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08. September 1998 · Amsterdam, Muziektheater

R. Wagner: Götterdämmerung

Nederlands Philharmonisch Orkest

Premiere

Pressestimmen

Hartmut Haenchen ist mit seiner schlanken und nicht schleppenden Begleitung durch die Niederländische Philharmonie der andere Held des Abends, nur manchmal von bühnentechnischen Defekten gestört. Obwohl es am Schluß schien, als wolle Wotans Speer ihn verletzen, ist er doch - anders als Siegfried - unverwundbar.

Kasper Jansen
NRC Handelsblad · 02. Februar 1999
Dieser Amsterdamer Ring gehört zu den wichtigsten, weil exemplarischen Interpretationen der letzten zwanzig Jahre.

Die aktive wie reflektierende Rolle lag auch hörbar in der Absicht des Dirigenten Hartmut Haenchen. Er sah die Aufgabe des Orchesters eben nicht als klingenden Stimmungslieferanten zwischen Pastorale und Pathos. Es entstand im wahrsten Sinne des Wortes eine musikalische Bühne. Haenchen nahm Wagners Ermahnung an "Ring"-Dirigenten ernst: "Stimmung ist gar nichts. Die Hauptsache ist und bleibt Kenntnis": Haenchen weiß sich bei seinen durchweg zügigen Tempi mit den Vorstellungen des Komponisten konform und kritisiert damit die Langsamkeitsfetischisten von heut, die Wagners Musik des schönen Scheins sentimentalisch und pathetisch breitwalzen. In Amsterdam war bei drei verschiedenen Orchestern ein durchweg schlanker Ton zu vernehmen, durchhörbar und flüssig das Klangbild, ebenso nachdrücklich wie spannungsgeladen sein Impetus. (...) Das an der Sprachmelodie orientierte Musizieren verhalf der Wagnerschen Wort-Ton-Bindung zu ihrem Recht. Die Musik atmete mit den Sängern. Alles war auf klaren Ausdruck angelegt. Wagners leitmotivischer Irrgarten erhielt dadurch eine leuchtkräftige Kontur und Plastizität.

N. Eckert
Theater der Zeit · 01. November 1998
In den beiden Schlußteilen zeigte sich Haenchen noch einmal als Meister der Strukturierung, der fließenden Übergänge, aber auch eruptiver Steigerungen. Im "Siegfried" gelangen ihm mit dem diesmal auf der linken Bühnenseite postierten Rotterdams Philharmonisch Orkest die wohl spektakulärsten Nuancierungen sogar noch in den martialischen Schmiedeliedern.

Auf Grund seiner flüssigen Tempi befindet er sich naturgemäß in diametralem Gegensatz zu seinem Bayreuther Konkurrenten Levine, der fast zwei Stunden länger für den gesamten Zyklus braucht, aber Haenchen bleibt doch näher bei so formidablen Wagner-, aber auch Strauss-Dirigenten wie Clemens Kraus, Josef Kleiberth und Karl Böhm, so daß bei aller Schwelgerei, wie den wunderschönen Holzbläser-Soli seines Nederlands Philharmonisch Orkest im Trauermarsch der "Götterdämmerung", doch immer auch die dramatische Stringenz nicht auf der Strecke blieb.

Als Fazit muß man sagen, daß in Amsterdam eine formidable Alternative zu den großen "Ring"-Zyklen an Deutschlands Opernhäusern entstanden ist, von einem hervorragenden Dirigenten mit drei unterschiedlichen Orchestern unwiderstehlich interpretiert, in einen kunstvollen Bühnenraum hineingestellt und mit manchen netten, genialen aber auch nichtssagenden Regiedetails angereichert.

H. Walter
Das Opernglas · 01. November 1998
Maßstabsetzende Produktion

Wagners "Ring" in Amsterdam

Hartmut Haenchens Interpretation schlißt an Wagners Überzeugung "Stimmung ist nichts, Kenntnis ist alles" an und erreicht so ein Optimum an Klangeffekten wie sie auch Wagner vor Augen gehabt haben muß, in genauer Entsprechung seiner Anweisungen von 1876. Offen und durchsichtig klingt die Musik, jedes Motiv erscheint nachvollziehbar, man vermag die Partitur mitzuerleben.

