höchstpersönlicher Kommentar auf die Mahlertradition. Haenchen beginnt die Erste nicht in dem Moment, das der erste Sonnenstrahl morgens in das Bergtal fällt, sondern weit davor, im nächtlichen Dunkel. Mahlers "Naturlaut" mit Vogelrufen erklingt in Dunkelheit. Aber schließlich, wenn die Sonne das Dunkel durchbricht, geschieht das auch in verblendendem Glanz. Auch den Rest malt Haenchen mit starken Kontrasten, immer a tempo, lieber beschleunigend als verlangsamend. Zügellose Energie, drive und Garzie wechseln sich in stets schnellerem Tempo bis zum Finale mit den sich wiederholenden Orchestertuttis ab. Wo die Erste bei anderen Dirigenten nicht zum Ende kommen kann, gleitet Haenchen tumultartig hindurch.

Kasper Jansen
NRC Handelsblad · 19. November 1999