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www.klassik.com, 19. April 2007
Die Amsterdamer ‘Götterdämmerung’ glänzt wiederum durch Hartmut Haenchens Pioniertat am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest. Das Sängerensemble kann die künstlerische Ausgewogenheit der Vorabende nur bedingt aufrecht erhalten.


Die Mitschnitte aller vier Abende liegen nun auf SACD vor, und können sich rühmen, die erste Aufnahme unter Verwendung der neuen Richard-Wagner-Gesamtausgabe zu sein. Der Dirigent aller vier Opern Hartmut Haenchen erläutert diesen Umstand detailliert in den jeweiligen Booklets. Dem Hörer begegnen vor allem in Fragen der Instrumentation und klanglichen Realisation, sowie in Dynamik und Agogik Feinheiten, die dem Klangideal des Bayreuther Meisters besonders nahe zu kommen scheinen. Die neuen Einsichten bei ‘Götterdämmerung’ reichen von veränderten Tönen und Rhythmen über auffällig rasche Tempi bis hin zur Balance innerhalb des Orchesters. So verstärkt sich der unruhig drängende Charakter der Waltrauten-Erzählung und der Mannen-Chor entwickelt in seinem furchtlosen Trotz einen ‘Schrecken erregenden Humor’ (Wagner).
Wie in den vorhergehenden Abenden muss eine Lobeshymne auf das Nederlands Philharmonisch Orkest unter Haenchens Leitung gesungen werden. Einen so durchsichtigen, klar konturierten ‘Ring’ hat man selten gehört. Es ist, als würde sich ein Pianist jegliche Verwendung des Pedals versagen und müsse nun auf Erkundungstour im Notentext gehen, um das klangliche Ergebnis zu neuer Qualität zu treiben. Was in dieser ‘Ring’-Einspielung an dynamischer Differenzierung, glasklarer rhythmischer Prägnanz und herrlichen Klangfarben aus dem Graben dringt ist fesselnd und aufrüttelnd. Wie sich beispielsweise das Liebeserlösungsmotiv in den letzten Takten aus dem lärmenden Untergang herauslöst ist an akustisch-theatralem Effekt kaum zu überbieten. So kann Wagners Orchesteropulenz also auch klingen, ohne auch nur einen Funken ihrer aufwühlenden Macht zu verlieren.
Das Sängerensemble setzt Haenchens Pionierarbeit auf bewundernswerte Art und Weise in die Tat um, kann aber stimmlich nicht restlos überzeugen. Linda Watson besitzt eine angenehme Mittellage, in der der Sopranistin eine üppige Tonschönheit zur Verfügung steht, die sie als Brünnhilde leider so gut wie nie nutzen kann. Somit bleibt dem Hörer vor allen Dingen ihre scharfe Höhe und die angestrengte Intonation im Gedächtnis. Watson kommt ohne Ausfälle durch die Partie, kann aber beispielsweise in der Schlussszene keinen positiven Eindruck verbuchen. Ein ähnliches Problem stellt Kurt Rydl als Hagen dar. Sein Bass klingt abgesungen, kurzatmig stemmt er die Töne, die allesamt an ein verzweifeltes Aufbäumen erinnern. Seine sonst so dämonischen Tiefen sprechen vereinzelt noch an und seine Rollenerfahrung ist deutlich spürbar. Diese Routine rettet ihn über weite Strecken und Hagens Wachtgesang kann durch seine dramatische Wahrhaftigkeit noch immer überzeugen.
Der Siegfried von Stig Andersen ist ein echter Haudegen. Schonungslos treibt der Sänger seine Stimme zum vokalen Hochleistungssport und das Ergebnis ist beachtlich. Wie ein ungeschmiedetes glühendes Eisen schlägt sich Andersens Tenor durch die Partitur, und wenngleich er sich auf eine einzige Lautstärke eingesungen hat, so gelingt ihm doch mit Siegfrieds Tod ein bewegender musikalischer Moment.
Die drei Nornen sind mit Birgitta Svendén, Michaela Schuster und Irmgard Vilsmaier prachtvoll besetzt und auch das Rheintöchter-Trio von Alexandra Coku, Natascha Petrinsky und Elena Zhidkova kann sich hören lassen. Irmgard Vilsmaier ist zudem eine fulminante Gutrune, deren Bruder Gunther in der Gestalt von Robert Bork mit einem kernigem Bariton aufwarten kann.
Dieser Amsterdamer ‘Ring’ ist ein Markstein in der Geschichte der ‘Ring’-Diskographie und gesanglich folgt er dem dramaturgischen Verlauf des Geschehens: So göttlich die Tetralogie beginnt, so menschlich endet sie.