E. Nikkels
Echo · 01. Oktober 1998
Ganz entschieden für die Qualität der Aufführung sind die Leistungen des Dirigenten und seines Orchesters: es war diesmal wieder das Nederlands Philharmonisch Orkest. Neben ihm hatten an früheren Abenden das Residentie Orkest Den Haag und die Rotterdamer Philharmoniker mitgewirkt. Die Art, in der sich da das Muziektheater der Ressourcen des Landes bedient, scheint eher belebend als dämpfend auf die Leistung zu wirken: Jedes dieser Ensembles möchte dem anderen ebenbürtig, wo nicht überlegen sein.

Hartmut Haenchen aber versteht es, die jeweils besonderen Qualitäten ans Licht zu bringen. Er zaubert feinste Nuancen und kontrolliert die hochdramatischen Ausbrüche. Er läßt den Sängern Raum und denkt dramaturgisch. Er versteht es immer wieder im Laufe der Tetralogie, die akustischen Probleme zu meistern, die sich aus der ungewöhnlichen Einrichtung der Bühne ergeben. Vor allem aber sucht er nach den richtigen, dem Sprachduktus abgelauschten Tempi. Die Aufführungstradition hatte sie bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts zu bewahren gewußt; erst in der jüngeren Vergangenheit wurden sie überdehnt. Nun fließen sie wieder, ohne zu hasten.

Der nun vollendete Amsterdamer "Ring", der in Zukunft auch zyklisch aufgeführt werden soll, ist spannend und anregend. Er ist eine Reise wert.

Klaus Kirchberg
Opernwelt / SWR, Musik Spezial · 01. Oktober 1998
Mit der Götterdämmerung ist Audi und Haenchen ein Schluß- und Höhepunkt ihres Riesenobjektes gelungen, der zunächst musikalisch-sängerisch besticht. Haenchen hat mit allen drei Orchestern (sozusagen eine nationale Gesamtleistung) einen frischen, immer spannungsvollen Ring dirigiert, der mit seinem Tempo mit zu den flottesten der Aufführungsgeschichte gehört, sich aber gleichwohl vor allem in den ersten drei Teilen viele Elemente geradezu kammermusikalischer Besinnung gönnt.

Joachim Lange
Frankfurter Rundschau · 19. September 1998
Musikalisch raffte der Dirigent Hartmut Haenchen diese Ballung von Leitmotiven in klarer Diktion zusammen. Er hat herrlich-zügige Tempi; im Gespräch formulierte er mit Akribie seine Zeitmaße und beruft sich sehr genau auf Wagner und seine Mitarbeiter &endash; drängend und feurig setzt er die Partitur um, schöpft die Zwischenspiele mit zarter "Pinselzeichnung" oder in erschütterndem Aufriß aus und sein Nederlands Philharmonisch Orkest wartet mit betörender Klangopulenz auf. Das hatte großes Format. Dazu noch der Chor, der nur vergleichbar ist mit Bayreuth und dem Klangwunder durch Wilhelm Pitz vor 4 Jahrzehnten.

Wolfgang Drees
Neue Westfälische Zeitung · 18. September 1998
Zeichen und Wunder

Und der Ausnahmedirigent Hartmut Haenchen erprobt historische Aufführungspraxis in Sachen Wagner, weil er - im nachgewiesenen Sinne des Komponisten und entgegen der Bayreuther Gepflogenheiten von heute - flüssig entwickelte Tempi wählt. Haenchen setzt mit dem geschmeidigen Nederlands Philharmonisch Orkest auf Spannung ohne Drücker, auf ein transparentes, scharf konturiertes Klangbild. Dieser wichtige "Ring" zeigt alles in allem, wie man fern musikalischer und szenischer Moden zum Ziel kommt.

Michael Stenger
Westdeutsche Allgemeine Zeitung · 18. September 1998
Erster "Ring" in den Niederlanden

Hartmut Haenchen hat es vermocht, einen transparenten, temperamentvollen und spannungsgeladenen Zyklus zu formen, der ihn als Wagner-Dirigent etabliert. Die "Götterdämmerung" überbot die Qualität der vorhergegangenen Teile noch einmal.

