08. März 2014 · Berlin, Konzerthaus, Großer Saal, 20.00 Uhr
Carl Philipp Emanuel Bach: "Die letzten Leiden des Erlösers", Oratorium
Kammerorchester C.Ph.E. Bach; Rias-Kammerchor
Christina Landshamer (Sopran);
Christiane Oelze (Sopran);
Anke Vondung (Mezzosopran);
Maximilian Schmitt (Tenor);
Roman Trekel (Bariton)
Festkonzert zum 300. Geburtstag von C.Ph.E. Bach;
vorletztes Anrechtskonzert
Ab 21.00 Uhr zeitversetzte Live-Übertragung auf DeutschlandRadio
Pressestimmen
anlässlich der Sendung der neuen CD:
... Unsere Aufnahme ist sehr aktuell, sie entstand am 8. März, dem 300. Geburtstag von Carl Philipp Emanuel Bach. Im Berliner Konzerthaus wurde die abendfüllende Passions-Kantate aufgeführt. Ein beeindruckendes Ereignis, das nun auf CD vorliegt und das zugleich eine der letzten Gelegenheiten war, dieses legendäre Kammerorchester live zu erleben, denn am 1. Mai wird es sich mit einem Mozart-Konzert vom Podium verabschieden und auflösen.
mdr · 14. April 2014
Keine Lust mehr auf Leiden
Das Festkonzert zum Geburtstag von Carl Philipp Emanuel Bach vor 300 Jahren ehrte ihn nicht nur als Komponisten sondern auch als Menschen - mit der Passions-Kantate „Die letzten Leiden des Erlösers“ mit Rias-Kammerchor und dem Kammerorchester „Carl Philipp Emanuel Bach“ unter Hartmut Haenchen.
Um den Geburtstag eines Komponisten zu feiern, mag es Passenderes geben als ein Werk zur Leidensgeschichte Jesu. Natürlich hätte man auch am Sonnabend im Konzerthaus wieder einen Abend lang Sinfonien oder Klaviermusik spielen können, um Carl Philipp Emanuel Bach zu ehren, der vor 300 Jahren geboren wurde. Man hätte wieder staunen können über seine Klangsprache zwischen Wildheit und beiläufigem Konversationston und hätte sich wieder all dessen vergewissern können, was über diesen Komponisten gewöhnlich so gesagt wird: Ah ja, das klingt ja sehr empfindsam und rührend, das muss wohl der Sturm und Drang sein.
Ein Mensch des Übergangs
Die Aufführung der Passions-Kantate „Die letzten Leiden des Erlösers“ mit Rias-Kammerchor und dem Kammerorchester „Carl Philipp Emanuel Bach“ unter Hartmut Haenchen lieferte mehr: Der Bach-Sohn wurde an diesem Abend als Musiker und durchaus tragischer Mensch des Überganges unmittelbar erlebbar. Natürlich muss man bei einer „Passions-Kantate“ von Philipp Emanuel an die Passionen und Kantaten seines Vaters Johann Sebastian denken. Weil dem inneren Ohr die Passions-Musik des Vaters präsent ist, wird Philipp Emanuel als Sohn wahrnehmbar, wie das kaum ein anderes Stück möglich gemacht hätte. Und weil „Die letzten Leiden des Erlösers“ sich auch als Kampf hören lassen mit einer Form religiöser Vokalmusik, die der Vater noch ohne Zweifel bedient hat, der der Sohn aber schon nicht mehr recht zu trauen scheint, wird der Hörer Zeuge eines aufregenden Umbruchs. Der Wandel ist nicht nur ein musikalischer, sondern auch der eines Menschenbildes: Wir wollen nicht mehr über das Leiden meditieren, sondern das Schöne preisen!
Weil es in einer Passion naturgemäß ums Leiden gehen muss, hört sich der erste Teil des Werkes wie eine Pflichtübung, hinter der die Zweifel immer präsent bleiben. Das Libretto der Anna Louisa Karsch, die auf szenische Darstellung völlig verzichtet, stattdessen ausführlich beschreibt, zeigt zwar das Bemühen, sich Qualen und Tragik der Passion vor Augen zu führen. Wenn Karsch es heißt: „Sein Leiden steigt; mit jedem Augenblicke strömt neue Qual ihm zu“, klingt das allerdings auch so sensationsfreudig, als würde sie der Stärke und Wirksamkeit der eigenen Empfindungen nicht mehr trauen. Bachs Musik folgt ihr darin. In den beschreibenden Rezitativen zügelt Bach merklich sein Temperament, führt gute Kinderstube vor, in den Arien zeigt er frei sein Gesicht.
