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01. Oktober 2014 · Utrecht, Bioscoop Rembrandt 3, 16.00 Uhr

De hemel boven Dresden - Der Himmel über Dresden - The Skies over Dresden

Dokumentarfilm von Paul Cohen und Martijn van Haalen
mit Ausschnitten aus der Probenarbeit und den Aufführungen von Wagners Der Ring des Nibelungen

Der Dokumentarfilm über Hartmut Haenchen
Der Dokumentarfilm wurde für das Festival, welches vom 24. September bis zum 3. Oktober stattfindet, ausgewählt. Informationen über das Festival hier. Der englische Trailer hier Die niederländische deutsche Fassung hier

Pressestimmen

, 12. Februar 2014

Zwei Tage vor Heiligabend lief im niederländischen Fernsehen der Film "De Hemel boten Dresden" ("Der Himmel über Dresden") von Paul Cohen und Martijn van Haalen. ... Der Film zeigt den Dirigenten während der Generalprobe: Das weiße Haupt und die Hände mit dem Taktstock, ins Dunkle hinein gebietend. Nach einer Weile fährt die Kamera über eine Fotografie von der ausgebrannten Lebenshülle einer modernen Großstadt. Das Bild der Verheerung ist lapidar unterschrieben: Dresden 1945. Dann sind zwei Herren zu sehen, mit Sakko und Hut, die vor der Fassade eines Plattenbaus entlanglaufen. Trott Farbe ein noch trostloserer Anblick als die Ruinen. Ein anderes schwarzweißes Foto zeigt einen kleinen Jungen mit fast mädchenhaften Zügen: Die Stimme des Dirigenten berichtet: "Der kleine Hartmut Haenchen, zwei Jahre alt, hat immer Bilder im Traum, von einem Feuermeer, auf das er schaut aus einem Kellerfenster." Hinter dem Kellerfenster, dessen Form sich der Erinnerung einbrannte, toste ein Flammenmeer. Das Kellerfenster als Höllenschlund. Niemand vermag zu sagen, wer alles darin verschwand. Denn die Feuerbrandung schlug so hoch, daß die Menschen von ihr zerstäubt wurden.
Spät kam der Vater aus dem Krieg zurück. Er wurde vom Sohn als fremder Mann empfunden, der immer unzufrieden ist und schimpft. Man denkt unwillkürlich an den einäugigen Wanderer Wotan, wie er sich Siegfried in den Weg stellt. Doch eines Tages hat er einen schwarzen Volksempfänger mit nach Hause gebracht. Die Mutter gibt dem Sohn, der gerade Lesen lernt, ein Reclam-Heft mit dem Textbuch vom Ring: "...dann kam irgendein quakendes Geräusch aus dem Gerät. Meine Mutter saß davor, vollständig konzentriert: Daß war mein Bekanntwerden mit Wagner."
Auf dem Schreibtisch am Fenster hinter dem Erzählenden steht eine kleinere Version des "Trauernden Mannes" von Wieland Förster, der sich in sich selbst (vergeblich?) zu bergen sucht. Vor Jahren gab es Streit um die Wiederaufstellung dieses Erinnerungsmales an die Opfer der Zerstörung Dresdens (JF 4/10). Der Film spürt den Überschneidungen von Lebensweg und Kunstausübung nach. Während Haenchen seine Stasi-Akten liest, ist auf der Bühne eine Brünnhilde zu sehen, der sich Gunther und Siegfried unter dem Tarnhelm annähert. Sie schreit: "Verrat". ... In der Unterlagenbehörde sieht man den Mann über den unseligen Hefter gebeugt sagen: "Unglaublich." Auf Nachfrage enthüllt er, daß ihn während seiner Zeit als junger Kantor in Dresden-Cossebaude sein Onkel mit einer Denunziation über ein staatsfeindliches Flugblatt in eine lebensbedrohliche Lage brachte. Die unerträgliche Pointe besteht darin, daß dieser Onkel während des Krieges durch die Familie vor judenfeindlicher Verfolgung geschützt wurde. Haenchen sagt es auf holländisch: " also eigentlich, ich erwarte keine Dankbarkeit dafür, aber ich erwarte nicht, daß so jemand dann zwanzig Jahre später mitmacht."
Angesicht solcher Ungeheuerlichkeiten erübrigt sich die Frage, was uns Richard Wagners Werk über Neid, Verratend erlösende Liebe heute noch zu sagen hat. ...
Sebastian Hennig
Junge Freiheit · 12. Februar 2014