Joachim Lange
Sächsische Zeitung · 12. September 1998
Hartmut Haenchen entlockt dem Nederlands Philharmonisch Orkest, das er mit "Parsifal" und "Meistersinger" gut auf diesen Monolithen des Musiktheaters vorbereitet hat, Klänge von soloinstrumentaler Qualität, vorbildlicher Transparenz auch in den Tutti, und sorgsam dosierter Opulenz.

Sein Studium der frühen Probenbemerkungen Wagners zu Tempi, Dynamik und Artikulation führen Haenchen in eine aufschlußreiche Gegenposition zu Verfechtern "himmlischer Längen" wie Barenboim und Levine. Mit seinen knappen 14 Stunden Spielzeit hat so der Amsterdamer "Ring" auch musikalisch eine höchst authentische, entnebelnde Funktion.

Christian Herchenröder
Handelsblatt · 12. September 1998
Hartmut Haenchen bestätigt seine Qualitäten, die schon eher deutlich geworden waren: Einfachheit, Präzision, Zweckmäßigkeit und Kompetenz.

Nicolas Blanmont
La Libre Belgique · 11. September 1998
Frisch, kühl, ohne Sentimentalität

Das Nederlands Philharmonisch Orkest durchmißt die Musikstrecken so makellos und versiert, als gehöre der "Ring" seit langem zu seinem Repertoire.

Haenchen unternahm für das Projekt, das die Aufbau-Arbeit eines Dutzend Jahre krönt, gründliche Studien zur Tempo-Gestaltung. Er weist darauf hin, wie häufig der Komponist die Anweisung "nicht schleppen" und "ohne Sentimentalität" nachtrug. Aus Gründen eines vom Urheber nicht gewünschten Effekts, der mit Sentimentalität und Ideologie eine Menge zu schaffen hat, wurden die Wagner-Tempi in den letzten Jahrzehnten überwiegend langsamer - James Levine benötigte heuer auf dem Grünen Hügel fast zwei Stunden (!) länger als Haenchen. Dennoch klingt es bei ihm nie verhetzt, nur eben flüssiger, federnder, elastischer, eleganter.

Mit all diesen Sängern, dem brillanten Orchester und dem unpathetischen Zugriff gelingt in Amsterdam eine Alternative zu Bayreuth.

Das Werk steht hier, nach einer heldhaftigen Anstrengung der Nationaloper, jenseits aller Zwänge von Rechtfertigung. Das Publikum ist begeistert.

Frieder Reininghaus
Süddeutsche Zeitung · 11. September 1998
Haenchens integere, dienende, solide und bis ins Äußerste durchdachte Interpretation hat in dieser letzten Oper einen goldenen Rand bekommen.

Eddie Vetter
De Telegraaf · 11. September 1998
"Götterdämmerung" als menschliches Drama erzählt

Auf die Premiere der Götterdämmerung wurde mit großem Applaus und Bravo-Rufen reagiert, die im Besonderen der musikalischen Leistung der Niederländischen Philharmonie unter Hartmut Haenchen galten.

Franz Straatman
Trouw · 10. September 1998
Wagner aus der Wahnwelt der Wagnerianer zurückgeholt

Haenchen behandelt die Partitur mit großer Transparenz und mit einer Leidenschaft, die man in vielen anderen Aufführungen vermißt, ohne jegliches pompöses Getue aber mit viel Aufmerksamkeit für Farben (phänomenale Baßklarinette), Gleichgewicht, Artikulation und Deklamation. Es ist eine Wagner-Interpretation, die den Komponisten aus einer Wahnwelt der schwatzenden Wagnerianer dahin zurückholt, wo er hingehört, in den Orchestergraben also und zu dem was er ist: ein meisterhafter Techniker von Musik und Theater, der Mann der einmal zu einem Dirigenten sagte: "Stimmung ist gar nichts, die Hauptsache ist und bleibt Kenntnis."

