CDs / DVDs

Sächsische Zeitung, 20. April 2007
Sächsische Zeitung, 20.4.2007

Die Nibelungen-Giganten mal ganz nach Richard Wagners Geschmack
Von Bernd Klempnow

Hartmut Haenchen legt auf CD die erste kritische „Ring“-Tetralogie vor. Sie ist ein Ereignis – selten kurz und transparent.

Würde Richard Wagner CDs von seinem Opern-Giganten „Der Ring des Nibelungen“ suchen, wäre er wohl erst seit Kurzem glücklich. Das meint zumindest Hartmut Haenchen und dürfte recht haben. Der Dresdner Dirigent und Musikfestspiel-Chef kommt in seiner jetzt vorliegenden „Ring“-Interpretation den Klang-, Tempo- und Darstellungsideen Wagners ganz nahe. Seine Gesamtaufnahme ist mit 13 Stunden und 45 Minuten um bis zu anderthalb Stunden kürzer als bisherige Referenzplatten. Sie ist ungewöhnlich transparent, obwohl sie in der Amsterdamer Oper während der Vorstellungen aufgezeichnet wurde.

Haenchen führt seine Niederländische Philharmonie ganz diffizil . In den reinen Musikpassagen lässt er sie wohltönend auffahren, um sie zu einem fast kammerartigen Spiel anzuregen, wenn die – durchweg sehr guten – Sänger dran sind. Die Textverständlichkeit ist enorm hoch, was im Theater selten ist. Zudem werden kleinste Details genau herausgearbeitet. 18 in f gestimmte Ambosse sind in „Rheingold“ zu hören. Extra für diese Produktion wurden Wind- und Donnermaschinen rekonstruiert und ermöglichen ganz andere Stimmungen.

Wie kommt der Dirigent zu dieser Sicht? Haenchen ist seit jeher ein Quellen-Fetischist. Schon als Kruzianer studierte er in den Bibliotheken die Originale, statt sich an Überlieferungen zu halten. Für den Amsterdamer „Ring“-Zyklus, der mit Regisseur Pierre Audi als archaische Parabel auf einer High-Tech-Bühne um das Orchester arrangiert wurde, leistete er wieder solche Entdeckerarbeit. Plastisch berichtet er darüber im Begleitheft.

Er und sein Team nutzten als Erste nicht nur die Neue Richard-Wagner-Gesamtausgabe. Sie berücksichtigten zudem alle Aufzeichnungen Wagners und dessen Assistenten zur Bayreuther „Ring“-Uraufführung 1876. Darin werden die sonst verkürzten Anweisungen in der Partitur und teils erhebliche aufführungspraktische Änderungen von Text, Noten und Tempo erläutert. Der Meister war besonders gegen das Verschleppen der Tempi und sentimentales Gesinge. Musik, Gesang und theatralische Aufführung sollten gleichberechtigt sein.

All dies wurde nach Wagners Tod Jahrzehnte mehr oder minder ignoriert. Haenchen entschlackte nun das Stück konsequent und auf eine Art, dass selbst per CD das Theatererlebnis nachvollziehbar wird.