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Wiener Zeitung, 20. Dezember 2007
Wiener Zeitung

Opernberichte

Wer keine Karte für die "Walküre" bekommt, kann "Ring"-Liebhabern anderes schenken: rare DVD-Aufnahmen
Frohe Weihnachten für Wagnerianer

Dem "Ring" begegnet man am besten in der Oper – oder auf DVD.
Klassiker und Geheimtipps von Audi, Chéreau, Schenk.

Wien. Im Zuge der "Walküre"-Premiere an der Wiener Staatsoper ist ein richtiger Hype um Richard Wagners "Ring des Nibelungen" entstanden. Der vielleicht auch in den Weihnachtsgeschenken seinen Niederschlag finden will. Ein paar Tipps für "Ring"-Freunde und alle, die es werden wollen.
Dem "Ring" begegnet man am besten auf DVD, Wagner dachte szenisch. Ohne Bühne, nur akustisch genossen, ist die Musik immer noch genial. Aber es fehlt etwas.

Konservativer "Ring"

Wer es konservativ mag, greift am besten zum "Ring" aus der Met. Otto Schenk hat eine Märchenbuch-Inszenierung ohne Deutung geliefert, Dirigent James Levine sorgt für behäbige bis bleischwere Tempi, das Ensemble übt sich in lautstarkem Wagner-Gesang, wie er früher Gang und Gäbe war. Eine Auferstehung des Wagner-Stils von gestern (Deutsche Grammophon, 7 DVDs, ca. 110 Euro).

Einen wesentlich aufregenderen "Ring" ebenfalls konservativerer Machart lieferte Pierre Audi für Amsterdam. Es sind wunderbare magische Bilder, in denen der Mythos erzählt wird. Audi verwandelt die Szene in Poesie und trägt das Epos mit klarer Stimme vor. Nur die Verlagerung des Spiels in den Raum kann die DVD nicht ganz wiedergeben. Musikalisch ist alles nahezu ideal, vor allem dank Hartmut Haenchen, der einen sehr analytischen und doch leidenschaftlichen Wagner dirigiert. Auch die sängerischen Leistungen sind atemberaubend, nur Jeannine Altmeyer als Brünnhilde ist etwas überfordert (wird nicht als komplettes Paket angeboten, insgesamt ca. 180 Euro).

"Ring" der "Ringe"

Der "Ring", an dem sich alle modernen Regiearbeiten messen lassen müssen, ist die Bayreuther Inszenierung von Patrice Chéreau mit ihrer politischen Deutung und ihrer zutiefst menschlichen Sicht auf die Tragödie des Individuums. Pierre Boulez mit seinem auf weite Räume gerichteten analytischen Denken ist immer noch der beste "Ring"-Dirigent, die Gesangsleistungen sind etwas ungleichmäßig. Dennoch: Auch rund 30 Jahre nach der Premiere: Das ist der "Ring" der "Ringe" (8 DVDs, ca. 90 Euro).

Fast ebenso aufregend ist die Stuttgarter Inszenierung mit dem irritierenden, aber letzten Endes unerwartet spannenden Konzept, jeden Abend einem anderen Regisseur anzuvertrauen. Damit gibt es keine oberflächlichen Querverweise. Und doch zieht sich der Mythos am Reibebaum der Gegenwart wie ein roter Faden durch das auch musikalisch sehr befriedigende Experiment (7 DVDs, ca. 180 Euro).

Der Beste in Stereo

Der beste Stereo-"Ring" auf CD ist nach wie vor der Bayreuther unter Karl Böhm, der die geschlossenste Sängerleistung bietet und einen Dirigenten, der Wagners Pathos versteht, es aber nicht zelebriert und eine überlegene Tempodramaturgie entwirft (Philips, 14 CDs, ca. 120 Euro).

Wer auch eine – gut durchhörbare – Mono-Aufnahme akzeptieren kann, ist mit der von Hans Knappertsbusch, ebenfalls aus Bayreuth, bestens beraten: Der historische Wagnerstil wird unter einem Dirigenten lebendig, der wirklich noch im langsamen Zeitmaß große Bögen zu spannen wusste (Orfeo, 13 CDs, ca. 150 Euro).

Auch mit dem "Ring" der Wiener Staatsoper kann man sich gezielt auseinandersetzen. Regisseur Sven-Eric Bechtolf legt in "Vorabend" Rechenschaft über seine Beschäftigung mit dem "Ring" ab – das Ergebnis ist wesentlich witziger und intelligenter als seine "Walküre"-Inszenierung (Haymon, ca. 19 Euro).

Zum Lesen und Hören

Außerdem gibt es den Text des "Rings" gelesen von Bechtolf als Hörbuch: Eine sehr spannende Erfahrung, die zeigt, dass Wagner keineswegs ein übler Textautor war, sondern ein sprachgewaltiger Poet mit teilweise verschrobenem Humor (Col legno, 8 CDs, ca. 50 Euro).

Die spannendste Wagner-Biografie stammt übrigens nach wie vor von Joachim Köhler. Auf 870 Seiten erzählt Köhler in "Der letzte der Titanen" in glänzend lesbarem Deutsch Wagners seltsames Leben und gewährt tiefe Einblicke in einen komplexen Charakter – Beschönigungen sind ebenso verpönt wie Verdammungen. Die Basis einer Auseinandersetzung mit einem Genie (Claassen, ca. 37 Euro).



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