Monströses Duett
Das Misstrauen den eigenen Gefühlen gegenüber ist im überquellenden Melodiezierrat aber mit Händen zu greifen. Ein ganzer Reigen von Doppelschlägen und Pralltrillern geht etwa in der Alt-Arie „Du, dem sich Engel neigen“ auf den Hörer hernieder. Nahezu monströs ist das Duett der beiden Soprane, die in Terzläufen, Trillern und Solokadenzen den Vorsatz feiern, in Zukunft ein besseres Leben führen zu wollen. Das hat Bach mit Sprüngen und angestochenen Gipfeltönen außerdem so unangenehm geschrieben, dass sowohl die stimmlich kraftvolle Christiane Oelze, wie die flexible Christina Landshamer an ihre Grenzen geführt werden.
Nach dem der Erlösungsakt auf Golgatha geschieht Erstaunliches: auch Bachs Musik scheint plötzlich aufzuatmen, vom Zwang befreit, sich mit dem Leiden beschäftigen zu müssen. Und wenn dann im groß angelegten Finale dem Überwinder „lobsinget“ wird und plötzlich Schwung und großer Gestaltung-Bogen den Hörer einnehmen, wird auch klar, dass die Zeit der Passionen damit fürs erste vorbei war, dass es von nun an darum gehen würde, das Schöne und Gute zu besingen. Der Rias-Kammerchor singt das mit schlanker Wucht, Bariton Roman Trekel verströmt königlichen Glanz, das Kammerorchester mit Hartmut Haenchen betört durch feinen Klang und beispielhafter Eleganz in der musikalischen Gestaltung.
Clemens Haustein
Berliner Zeitung · 10. März 2014
Empfindsames Festkonzert für Carl Philipp Emanuel Bach
Das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach feiert den 300. Geburtstag seines Namensgebers mit einem Festkonzert im Konzerthaus
Was für eine lobenswerte, wahre Art, den 300. Geburtstag des Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach zu feiern! Das Kammerorchester, das seinen Namen trägt, spielt im voll besetzten Konzerthaus eine Rarität. Sie beleuchtet, wie der zweite Bach-Sohn das Erbe des Vaters Johann Sebastian in eine neue Zeit führt. Sein Oratorium „Die letzten Leiden des Erlösers“ steht in der Tradition der Passionsmusiken, bricht aber mit dem Brauch, das Bibelwort nach Matthäus oder Johannes zu vertonen. Diese singende Poesie beruht auf einem Libretto, welches das Leiden und Sterben Christi der lyrischen Betrachtung anheimgibt: „Du Göttlicher! Warum bist du/ So in des Todes Schmerz versunken?“, fragt der Solosopran nach einer stillen Sinfonia.
Das Werk beginnt ungewöhnlich zart, um Gefühlskontraste zu entfalten, zu weinen, zu donnern.
Bemerkenswert, dass die Passionskantate des „Hamburger Bach“ auf einem Textbuch von Anna Louisa Karsch basiert. Diese Gastwirtstochter, die quasi zwangsverheiratet durch zwei Ehen mit gewalttätigen Männern gegangen ist, hat neben allerlei Schäferpoesie Gedichte von verblüffender Aufrichtigkeit über ihr schweres Leben und andere Wahrheiten geschrieben, sich emanzipiert, mit Goethe korrespondiert und literarische Salons erobert. Wie Philipp Emanuel seit seiner Zeit als „Berliner Bach“ ist sie befreundet mit dem Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim, der die Veröffentlichung ihrer Gedichte veranlasst. Vielleicht hat er nicht zu hoch gegriffen, als er sie zur deutschen Sappho erklärte.
So wirft das Werk auch ein Spotlight auf die Geistesgeschichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und den Weg des Bach-Sohnes, wie er über den Kammercembalisten Friedrichs II. hinauswächst. Reiche Holzbläser-Instrumentierung, Orgel, Pauke: In den Accompagnato-Rezitativen und Arien auf Texte, die ans Herz rühren, engagieren sich mustergültig fünf Solisten: Christiane Oelze, Christina Landshamer, Anke Vondung, Maximilian Schmitt und Roman Trekel. Der Rias-Kammerchor versieht seine relativ wenigen Aufgaben (keine Turbae des Volkes!) mit Glanz. Über allem steht Hartmut Haenchen, Meister der empfindsamen Musik, der sein Orchester aufgeben wird. Ein sehr würdiges, aber auch wehmütiges „Festkonzert“.
Sybill Mahlke
Tagesspiegel · 09. März 2014