CDs / DVDs

www.klassik.com, 04. Oktober 2007
www.klassik.com04.10.2007

Mozart aus einem Guss

Interpretation: 4 Sterne
Klangqualität: 4 Sterne
Regie: 4 Sterne

Weil das Thema Musikvermittlung derzeit in aller Munde ist, nimmt es nicht sonderlich Wunder, wenn immer mehr Veröffentlichungen erscheinen, die sich der Vermittlung von Meisterwerken an den musikalischen Laien widmen. Angesichts von Zeitschriften mit CD-Beilagen, die seit den Achtzigerjahren erschienen sind, ist das nicht unbedingt neu; durch Verlagerung auf das Medium DVD lässt sich nun aber der »Infotainment«-Charakter solcher Veröffentlichungen viel besser herausstreichen. Das Ergebnis solcher Unternehmungen kann, wie im vorliegenden Fall einer Veröffentlichung aus der bei EuroArts erscheinenden Reihe ‚Discovering Masterpieces of Classical Music’, durchaus gelungen sein.

Mozarts ‚Jupiter-Sinfonie’ C-Dur KV 441, ein wichtiger Höhe- und Wendepunkt in der Geschichte der Sinfonie, steht im Mittelpunkt der vorliegenden Produktion, die eine 28-minütige Dokumentation mit dem 33-minütigen Mitschnitt einer Aufführung kombiniert und dadurch ein rundes Gesamtbild von dem häufig gespielten Werk zu vermitteln sucht. Dem englischsprachigen Film, der sich mit diversen Sprachen untertiteln lässt, gelingt die heikle Gratwanderung zwischen der Vermittlung allgemeiner historischen Informationen und spezieller Details ausgesprochen gut: In dokumentarischen Teilen kommt der Dirigent Hartmut Haenchen ausführlich zu Wort, der sich als profunder Kenner des Werkes erweist und den Zuhörer auf viele Details aufmerksam machen kann, obgleich seine Ansichten zur historischen Bedeutung der Komposition ein wenig einseitig erscheinen und etwa die weiter reichenden Entwicklungen in Haydns späten Sinfonien völlig außer Acht lassen.

Dennoch gelingt es Haenchen, den Hörer auf anschauliche Weise mit dem Aufbau der einzelnen Sätze vertraut zu machen und so die Komplexität von Mozarts Musik allgemein verständlich zu demonstrieren. Dazu werden in einer am Verlauf der Sätze orientierten Beschreibung die thematischen Strukturen und formalen Besonderheiten des Werkes erläutert und durch entsprechenden Musikausschnitte sowie durch eingeblendete Notenbeispiele illustriert. Durch diese Informationen aufmerksam gemacht, kann der Hörer die erwähnten Besonderheiten anschließend am Live-Mitschnitt des Werkes aus dem Konzerthaus Berlin vom 13. November 2005 mit dem ‚Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach’ nachvollziehen.

Obgleich nicht unbedingt ein Verfechter historisch-orientierter Aufführungspraxis, kennt sich Haenchen bestens mit den historischen Erfordernissen der Musik aus und wendet sich mit einigen seiner dargestellten Ansichten dezidiert gegen bestimmte Arten der Interpretation, indem er eigene Lösungen für bestimmte Details präsentiert. So lässt er die Streicher im langsamen Satz mit unterschiedlichen Bogenstrichen spielen, um unerwünschte Artikulationen, wie sie durch identische Stricharten entstehen können, zu vermeiden und den ‚cantabile’-Charakter der Musik stärker herauszuarbeiten, nicht ohne auch die verstörenden Moll-Einwürfe stark herauszumodellieren. Obgleich er sich dabei für meinen Geschmack in Bezug auf manche rhetorischen Details allzu sehr zurückhält, ist das sehr hörenswert, zumal er die Musiker auch im Stehen spielen lässt, ihnen also ein Maximum an Bewegungsfreiheit ermöglicht.

Haenchens Wiedergabe bietet daher eine durchdacht musizierte Alternative zu anderen Aufnahmen. Die Präzision des in kleiner Besetzung spielenden Orchesters ist einnehmend, die Gesamtdarstellung überzeugt durch ihre Geschlossenheit. Die Sorgfalt, mit der Haenchen die Phrasen und Themen zeichnet, verdeutlicht, dass er auch in den übrigen Sätzen die Kantabilität als wichtigsten Aspekt ansieht und die Musik daher über weite Strecken hinweg ganz aus dem Primat des Gesangs heraus gestaltet. Dennoch legt er auch viel Wert auf die Darstellung der komplexen Werkarchitektur, wie sich insbesondere an den beiden Rahmensätzen erweist. Der vielleicht schönste Aspekt ist jedoch, dass es Dirigent und Orchester gelingt, in der Live-Situation zu einem spannungsreichen Musizieren zu gelangen, das auch den Raum zwischen den einzelnen Sätzen erfasst und bis zum Ende des Werkes nichts an Intensität verliert.

Dr. Stefan Drees