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www.amazon.de, 03. Mai 2013
4 STERNE

Kursächsisch-vergnüglicher Ohrenschmaus

Es muss ein grandioses Spektakel gewesen sein, als J. D. Heinichens Serenata 1719 anlässlich der Hochzeit des sächsischen Kurprinzen mit einer österreichischen Kaisertochter in einem eigens dafür gebauten Freilufttheater uraufgeführt wurde. Ein im Booklet veröffentlichter Kupferstich zeigt, wie die sieben als olympische Götter verkleideten Sänger (unter ihnen Stars wie der Kastrat Senesino) auf einer mechanischen Wolke thronend die illustren Gäste in eine antike Phantasiewelt entführten. Dass wir nun in etwa ahnen können, wie das Ganze klang, verdanken wir der Veröffentlichung eines bereits 10 Jahre alten Live-Konzertes zu Ehren von Hartmut Haenchens diesjährigem 70. Geburtstag.
Heinichens Musik macht in erster Linie Spaß zu hören. Fast alle Arien stehen in Dur, verlangen schnelle Tempi und präsentieren sich als virtuose Schaustücke für die damals in Dresden engagierten weltbesten Instrumentalisten und Sänger. Heinichen erweist sich hier bereits 1719 als einer der ersten Meister des gerade brandneu aus Italien importierten galanten Stils, der in den kommenden 20 Jahren ganz Europa erobern sollte. Freilich ermüdet die an der Opera seria angelehnte recht starre Abfolge von Seccorezitativ und Dacapoarie bei allem oberflächlichen kursächsischen Glanz recht schnell und der heutige Hörer sehnt sich bald nach händel- oder bachschen Ausdruckstiefen. Die sieben Solisten, darunter bekannte Namen wie Anette Markert, Katharina Kammerloher oder Olaf Bär, machen ihre Sache trotz mancher Live-Abstriche bei Technik, Koloraturen und Intonation recht gut, stellen aber sicherlich keine adäquate Besetzung der Partien dar, die damals für die teuersten Gesangsstars Europas geschrieben wurden. Sehr schade ist es außerdem, dass man für die immerhin drei Kastratenrollen keinen einzigen Countertenor verpflichten konnte, wodurch der gesamte Klang sehr frauenstimmenlastig wird, da Tenor und Bass nur jeweils eine Arie (von 13) zu singen haben.
Größter Schwachpunkt dieser insgesamt recht erfreulichen Aufnahme ist m.E. jedoch der Verzicht auf historische Blasinstrumente. Die Hornisten leisten zwar sauberste Arbeit, ein modernes Instrument kann jedoch niemals den hohen quasi artistischen Reiz der extrem virtuosen Naturhornpartien wiedergeben. Wer die Concerti Heinichens in der Aufnahme mit der Musica antiqua Köln kennt, weiß, welcher Klang dem Komponisten vorgeschwebt haben muss.
Insgesamt schwankt meine Bewertung zwischen drei und vier Sternen, tendiert aber wegen des hohen diskographischen Wertes und der schwungvollen, wenn auch historisch nicht überzeugenden Interpretation in den höheren Bereich. Für alte-Musik -Fans klare Kaufempfehlung!