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19. November 2008 · Zürich, Tonhalle, 19.30 Uhr

Johannes Brahms: Violinkonzert; Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1

Tonhalle-Orchester Zürich
Christian Tetzlaff (Violine)

Pressestimmen

Zürich, Tonhalle. - Lieben Sie Brahms?, möchte man da wieder mal fragen. Aber sicher, wenn er so leidenschaftlich, rückhaltlos und auch virtuos dargeboten wird wie hier, wo die Virtuosität auch Himmel zu stürmen und jähe Abgründe aufzureißen versucht. Man könnte das Violinkonzert ja auch vor allem schön spielen, und gepflegte Langeweile wäre dann nicht so fern, aber derlei kommt diesmal nie auf. Christian Tetzlaff, 42 Jahre alt, und das Tonhalle-Orchester unter Hartmut Haenchen reisen das Werk gleichsam mit einem glühenden und auch risikofreudigen Schwung los, mit einer zuweilen sogar fast herrischen Energie, mit Nachdruck und auch zartester Empfindung. Tetzlaff spielt nicht nur, er spricht zugleich, versenk sich in kleine Gesten und Figuren und jagt dahin. Das klingt bald lieblich und bald wie ein Taumel. Heute Freitagabend wird er statt Brahms ein neues Stück präsentieren: eine große Arie, eine Ansprache voller Emotionalität, nämlich das Violinkonzert, das Jörg Widmann vor einem Jahr für ihn geschrieben hat. Und womöglich wird er wiederum so schön Bach hinzugeben. Das höchst präsent aufspielende Tonhalle-Orchester wird danach unter Haenchens Leitung nochmals die 1. Sinfonie von Johannes Brahms wiederholen, die sie am Mittwoch schon mit Emotionalität und Verve aufführte. Diese Interpretation ließ einen etwas von jenem Ausbruch spüren, den das Werk für den Komponisten bedeutete: es is ein Befreiungsakt sondergleichen, manchmal eine Zerreißprobe – und in den Soli einzelner Orchestermusiker Hingabe.
Thomas Meyer
Tagesanzeiger Zürich · 21. November 2008
Neue Zürcher Zeitung, 21. November 2008

Von gestern und von heute
Christian Tetzlaff und Hartmut Haenchen in der Tonhalle Zürich


Seine Tätigkeit als Musikdirektor der Niederländischen Oper Amsterdam, zumal die Auslegung von Wagners «Ring» in ihrem opulenten Klanggewand, ist in bester Erinnerung. . ......
Haenchen wandelte eher auf den Spuren Herbert von Karajans, ohne freilich dessen koloristisches Raffinement zu erreichen. Das Orchester, das darauf etwas kratzbürstig reagierte, wurde an kurzer Leine geführt, weshalb es der Wiedergabe insgesamt an Weite und Raum fehlte. Dennoch gab es glückliche Momente: beim Solo des jungen Ersten Konzertmeisters Andreas Janke, bei der Kantilene der Soloflötistin Sabine Poyé Morel in der Einleitung zum Finale.
Unter dem zu heftigen Zugriff des Dirigenten litt auch die Wiedergabe des Violinkonzerts in D-Dur von Johannes Brahms. Der Solist Christian Tetzlaff hielt nach Massen dagegen. Zwar zeigte auch er Temperament, aber in den lyrischen Passagen blickte er tief ins Innere der Musik und erreichte dabei eine unerhörte Dichte des Gefühls. Grossartig auch seine Kultur des Leisen – und genau das kann er heute Abend einsetzen, wenn das Programm noch einmal gegeben wird, dabei aber nicht mit dem Konzert von Brahms, sondern dem neuen, von Tetzlaff vor einem guten Jahr in Essen aus der Taufe gehobenen Violinkonzert des sehr begabten Münchners Jörg Widmann. Das ist nun ganz von heute – und Musik, die direkt zu den Sinnen und den Herzen spricht. Gleich am Anfang und dann immer wieder tritt die Erinnerung an das Violinkonzert von Alban Berg ein; tatsächlich ist das Stück Widmanns mit diesem grossen Werk durch eine natürliche, primäre Gesanglichkeit verbunden. Dabei spricht Widmann seine ganz eigene Sprache. Das knapp halbstündige Stück führt die Geige von den tiefsten in die höchsten Lagen, lässt Bewegung und Ruhe spannend aufeinanderfolgen und glänzt mit raffinierten Klangmischungen.
Peter Hagmann
Neue Zürcher Zeitung · 21. November 2008