Stephan Moens
De Morgen · 10. September 1998
Mit dem Ende des "Ringes" bekrönten er und die Niederländische Philharmonie eine Aufbauarbeit von 10 Jahren. Die Philharmonie übertraf was Klangkultur, Technik und Genauigkeit angeht sowohl das Residentieorchester in "Das Rheingold" als auch die Rotterdamer Philharmoniker in "Siegfried".

Erik Voermans
Het Parool · 10. September 1998
Mehr als ein Jahrhundert nachdem "Der Ring" in Bayreuth in Premiere ging wurde nun in Amsterdam die erste Produktion von Wagners Werk vollendet. Hartmut Haenchen und Pierre Audi können zufrieden sein. Für Hartmut Haenchen, der nächstes Jahr seine Chefdirigentenstelle bei der Niederländischen Oper niederlegt, ist das das schönste Geschenk, das sich ein Wagner-Dirigent wünschen kann: ein Ring, in dem die Musik buchstäblich im Mittelpunkt steht. Wenn auch die Zusammenarbeit zwischen Dirigent und Regisseur manchmal schwierig ist, sie hat zu einer Reihe von künstlerischen Höhepunkten geführt, von denen "Der Ring" die Krone ist.

Der Dirigent spielt in "Götterdämmerung" wieder eine szenische und sehr sichtbare Rolle als Leiter der Niederländischen Philharmonie.

In Haenchens Interpretation entstanden musikalische Spannungsbögen, die vor allem im 2. Und 3. Akt zu magischen Momenten führten.

Paul Korenhof
Brabants Dagblad · 10. September 1998
In Siegfrieds Sterbeszene erreicht das Werk seinen Höhepunkt. Von dem Moment an scheint die Musik wirklich zu singen und der darauf folgende Trauermarsch ist bei Hartmut Haenchen mit seiner Niederländischen Philharmonie wie "losgelöst von der Erde". (...) Audi und Haenchen haben den Ring vollendet. Jetzt können sie sich auf den Zyklus im nächsten Jahr vorbereiten. Daß das ein Erlebnis wird, ist jetzt schon sicher.

Hans Visser
Noordhollands Dagblad · 10. September 1998
Hartmut Haenchen strahlte mit Recht Stolz aus, als er die erste Welle des riesigen Applaus in Empfang nahm. Die Art und Weise worauf das Team Haenchen-Audi zusammen mit den drei Orchestern arbeiten, resultiert in einer originellen wie ursprünglichen Neugestaltung des "Ringes".

Ivo Postma
De Gelderlander · 10. September 1998
Götterdämmerung Niederländische Oper auf hohem Niveau

Dirigent Hartmut Haenchen und die Niederländische Philharmonie dominieren mit ihrer musikalischen Leistung. Das Publikum bringt seine Begeisterung überschwenglich zum Ausdruck.

Rinus Groot
Haarlems Dagblad · 09. September 1998
Erster Niederländischer Ring des Nibelungen originell und unbefangen

Wiederum ist ein eindringlicher Brocken Wagner in unser Gedächtnis geschrieben worden. Und wieder istdie musikalische Leitung von Hartmut Haenchen ausgezeichnet.

Paul Herruer
Nieuwsblad van het Noorden · 09. September 1998
Das vortrefflich funktionierende Nederlands Philharmonisch Orkest ist wieder in den Graben zurückgekehrt.

Hartmut Haenchen dirigiert - ganz im Sinne Wagners - zügig. Der Komponist war der Auffassung, daß die Götterdämmerungs-Musik in etwa 4 Stunden zu absolvieren sei - die Niederländer schaffen das fast (und sind damit mehr als eine halbe Stunde schneller als beispielsweise der in die Breite auspinselnde James Levine in Bayreuth). So avanciert die Rauminstallation Tsypins einen neuen "Ring"-Akzent setzt, so eindeutig hält es Hartmut Haenchens Interpretation mit Werktreue. "Stimmung ist gar nichts", meinte der Theater-Fuchs Wagner. "Die Hauptsache ist und bleibt Kenntnis". - Mit der allerdings hat sich nur ein Teil der Enkel und Urenkel beschwert.

Frieder Reininghaus
Deutschland Radio / Norddeutscher Rundfunk · 09. September 1998