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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. August 2007
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. 8. 2007

WAGNER KÖNNEN AUCH ANDERE
Sogar quellenkritisch: Hartmut Haenchens Amsterdamer „Ring“

...Schon seit geraumer Zeit ist das Bayreuther Exklusivrecht auf sehens- und hörenswerte Wagnerproduktionen erloschen.....Und auch im Muziektheater in Amsterdam wurde 2004/2005 der „Ring des Nibelungen“ fertiggeschmiedet, sogar in einer Fassung, die in Anspruch nahm, sich quellenkritisch auf dem neuesten Stand der Richard-Wagner-Gesamtausgabe zu stützen. Man habe, erklärte der Dirigent Hartmut Haenchen, in Amsterdam Material verwendet, das „bisher nicht einmal in Bayreuth benutzt wurde“. Haenchen selbst hat die CD-Edition des Amsterdamer „Rings“ mit Erläuterungstexten angereichert und ein vorbildlich gründliches Begleitbuch verfasst, inklusive fünfseitiger Druckfehlerliste allein zur „Götterdämmerung“.
In der Regel geht es dabei nicht um falsche Noten, sondern um eine Differenzierung der Dynamik und Phrasierung, etwa um fehlende Bindebögen oder Piano-Zeichen. Auch die musikalische Realisierung tut sich nicht durch spektakuläre Neuerungen hervor. Auffallend aber sind die schnellen Tempi, das durchsichtige, schlanke, dabei trotzdem blühende Klangbild. Die feinabgestuften Schattierungen der Instrumentalfarben, die für dramatische Impulse sorgende Flexibilität der Dynamik erinnern tatsächlich an den alten Keilberth-„Ring“. Auch legt Haenchen Wert auf das Herausarbeiten der Motivverwandschaften sowie auf ungewöhnlich klare Textverständlichkeit, was Wagners Musiktheater-Ideal ziemlich nahe kommen dürfte. Immerhin, es handelt sich um ein Konversationsstück, in dem immerfort diskutiert und geredet wird – und das Orchester spricht mit. „Schweigt mir vom Wälsungengeschlecht“, ruft Wotan entnervt aus. Dazu erklingt im Orchester das Siegfriedmotiv und straft seine Worte Lüge. Man versteht jede Silbe....
Hartmut Haenchen ...hat sich mit dieser famosen „Ring“-Visitenkarte eigentlich längst für den Hügel empfohlen.
ELEONORE BÜNING